Sie sind auf der Jagd nach Frauen: Darum regen mich Pick-up-Artists auf

TAG24-Redakteurin Sarah Eisenbarth berichtet in dieser Kolumne über ihre Erfahrungen mit Pick-up-Artists und warum sich Frauen vor ihnen in Acht nehmen sollten.

Ein Mann spricht eine Frau auf der Straße an (Symbolfoto).
Ein Mann spricht eine Frau auf der Straße an (Symbolfoto).  © 123RF/maxriesgo

Letztens war ich in der Stadt, um mich mit einer Freundin auf einen Kaffee zu treffen. Auf dem Weg zum Etablissement mit eindeutigem "Ich will nur mein Ziel erreichen"-Blick, sprang mir plötzlich ein zierlich aussehendes Kerlchen in den Weg.

Anstatt jedoch wie erwartet nach dem Weg zu fragen oder mich für eine Rettet-die-Wale-Aktion begeistern zu wollen, fragte mich der Mann mit den runden Brillengläsern unvermittelt und ohne Einleitung nach meiner Handynummer.

Ich verneinte höflich und ging weiter – nicht, ohne das mir direkt in den Sinn kam, dass es sich bei dieser doch recht aufgesetzten Anmache um ein sogenanntes "Day Game" der Pick-up-Szene handeln könnte.

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Sogenannte Pick-upper bilden eine überwiegend männliche Community, die durch gezielte Verhaltensweisen und Psycho-Tricks versuchen (vornehmlich) Frauen zu verführen.

Das erschreckende Programm zum Kaffee

Eine der ersten Übungen als Pick-up-Artist, ist das Sammeln von Telefonnummern (Symbolfoto).
Eine der ersten Übungen als Pick-up-Artist, ist das Sammeln von Telefonnummern (Symbolfoto).  © 123RF/lightfieldstudios

Dabei ist das "Day Game" eine der ersten Übungen, die in entsprechenden Seminaren und Büchern gelehrt werden.

Dabei geht es darum, möglichst viele Frauen (in Einzelfällen auch Männer) auf der Straße, in Geschäften oder sonst wo in der Öffentlichkeit anzusprechen, um deren Telefonnummer zu ergattern.

Als ich eine halbe Stunde später mit einem dampfend heißen Kaffee in der Hand und meiner Freundin an haargenau derselben Stelle entlangkam, bot sich ein vertrautes Bild. So war meine unfreiwillige Bekanntschaft von zuvor gerade dabei, eine andere Frau nach ihrer Nummer zu fragen.

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Kurzerhand setzten meine Freundin und ich uns auf eine nahe Bank, um das weitere Schauspiel zu beobachten. 

Und tatsächlich: Innerhalb kürzester Zeit sprach der Mann (um die 30) immer wieder willkürlich Frauen an und wartete dabei teilweise noch nicht einmal ab, bis die vorigen Gesprächspartnerinnen außer Sichtweite waren. 

Und er konnte tatsächlich bei der ein oder anderen landen - ein "Abschluss" wie so manch ein Pick-upper sagen würde.

Kein einmaliges Erlebnis: Pick-upper und Pick-up-Artists in spe lassen sich fast überall finden

Auf Seminaren werden verschiedene Techniken vorgestellt, um die Frau von sich zu überzeugen (Symbolfoto).
Auf Seminaren werden verschiedene Techniken vorgestellt, um die Frau von sich zu überzeugen (Symbolfoto).  © 123RF/kasto

Ein einmaliges Erlebnis war diese Pick-up-Erfahrung jedoch nicht für mich. So wurde ich etwa schon in einem Drogeriemarkt verfolgt und nach einem wenig einfallsreichen Gesprächs-Opener wie "Du hast schöne Augen" nach meinem Instagram-Namen gefragt. Im selben Atemzug wurde dann noch erwähnt "man könne sich mal treffen." Aber an diesem und jenen Tag würde es nicht gehen, weil er "bereits verabredet wäre".

Auch hier sprach das sich selbst als begehrt darstellende Männer-Exemplar anschließend noch weitere Frauen an.

Sogar in meinem persönlichen Umfeld kam ich bereits mit Personen in Kontakt, die sich als Pick-upper ausprobierten. Darunter zwei ehemalige WG-Mitbewohner, mit denen ich getrennt voneinander in unterschiedlichen Städten zusammengewohnt hatte. 

Während der eine mehrere Bücher zu dem Thema verschlang und als Neuling das "Day Game" regelmäßig anwandte, war der andere schon ein echter Profi, der nicht nur bereits an einem Seminar teilgenommen hatte, sondern auch geschickt in die psychologische Trickkiste griff.

