Moore ohne Verbote retten: "Wir Naturschützer wollen uns keine Feinde machen!"

Hamburg - Im linken Zipfel von Hamburg liegt das Naturschutzgebiet Schnaakenmoor, mit noch rund 30 Hektar intakter Moorfläche. Vor rund 100 Jahren erstreckte sich dieses sich noch bis nach Schleswig-Holstein hinein. Doch Aufforstungs- und landwirtschaftliche Maßnahmen haben das Gebiet immer mehr kultiviert. Zum Nachteil des schützenswerten Lebensraumes zahlreicher Pflanzen und Tiere und des Klimas.

Wolfgang Korndörfer, 1. Vorsitzender des Fördervereins Himmelmoor e. V., gehörte zu den Experten, die an der Führung durch das Schnaakenmoor teilnahmen. "Wir wollen uns informieren und austauschen, allein die Vegetation ist hier eine ganze andere als bei uns im Himmelmoor", sagte er gegenüber TAG24.
Wolfgang Korndörfer, 1. Vorsitzender des Fördervereins Himmelmoor e. V., gehörte zu den Experten, die an der Führung durch das Schnaakenmoor teilnahmen. "Wir wollen uns informieren und austauschen, allein die Vegetation ist hier eine ganze andere als bei uns im Himmelmoor", sagte er gegenüber TAG24.  © Madita Eggers/TAG24

Die Metropolregion Hamburg will über die Landesgrenzen hinweg über den Schutz und die Wiederherstellungsmaßnahmen der Moore informieren und auch selbst aktiv werden.

"Hier in Norddeutschland sind wir voll mit Mooren, wer, wenn nicht wir, sollte anfangen, sich mit diesen Themen zu beschäftigen?", sagte Dr. Yvonne Brodda von der Metropolregion Hamburg gegenüber TAG24. "Wir wollen aber nicht nur Verbote und Bußzettel verteilen, sondern auch Aufklärung betreiben."

Und dazu gehören in diesem Jahr neben öffentlichen Vorträgen auch Exkursionen für Fachleute in die jeweiligen Moore der Regionen in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern.

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TAG24 durfte bei der Exkursion ins Schnaakenmoor Einblicke in die "Maßnahmen der Besucherlenkung" und Historie des Moores im Raum Hamburg gewinnen.

Hamburg war mal eine sehr moorreiche Stadt

Auf der Hamburger Moorkarte von 2016 dominieren die roten Moore, die teilweise mehrere Meter unter mineralischen Schichten versteckt liegen. Das Schnakenmoor ist oben links ansässig.
Auf der Hamburger Moorkarte von 2016 dominieren die roten Moore, die teilweise mehrere Meter unter mineralischen Schichten versteckt liegen. Das Schnakenmoor ist oben links ansässig.  © Hamburger Behörde für Umwelt und Energie

Wie zahlreiche Stadtteil- und Straßennamen mit "Moor" oder "Damm" im Namen belegen, war Hamburg durch die Vermoorung von Alster und Elbe eine sehr moorreiche Stadt.

Die, die heute noch übrig sind, werden in unterschiedliche Kategorien aufgeteilt, erklärte Barbara Engelschall, Leiterin des "Natürlich Hamburg!"-Projekts der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) zum Start der Führung anhand einer Moorkarte.

"Die grünen Flächen sind die Moore, die an der Oberfläche noch vorhanden sind. Das heißt aber nicht, dass diese auch intakt sind. Zu 100 Prozent intakt ist in Hamburg gar kein Moor mehr, weil wir eigentlich immer entwässernde Maßnahmen drum herum haben", so die Biologin.

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"Gelbe Moore sind Moore, die unter einem Mineralboden liegen und an der Oberfläche nicht mehr sichtbar sind. Und die roten Moore liegen teilweise mehrere Meter unter mineralischen Schichten versteckt." Dies sei zum Beispiel im Hamburger Hafen der Fall.

"Das ist schon eine Herausforderung für so ein sensibles Ökosystem!"

Im Rahmen einer Moor-Exkursion für Fachleute aus der Metropolregion Hamburg führte Barbara Engelschall, Leiterin des "Natürlich Hamburg!"-Projekts der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft, am vergangenen Donnerstag durch das Schnaakenmoor.
Im Rahmen einer Moor-Exkursion für Fachleute aus der Metropolregion Hamburg führte Barbara Engelschall, Leiterin des "Natürlich Hamburg!"-Projekts der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft, am vergangenen Donnerstag durch das Schnaakenmoor.  © Madita Eggers/TAG24

Das grün eingestufte Schnaakenmoor ist am Ende der letzten Eiszeit entstanden. Als das Schmelzwasser durch das Elbe-Urstromtal abgeflossen war, lag der Sandboden frei und Winde haben diesen dann auf die Geest geweht.

Dadurch hat sich eine Dünenlandschaft gebildet, die bis zum Ostsee-Kanal reichte. Als dann vor rund 5000 Jahren die Niederschläge zunahmen, sind die Senken der Dünen vermoort.

Aber nicht nur wegen seiner Entstehungsgeschichte ist das Moor anders als andere ("normalerweise" vermooren schon vorhandene Gewässer), sondern auch aufgrund seiner Nähe zur Stadt. "Wir haben hier einen sehr urbanen Raum und damit auch noch einmal ganz besondere Anforderungen", betonte Engelschall.

"Wir sind hier in einem Naherholungsgebiet, dem Forst Klövensteen, und am Wochenende und bei gutem Wetter ist hier richtig viel los. Und alle gehen natürlich auch ins Moor rein - auch mit ihren Hunden. Das ist schon eine Herausforderung für so ein sensibles Ökosystem." Um die Besucher und Anwohner von den empfindlichen Flächen fernzuhalten, wurde in den vergangenen Jahren ein sogenanntes Besucherlenkungskonzept entwickelt.

