Streiten ohne Hass - so geht's! Schon ein paar Spielregeln reichen

Ratgeber - Warum sind wir eigentlich nicht alle einer Meinung? Immerhin stehen doch heutzutage dank Internet jedem die gleichen Fakten zur Verfügung. Wie kann es da sein, dass wir uns trotzdem so oft uneinig sind? Diesem Phänomen ist ein Schweizer Wissenschaftsjournalist auf der Spur und hat die Mechanik der Meinungsbildung entschlüsselt. Sein Buch ist eine Anleitung, Meinungsdiskussionen in kluge Bahnen zu lenken und Streit zu vermeiden.

Bloß nicht die Köpfe heißreden: "Die Treffsicherheit von einzelnen Querdenkern in der Forschung wird über- schätzt, weil wir uns nur an die Genies unter ihnen erinnern, nicht aber an die Schwachköpfe", schreibt Schneider.
Bloß nicht die Köpfe heißreden: "Die Treffsicherheit von einzelnen Querdenkern in der Forschung wird über- schätzt, weil wir uns nur an die Genies unter ihnen erinnern, nicht aber an die Schwachköpfe", schreibt Schneider.  © 123RF

"Eigentlich müssten sich unsere Ansichten in einer globalisierten und vernetzten Welt annähern", sagt Reto U. Schneider (59). Doch das Gegenteil ist der Fall.

Verschwörungsmythen und Fake News haben Hochkonjunktur. Warum lösen dieselben Fakten unterschiedliche Haltungen und Meinungen aus, an denen manchmal sogar Freundschaften oder Familienbande zerbrechen?

Im Internet bevorzugen Menschen Quellen, die ihre Meinungen bestätigen. Jeder kann sich seine News-Diät selbst zusammenstellen, blendet dabei Gegenteiliges aus.

Diese Baby-Namen sind die Überflieger: Hat ein Dschungelcamp-Bewohner etwas damit zu tun?
Gesellschaft Diese Baby-Namen sind die Überflieger: Hat ein Dschungelcamp-Bewohner etwas damit zu tun?

Schneider: "Das Problem von Social Media ist, dass man oft die extremste Version der anderen Meinung präsentiert bekommt. Das Krasseste erregt die größte Aufmerksamkeit, was durch die Algorithmen noch verstärkt wird. So haben die meisten von uns eine viel extremere Vorstellung von Leuten mit anderer Meinung, obwohl diese die Dinge meist viel differenzierter sehen."

Irrsinn aushalten oder Kontakt abbrechen? Wer in diesem Dilemma steckt, dem gibt Schneider konkrete Faustregeln an die Hand, damit Streitgespräche nicht im Fiasko enden.

Seine Meinung zu ändern, ist nicht immer einfach

Als ob alle wütender und verrückter als in Wirklichkeit sind: Social Media erzeugt den Eindruck, dass viele extreme Meinungen haben.
Als ob alle wütender und verrückter als in Wirklichkeit sind: Social Media erzeugt den Eindruck, dass viele extreme Meinungen haben.  © 123RF/sifotography

Zum Beispiel: Außerordentliche Behauptungen erfordern außerordentliche Beweise. Wer behauptet, ein Einhorn gesehen zu haben, sollte mit Bildern, Zeugen oder einem Büschel der Mähne aufwarten können. Bei einem gesichteten Hund erwartet niemand solche Indizien. Auch die Macht des Einzelfalls ist in Diskussionen tückisch.

"Sich am Einzelfall zu orientieren ist wie sich von einer Klippe zu stürzen, weil das vor hundert Jahren einer überlebt haben soll", vergleicht Schneider.

Meinungen entstehen durch Fakten? Eine gewaltige Täuschung! Manchmal ist eine Meinung schon da, bevor wir uns die passenden Argumente dafür zusammensuchen. Ob Klimaschutz, Gentechnik oder Einwanderung: Seine Meinung zu wechseln, kann sich wie Verrat an der Gruppe anfühlen, zu welcher wir gehören wollen.

Hungerstreik-Camp: "Sie wollen uns lieber sterben lassen, als die simple Wahrheit auszusprechen"
Gesellschaft Hungerstreik-Camp: "Sie wollen uns lieber sterben lassen, als die simple Wahrheit auszusprechen"

Denn gleiche Meinungen schaffen Geborgenheit. Wer von einer impfkritischen zur impffreundlichen Haltung wechselt - oder umgekehrt -, gilt als Überläufer, kann Freunde verlieren.

Schneiders nüchterne Erkenntnis: "Es gibt kein Patentrezept, um Meinungen zu ändern. Manchmal muss man sich - obwohl es extrem schwerfällt - damit abfinden können, dass wohlmeinende, intelligente und nette Menschen in wichtigen Fragen einfach unterschiedlicher Meinung sein können."

Und man sollte auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass nicht die anderen die Dinge falsch sehen, sondern man selbst.

Tipps für kluge Streitgespräche

Selten ist man nach einem Streit glücklich, doch es gibt Tipps für angemessenes Streiten.
Selten ist man nach einem Streit glücklich, doch es gibt Tipps für angemessenes Streiten.  © 123RF/bowie15

• "Spiegeln Sie in Diskussionen die Meinung des Gegenübers, indem Sie sie mit eigenen Worte wiederholen", rät Schneider. Vergewissern Sie sich mit "Du glaubst also, dass ..." darüber, was der Gegenüber wirklich denkt. "Ansonsten führen Missverständnisse zu starken Polarisierungen, die es gar nicht gibt", warnt Schneider.

• Stellt Fragen: Wie stellst Du Dir das genau vor? Was würde Dich vom Gegenteil überzeugen? Versucht die Beweggründe Eures Gesprächspartners zu verstehen, nehmt seine Perspektive ein.

• Um bei einer Person einen Sinneswandel herbeizuführen, eignet sich keine Person besser als Du selbst. Anstatt zu reden, solltest Du zuhören. Sei geduldig. Eine Meinung ist wie ein Tanker. Sie braucht Zeit, um zu wenden. Das gilt auch für Deine eigene.

• Achtung: Rechne damit, dass Du auf Leute triffst, die diese Faustregeln für ihre eigenen Zwecke nutzen.

Fazit

Behandle Meinungen nicht als letzte Wahrheiten, sondern als vorläufige Vermutungen. Wer glaubt, immer recht zu haben, lernt nichts mehr im Leben. Um herauszufinden, ob sich eine Diskussion lohnt, eignet sich die Frage: Was müsste passieren, damit jemand seine Meinung ändert?

Wenn ein Gesprächspartner keine Antwort darauf weiß, gibt es offenbar keine Möglichkeit, ihn zu überzeugen.

Hier gibt's was zu gewinnen

Ihr habt selbst Meinungsverschiedenheiten im Familien- oder Freundeskreis und wollt nach weiteren Ratschlägen suchen? Wir verlosen fünf Exemplare des Buches "Die Kunst des klugen Streitgesprächs" aus dem Kösel-Verlag.

Schreibt einfach an Morgenpost am Wochenende, Ostra-Allee 18, 01067 Dresden oder eine Mail an gewinnspiel@tag24.de. Stichwort: Streitgespräch. Einsendeschluss: 1. August 2023. Bitte Adresse nicht vergessen! Viel Glück!

Teilnahmeberechtigt sind nur Personen über 18 Jahre. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bitte nehmen Sie unsere Hinweise zum Datenschutz unter www.abo-mopo.de/datenschutz zur Kenntnis, die wir Ihnen zudem jederzeit auf Wunsch per Post zusenden.

Titelfoto: 123RF

Mehr zum Thema Gesellschaft: