"Nicht ganz dicht": Was macht ein Clown auf einem Friedhof?

Lichtenfels - Mit weißen Luftballons in der Hand und mit roter Nase läuft der Clown vorbei an Grabsteinen und Holzkreuzen. Kaala Knuffl hat sich nicht etwa verirrt - der Friedhof ist ihr Terrain. Als sogenannter Beerdigungs-Clown tröstet sie, spielt Geige, jongliert, improvisiert, hält Reden - oder hält sich im Hintergrund.

Birgit Sauerschell (56) alias Clown Kalaa Knuffl geht über den Lichtenfelser Friedhof.
Birgit Sauerschell (56) alias Clown Kalaa Knuffl geht über den Lichtenfelser Friedhof.  © Nicolas Armer/dpa

Hinter der Maske steckt Birgit Sauerschell, eine Psychologin aus Lichtenfels. Schon 2007 machte sie ein halbes Jahr eine Grundausbildung zum Clown auf der Schule "Kunst des Stolperns".

Seitdem bringt sie als Klinik-Clown schwer kranke Kinder zum Lachen oder tritt als Clown bei Familienfesten, in Senioren-, Pflege- und Behindertenheimen auf. "Ein Clown ist nicht nur lustig, er ist auch sensibel und empfindsam", sagt die 56-Jährige.

Vor über zwei Jahren wurde sie von der "Idee geküsst", wie sie sagt, etwas zu verbinden, das auf den ersten Blick gegensätzlich scheint: Trauer und Humor.

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Für die Schwestern Ilka Kuhlmann und Gabriele Arnoldt aus Thüringen war Kaala Knuffl eine Stütze: Nach dem Tod ihrer Mutter im vergangenen Jahr organisierten sie eine "Erinnerungsfeier". Den Begriff "Trauerfeier" verwenden die Schwestern bewusst nicht.

"Unser geliebtes Muttichen hat nie geklagt, sie war immer lustig und hat oft Schmerzen und Traurigkeit überspielt, mit einem Lächeln und guter Laune. Eben wie ein Clown: Man erwartet von ihm, dass er gute Laune verbreitet, immer lustig ist und andere zum Lachen bringt - obwohl es in seinem Inneren oftmals ganz anders aussieht."

Beerdigungs-Clown verbindet Trauer mit Humor

Birgit Sauerschell (56) ist Psychologin und arbeitet in erster Linie als Klinikclown, bietet jedoch auch Dienste als Beerdigungs- oder trauernden Clown an.
Birgit Sauerschell (56) ist Psychologin und arbeitet in erster Linie als Klinikclown, bietet jedoch auch Dienste als Beerdigungs- oder trauernden Clown an.  © Nicolas Armer/dpa

Die Mutter habe Ballons geliebt: 70 beziehungsweise 80 Ballons flogen an ihren letzten runden Geburtstagen in die Luft. Bei der "Erinnerungsfeier" füllte Kaala Knuffl die Ballons mit Gas und verteilte sie an die Gäste.

"Alle Personen sind ins Freie getreten und dann sprach das, was man sah, für sich", erzählt Ilka Kuhlmann. Dutzende Ballons stiegen in den Himmel - und mit ihnen persönliche Gedanken an die verstorbene 81-Jährige.

"Ein Clown ändert die Atmosphäre", findet Sauerschell. Sie würde, wenn gewünscht, auch tanzen oder mit einem Fußball ums Grab rennen. "Offen - nicht ganz dicht", beschreibt sich Sauerschell auf der Homepage.

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"In einer Gesellschaft, in der Selbstverwirklichung und ein selbstbestimmt geführtes Leben zu den zentralen Werten gehören, soll natürlich auch die Beerdigung eines Menschen möglichst individuell sein und dem Leben der oder des Verstorbenen gerecht werden", sagt Simon Walter von der Stiftung Deutsche Trauerkultur.

Er findet es wichtig, dass der Ablauf von Trauerfeiern und Beisetzungen den Wünschen der Verstorbenen entspricht, und dass die Angehörigen beides als stimmig und würdig empfinden. Dann seien der Kreativität fast keine Grenzen gesetzt.

Das Leben geht weiter: Psychologin will als Clown Hoffnung geben

Das Konzept ihres "Beerdigungs-Clowns" findet nicht überall Anklang, gesteht Birgit Sauerschell (56).
Das Konzept ihres "Beerdigungs-Clowns" findet nicht überall Anklang, gesteht Birgit Sauerschell (56).  © Nicolas Armer/dpa

Mit einer Einschätzung hält sich Johannes Minkus von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zurück, da er noch nie einen Clown auf einer Beerdigung erlebt hat. "Die Clownsrolle kann ein gutes Instrument sein, um Gefühlen "geschützt" Ausdruck zu verleihen", kann er sich vorstellen.

Angehörigen zu helfen, den Schmerz ihres Verlustes auszuhalten, das ist auch ein Ziel von Seelsorgern. "In unserer Gesellschaft wird häufig versucht, Trauer und Schmerz möglichst rasch zu "überwinden"", sagt Minkus.

Daher ist es eine Aufgabe von Seelsorgern, die Trauernden zu ermutigen, ihre Trauer und den Schmerz zu akzeptieren. "Auch zu akzeptieren, dass es seine Zeit braucht, um den Verlust zu verarbeiten."

Sauerschell will keinesfalls durch die Rolle als Clown Trauer und Schmerz "wegschieben", betont sie. "Trauer hat ihre Berechtigung. Aber es ist gut, wenn man zwischendurch auch die andere Seite des Lebens spürt und erlebt." Ein Clown fokussiere sich nicht auf die Trauer und Hoffnungslosigkeit.

"Ein Clown sagt "ja", macht weiter und verharrt nicht im Stillstand. Er kann Sichtweisen auf Situationen ändern. Für den Trauerprozess kann das hilfreich sein - und heilend." Sie selbst ist gläubig und kann sich vorstellen, die Rolle des Clowns auch mit kirchlichen Ritualen zu verbinden.

Als Beerdigungs-Clown wurde Sauerschell bisher zweimal gebucht. Das Konzept finde nicht überall Anklang, erzählt die Oberfränkin. "Viele wissen noch nichts vom Beerdigungs-Clown, und es gibt Leute, die glauben nicht, dass das klappt. Es ist auch eine konservative Gegend."

Wie viele Beerdigungs- und Trauer-Clowns es in Deutschland gibt, ist in keiner Statistik festgehalten.

Titelfoto: Nicolas Armer/dpa

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