Brandmauer gegen rechts? Pustekuchen - AfD schielt nach links!

Berlin - Zu ihrem zehnjährigen Jubiläum verkündete die AfD große Ansprüche für die nächsten Landtagswahlen in Ostdeutschland. Tino Chrupalla (47), Alice Weidel (44) und Co. wollen endlich mitregieren, doch die Frage ist: mit wem? Während viele bloß eine theoretische Koalition mit der CDU für möglich halten, richtet die AfD ihren Blick auf einen vollkommen unerwarteten Regierungspartner.

Das "Tollhaus" der deutschen Demokratie: In den Debatten im Bundestag geht es oftmals heiß her.
Das "Tollhaus" der deutschen Demokratie: In den Debatten im Bundestag geht es oftmals heiß her.  © Michael Kappeler/dpa

Jeder, der schon mal eine Sitzung des Deutschen Bundestags live oder im Fernsehen mitverfolgt hat, kennt das Prozedere: Regierungs- und Oppositionsparteien streiten sich im Parlament um Gesetzesentwürfe und die Ansichten des jeweiligen Gegners werden von den Rednerinnen und Rednern oftmals stark kritisiert.

In einer Sache sind sich dann aber zumindest alle Parteien der politischen Mitte einig. Sobald seitens der AfD oder der Linken etwas vorgeschlagen wird, hagelt es Kritik und Unverständnis.

Egal ob CDU oder SPD, Grüne oder FDP - niemand hat auch nur ein positives Wort für die Vorschläge der Randparteien übrig.

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AfD AfD nervös vor Europawahl: Ländle-Wahlkampf ohne Spitzenkandidat!

Noch stärker bei der AfD zu beobachten, endet eine politische Debatte oftmals im Tumult mit Zwischenrufen, abwertenden Kommentaren und ironischem Gelächter.

Nie hat es im Bundestag mehr Ordnungsrufe gegeben als seit dem Einzug der AfD ins Parlament 2017.

Hält die "Brandmauer" gegen rechts?

Die beiden AfD-Parteivorsitzenden Tino Chrupalla (47) und Alice Weidel (44) haben nach zehn Jahren Parteigeschichte die Regierungsbank im Visier.
Die beiden AfD-Parteivorsitzenden Tino Chrupalla (47) und Alice Weidel (44) haben nach zehn Jahren Parteigeschichte die Regierungsbank im Visier.  © Hannes P Albert/dpa

Doch die populistische Taktik der Partei scheint nicht überall schlecht anzukommen. Umfragen sehen die AfD bundesweit bei 15 Prozent. In Ostdeutschland sogar noch stärker.

In Sachsen, Brandenburg und Thüringen stehen 2024 die nächsten Landtagswahlen an und diesmal errechnet sich die AfD Chancen auf eine Regierungsbeteiligung. Die Parteivorsitzende Weidel hält dies "absolut für realistisch".

Geht es um die Frage, mit welcher Partei denn bitte koaliert werden soll, blicken die meisten Bürger in Richtung CDU. Auch die AfD hatte bereits erklärt, dass die "Brandmauer gegen rechts" der Christdemokraten nicht ewig standhalten könne.

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Klar, mit der Werteunion hat die AfD selbst in der CDU einige Gemeinsamkeiten, aber ob sich der Rest der Partei zu einer Koalition hinreißen lassen würde, ist höchst fragwürdig.

Deshalb scheint die AfD ihre Fühler in eine andere Richtung auszustrecken: nach links!

Verkehrte Welt: Linke bekommt Beifall von der AfD!

In der Sache vereint? Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen (47) erhält Zuspruch aus Reihen der AfD.
In der Sache vereint? Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen (47) erhält Zuspruch aus Reihen der AfD.  © Annette Riedl/dpa

Am vergangenen Freitag mussten sich wahrscheinlich viele Anwesende im Bundestag mehrmals die Augen reiben. Nach einer Rede der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen (47) klatschte es Beifall aus Reihen der AfD! Was war passiert?

In einer von der AfD beantragten "Aktuellen Stunde" debattiert das Parlament über die Aufklärung der Explosionen an der "Nordstream"-Pipeline.

Zuvor hat ein Verschwörungstheoretiker angedeutet, dass diese Explosionen von den Amerikanern selbst verursacht wurden.

Doch AfD und Linke sind sich nicht nur darin einig, dass diesem Verdacht nachgegangen werden müsse, um den Vorfall aufzuklären.