Darunter fallen Maßnahmen wie breitere Wege, damit die Leute nicht rechts und links vom Pfad gehen, Bänke zum Verweilen, Infotafeln und Stege über den Teichen, damit der wertvolle Lebensraum am Ufer nicht zertrampelt wird.

Es ist nicht das Ziel, die Menschen vom Moor fernzuhalten!

Vor allem durch Torfmoose sind Moore hervorragende und für das Klima wichtige Wasserspeicher: "Es hat Zellen, die eigentlich abgestorben sind und nur dafür da sind, Wasser zu speichern. Und deswegen arbeitet das Torfmoos wie ein Schwamm, es kann das 30-fache seines Eigengewichtes an Wasser aufnehmen", erklärte Engelschall anhand einer Zeichnung.
Vor allem durch Torfmoose sind Moore hervorragende und für das Klima wichtige Wasserspeicher: "Es hat Zellen, die eigentlich abgestorben sind und nur dafür da sind, Wasser zu speichern. Und deswegen arbeitet das Torfmoos wie ein Schwamm, es kann das 30-fache seines Eigengewichtes an Wasser aufnehmen", erklärte Engelschall anhand einer Zeichnung.  © Madita Eggers/TAG24

Der intakteste Bereich des Schnaakenmoors im Süden des Naturschutzgebietes ist seit zehn Jahren eingezäunt, kann aber wunderbar durch einen hochgelegten Panoramaweg aus ein paar Meter Entfernung bewundert werden. Es sei nicht das Ziel, die Menschen vom Moor fernzuhalten.

"Man muss immer abwägen, wie viel Naturschutz und wie viel Erholung lässt man zu. Auch als Naturschützer möchte man sich keine Feinde machen", so Engelschall, die sich schon seit Jahren mit dem Schnaakenmoor beschäftigt.

Es gehe eher um ein Miteinander. Wie die Vergangenheit aber gezeigt habe, funktioniere das nur mit Regeln, an die sich bis heute leider nicht alle halten.

Und das, obwohl die Wichtigkeit von Mooren im Kampf gegen den Klimawandel als natürliche Kohlenstoffdioxid- und Wasserspeicher immer mehr ins Bewusstsein der Menschen rücken würden.

"Die Idee ist, dass wir irgendwann auch wieder ein Moorwachstum haben!"

Ein bepflanzter Graben soll Besucher des Naturschutzgebietes davon abhalten, die renaturierte Fläche zu betreten.
Ein bepflanzter Graben soll Besucher des Naturschutzgebietes davon abhalten, die renaturierte Fläche zu betreten.  © Madita Eggers/TAG24

Weiter im Norden ist eine ehemalige Weidefläche, die renaturiert wurde, inzwischen auch durch einen Graben vom eigentlichen Weg getrennt. Zuvor hatten Besucher die Fläche für Outdoor-Sport oder Picknicks genutzt.

"Die Idee bei dieser Fläche ist, dass wir irgendwann auch wieder ein Moorwachstum haben. Es ist natürlich nicht so einfach, weil die vielen Trockenphasen der letzten Jahre und die städtischen Nährstoffeinflüsse das Gehölzwachstum massiv begünstigen", so Engelschall.

Eine Ziegenherde soll diesem jetzt entgegensteuern und die aufkommenden Gehölzer abfressen.

Bäume und Sträucher entziehen dem Biotop unglaublich viel Wasser, welches für die Renaturierung von Mooren dringend benötigt wird.

"Der Bund fördert zwar Maßnahmen, aber dafür brauchen wir Flächen!"

Neben speziell angepassten Pflanzen, die nur in diesem Biotop leben, bieten Moore auch einen schützenswerten Lebensraum für viele Amphibien wie den Moorfrosch.
Neben speziell angepassten Pflanzen, die nur in diesem Biotop leben, bieten Moore auch einen schützenswerten Lebensraum für viele Amphibien wie den Moorfrosch.  © Madita Eggers/TAG24

Für die Wiedervernässung von Mooren sind vor allem viele Flächen notwendig. Ein großes Problem, wie Dr. Yvonne Brodda gegenüber TAG24 erklärte, sie kümmert sich als Fachreferentin auch um die Beantragung von Fördergeldern:

"Der Bund fördert zwar Maßnahmen, aber dafür brauchen wir Flächen. Diese sind oft im Privatbesitz, verpachtet oder es liegen ungeklärte Besitzverhältnisse vor." Oft stehe auch immer noch das wirtschaftliche Interesse über dem Naturschutz.

Und auch die Wiedervernässung an sich ist eine Wissenschaft für sich. "Es ist nicht so, dass man einfach Wasser einleitet. Erstens muss das überhaupt klappen und zweitens sinkt der CO2-Ausstoß nicht sofort", so Brodda.

"Es kann teilweise auch zu Methan-Ausdünstungen kommen und das wäre dann eher kontraproduktiv. Es gibt also noch ganz viel zu tun: wissenschaftlich, praktisch und in der Region."

Wer jetzt selbst einmal das Schnaakenmoor erkunden will, kann sich dabei von der kostenlosen App "Natürlich Hamburg" führen lassen. Diese bietet einen Rundgang inklusive Steckbriefe über Tiere und Pflanzen an. Mehr Informationen zu den Vorträgen und dem Moormanagement der Metropolregion Hamburg unter metropolregion.hamburg.de.

Titelfoto: Madita Eggers/TAG24

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