"Negertiv": Clip gegen Rassismus bei der Polizei sorgt für Shitstorm

Karlsruhe - Eine Kampagne gegen Rassismus und Diskriminierung auch in den eigenen Reihen ist bei der baden-württembergischen Polizei am Montag nach hinten losgegangen. Nachdem ein Video auf Twitter live ging, war der Teufel los.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (61, CDU).
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (61, CDU).  © Sebastian Gollnow/dpa

Doch der Reihe nach: Am Montag startete in Baden-Württemberg die Kampagne "Nicht bei uns!".

"Die Wertschätzung aller Menschen ist Grundlage unseres Handelns", wird Innenminister Thomas Strobl (61, CDU) auf der Kampagnen-Webseite seines Ministeriums zitiert.

Und weiter: "Jegliche Tendenzen, die diese Maxime infrage stellen, müssen wir bereits im Keim ersticken – innerhalb wie außerhalb der Polizei."

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Vor allem in sozialen Netzwerken würden fremdenfeindliche, rassistische, antisemitische und extremistische Einstellungen häufig ungefiltert geteilt.

"Dies greift nicht nur betroffene Personen an, sondern richtet sich gegen den Kern unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens, unsere freiheitliche demokratische Grundordnung", so der 61-Jährige. Dieser Entwicklung müssten sich die Sicherheitsbehörden entschieden entgegenstellen.

Der Polizei komme dabei eine besondere Rolle zu: "Zum einen ist es ihre Aufgabe, konsequent gegen politisch motivierte Straftaten vorzugehen und im Verbund mit Netzwerkpartnern jeder Form von Extremismus in der Gesellschaft mit Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen entgegenzutreten. Zum anderen muss sie auch intern das feste Demokratie- und Werteverständnis schützen."

Ziel der Kampagne "Nicht bei uns!" sei es, "das Bewusstsein für eine respektvolle, professionelle und im Einklang mit den Beamtenpflichten stehende Kommunikation insgesamt zu stärken".

Polizist liest rechte Kommentare in Chatgruppe

Szenen aus dem Videoclip: Erst landet das Wörtchen "negertiv" im Chat, dann umschwebt es den Polizisten. (Bildmontage)
Szenen aus dem Videoclip: Erst landet das Wörtchen "negertiv" im Chat, dann umschwebt es den Polizisten. (Bildmontage)  © Montage: Screenshots YouTube.de/Polizei Baden-Württemberg

Dabei sollen vier Videoclips helfen, die "zum Nachdenken und vor allem zur Diskussion anregen" sollen, ist auf der Kampagnen-Seite zu lesen.

Einer der Clips ging am Montag auf dem Twitter-Account der Polizei Karlsruhe online und sorgte bei den für ihre Erregbarkeit bekannten Usern schnell für einen veritablen Shitstorm! Grund dafür: ein Wort, welches im Video auftaucht.

In dem Kampagnenfilm ist ein junger Polizist mit langen Haaren an seinem Spind zu sehen. Der Mann macht sich bereit für den Dienst. Da hört er das "Ding"-Geräusch einer eingehenden Nachricht auf seinem Smartphone.

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Er schaut nach. Wir sehen den Chatverlauf einer Gruppe. Jemand fragt: "Willst was zu Mittag? Pizza? Döner?" Ein anderer antwortet: "NEGERtiv... äh, negativ 🤣"

Der Polizist scrollt durch den Chatverlauf, landet bei einem Meme-Bildchen. "Natürlich deutsch" ist zu lesen, zwischen den Buchstaben das (unkenntlich gemachte) Konterfei von Nazi-Diktator Adolf Hitler.

Der Polizist guckt angewidert aufs Handy mit der Chatgruppe, in der offenbar seine Kollegen rechte Sprüche und Bilder teilen. Das Smartphone landet im Spind. Doch dann entwickelt es ein Eigenleben!

Pulsierende Energie wabert aus dem Bildschirm des Telefons, verschiedene Wörte rund Begriffe umschweben den Beamten. "Negertiv" etwa, "Ausländer" oder "Schleiereule". Eilig verriegelt er die Türe des Spinds, die Wörter verschwinden.

Ein Kollege fragt aus dem Off: "Biste soweit?" Der Beamte steht unsicher neben dem Metallschrank. Schnitt.

"Wegschauen? Nicht bei uns!", wird eingeblendet. Und: "Wir stellen uns aktiv gegen Extremismus, wir schauen hin und widersprechen. Denn das ist unsere Pflicht." Damit endet der Clip.

Aufgebrachte Twitter-User fordern Löschung

Eine Auswahl der erbosten Tweets am Montag. (Montage)
Eine Auswahl der erbosten Tweets am Montag. (Montage)  © Montage: Screenshots Twitter.com

Doch auf Twitter ging die Sache erst los. Denn vielen Usern stieß es auf, dass das Wort "Neger" in dem Clip zu sehen war. Der Begriff "N-Wort" schaffte es denn auch flugs in die Top Ten der deutschen Twitter-Trends.

"Supertoll, innerhalb von 70 Sekunden gleich fünfmal das N-Wort zu reproduzieren", erboste sich etwa ein Nutzer. "Haltung und Aktion sind richtig und wichtig, aber wie wär's wenn bei solchen Clips mal Betroffene und PoCs (People of Color, also farbige Menschen, Anm. d. Red.) mitarbeiten? Dann wäre das nicht passiert."

Ein anderer fordert zornig: "Besorgt Euch externe (bezahlte!) nicht-weiße Redakteur:innen oder sensitivity reader, wenn Ihr selbst die Skills nicht habt, meine Fresse."

Schnell gingen die User-Kommentare in Richtung Löschung: "Bitte löscht diesen Clip", heißt es etwa in einem Tweet. "Denn das N-Wort gibt es bei Euch. Ihr meintet schon das Richtige, versucht jedoch bitte einen Clip zu erstellen, ohne diese Diskriminierungen zu verwenden. Lasst Betroffene sprechen und helft so mit. Der aktuelle Clip ist einfach ein Schlag ins Gesicht."

Allerdings gab es auch andere Stimmen unter dem Kurz-Video.

"Die 'löschen'- und 'verbieten'-Kommentare hier drunter zeigen deutlich das Problem in unserer Gesellschaft", schrieb ein User. "Es geht nicht darum, Opfern zu helfen oder gar aufzuklären, sondern Hauptsache 'Ich muss das nicht sehen'. Wenn man das Wort 'Neger' löscht, hört es nicht auf zu existieren."

Ein anderer wünschte sich für die in seinen Augen gute Kampagne: "Hoffe, sie fruchtet."

Titelfoto: Montage: Screenshots YouTube.de/Polizei Baden-Württemberg

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