Das Widerlichste, was ich seit "Feuchtgebiete" gelesen hatte

An einem Buffet "schlug" der Autor des Buches zu (Symbolfoto).
An einem Buffet "schlug" der Autor des Buches zu (Symbolfoto).  © 123RF/rawpixel

Aus Interesse las ich mir schließlich einige Seiten eines der Bücher durch, die WG-Kompagnon 1 verinnerlichen wollte: "Lob des Sexismus" von Lodovico Satana. Bis heute hat sich eine der beschriebenen Szenerien in mein Gedächtnis eingebrannt. 

So beschreibt der Autor auf Seite 20 etwa, wie er eine hübsche Frau an einem Buffet von oben bis unten ausgiebig musterte. Die Frau bemerkte den Blick und fragte ihn, wo er denn hinschauen würde. Die Reaktion des Pick-uppers: "Ich: (Lächeln, ruhige Stimme, Augenkontakt) 'Ich sehe DICH an. Dich, und was du mit dir herumträgst.' (Ich ließ offen, ob ich die Brötchen auf ihrem Teller oder den Inhalt ihres Oberteils meinte.) Unser Augenkontakt hielt an. Man konnte ihr förmlich dabei zusehen, wie sie augenblicklich in einen erregten Zustand verfiel."

Im Verlauf wurde sein Opfer (für den Autor spielerisch) beleidigt und betatscht. "Als ich begann, sie spielerisch zu berühren (kleiner Klaps aufs Hinterteil und die Aufmunterung, sich zu entfernen (...)), wich sie mir kaum noch von der Seite", berichtet er weiter. 

Mir wurde augenblicklich beim Lesen des Textes kotzübel. Auch zahlreiche andere Beispiele bewiesen, dass der Titel Programm war. Mit verschiedenen psychologischen Tricks ging es darum, eine Frau ins Bett zu bekommen. Die Handlungsempfehlungen: erniedrigend und respektlos. 

Offenbar schien dabei das Wichtigste zu sein, die Angesprochene zu verunsichern und sich selbst als Alphatier zu profilieren. Frauen werden als bloße Beute betrachtet, um sexuelle Gelüste zu stillen und sich mit der Masse der Eroberungen gegenüber anderen Pick-uppern zu profilieren. 

Irgendwann warf ich das Buch angewidert von mir. Da hatte ich selbst bei "Feuchtgebiete" länger durchgehalten. Ich muss wohl nicht weiter erwähnen, dass mein Mitbewohner und ich daraufhin eine hitzige Diskussion über diese Art von "Frauen aufreißen" hatten. Ob die Frau in dem genannten Beispiel wirklich so positiv auf diese Form der Annäherung reagiert hat? Ich hoffte es nicht...

Viele Abstufungen in der Pick-up-Szene

Absichtliche Berührungen sollen Vertrautheit schaffen (Symbolfoto).
Absichtliche Berührungen sollen Vertrautheit schaffen (Symbolfoto).  © 123RF/Iakov Filimonov

Wer sich mit der Szene weiter beschäftigt, wird erkennen, dass es zahlreiche Tricks und Methoden in der Pick-up-Szene gibt, um eine Frau für sich zu gewinnen. Dabei wird sogar soweit gegangen, Frauen nach ihrer Persönlichkeit in Kategorien einzuteilen, zu denen es entsprechende Handlungsempfehlungen gibt.

Dazu zielen Flirttechniken wie "Negs" (negative Komplimente) darauf ab, das Selbstbewusstsein einer Frau zu schwächen, damit sie verwundbarer und empfänglicher für die darauffolgende Anmache wird. Auch die zufällig erscheinende, aber absichtliche Berührung, um Vertrautheit zu schaffen, gehört zum Repertoire der Anwender. Und diese Beispiele sind nur ein Bruchteil von dem, was sich in der Pick-up-Szene sonst noch alles so abspielt.

Ich zumindest, kann diesen Methoden nichts Positives abgewinnen und bin einfach nur angewidert, wenn ich einen Pick-up-Artist erkenne – auch, wenn ich weiß, dass es in der Szene noch zahlreiche Abstufungen von "einfach nur verzweifelt" bis "Riesen-Arschloch" gibt. Grundsätzlich gemein haben alle Pick-up-Typen jedoch, dass sie bewusst Manipulationstechniken anwenden, um ihr Ziel zu erreichen. Ist das charmant, authentisch oder zeigt es, dass wir es hier mit einem reifen Erwachsenen zu tun haben? Eher nicht.

Daher hoffe ich immer wieder aufs Neue, wenn ich Pick-upper in der Innenstadt herumschleichen sehe, dass nicht allzu viel Frauen auf ihn hereinfallen...

Meine Freundin und ich hatten zumindest einen unterhaltsamen Kaffeeplausch – vor allem einen, der zum Nachdenken anregte.

Titelfoto: 123RF/maxriesgo, privat

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