Der AfD-Parteivorsitzende Chrupalla geht kurze Zeit später noch einen Schritt weiter, um die Verbindung ins linke Spektrum anzuheizen. Diesmal richtet sich die Zustimmung an Sahra Wagenknecht (53, Linke).

Chrupalla und Wagenknecht - Das ideologische Traum-Duo?

Für die Linke zu extrem? Sahra Wagenknecht (53) bekommt für ihre Aussagen aus eigenen Reihen viel Kritik.
Für die Linke zu extrem? Sahra Wagenknecht (53) bekommt für ihre Aussagen aus eigenen Reihen viel Kritik.  © Michael Kappeler/dpa

Die Ansichten von Chrupalla und Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht bezüglich des Ukraine-Kriegs scheinen gar nicht so unterschiedlich.

Der AfD-Chef verkündete nämlich, die Petition von Wagenknecht und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer, "Manifest für den Frieden", unterzeichnet zu haben und sich gegen Waffenlieferung und Eskalation im Ukraine-Krieg auszusprechen.

Zwar ist dies keine direkte Zuwendung an die Linkspartei, dennoch sieht Chrupalla seinen "Einsatz für den Frieden" nicht an die Barrieren von Parteigrenzen gebunden.

Unterdessen berichten verschiedene Medien von inzwischen tiefen Gräben zwischen der Linkspartei und Wagenknecht. Ihre dennoch linken politischen Positionen sind für viele Parteimitglieder aber zu extrem.

"Extreme" sind dabei das Stichwort für ein unwahrscheinliches Gedankenspiel: Besteht die Möglichkeit, dass AfD und die Linke in einer "Rechts-Links-Ränder-Regierung" miteinander koalieren?

Stimmt die Hufeisentheorie?

In Thüringen scheint eine Regierungsbeteiligung der AfD am wahrscheinlichsten. Mit CDU und FDP gab es bereits 2020 eine viel kritisierte Annäherung, als man mit dem Stimmen von Björn Höcke (50, AfD, r.) Thomas Kemmerich (57, FDP, l.) kurzzeitig zum Ministerpräsidenten wählte.
In Thüringen scheint eine Regierungsbeteiligung der AfD am wahrscheinlichsten. Mit CDU und FDP gab es bereits 2020 eine viel kritisierte Annäherung, als man mit dem Stimmen von Björn Höcke (50, AfD, r.) Thomas Kemmerich (57, FDP, l.) kurzzeitig zum Ministerpräsidenten wählte.  © Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/dpa

Bundesjustizminister Marco Buschmann (45, FDP) hält infolge der gemeinsamen Ansichten der ideologisch gegensätzlichen Parteien die Hufeisentheorie für bestätigt, wonach sich die extremen Positionen aus beiden politischen Lagern oftmals überschneiden.

Nur am "Rande": Kurioserweise war es gerade die FDP, die 2020 in Thüringen mit der AfD zusammenarbeitete.

Auch wenn es von beiden Parteien, AfD und Linke, keine Aussage gibt, die eine gemeinsame Koalition vermuten lässt, lohnt sich ein Blick auf die Umfragen zu den nächsten Landtagswahlen.

In Sachsen kommen AfD (29 Prozent) und Linke (9 Prozent) zusammen auf 38 Prozent der Stimmen. Die regierende Koalition aus CDU (29 Prozent), Grünen (10 Prozent) und SPD (9 Prozent) hätte mit 48 Prozent immer noch die Nase vorn.

In Thüringen kommen AfD und Linke bei aktuellen Umfragen zusammen auf 51 Prozent. Die derzeit regierende Rot-Rot-Grün-Regierung kommt auf 41 Prozent. Selbst CDU, SPD, Grüne und FDP (zusammen 43 Prozent) kommen auf keine Mehrheit im Parlament. CDU und AfD wären bei 48 Prozent.

In Brandenburg zeigen die Umfragen ein spannendes Rennen zwischen AfD (25 Prozent) und SPD (22 Prozent). Die amtierende Koalition aus SPD, CDU (17 Prozent) und Grüne (11 Prozent) käme auf genau 50 Prozent. Die Linke liegt derzeit bei 10 Prozent.

Fazit zum Gedankenspiel: Wähler-Fang im linken Becken!

Mit Blick auf die Umfragewerte zeigt sich, dass es in allen drei östlichen Bundesländern bei den Landtagswahlen 2024 auf jeden Fall spannend wird, wenn es um die Bildung einer Regierung geht. Vor allem in Thüringen hängt jede mögliche politische Mehrheit am seidenen Faden.

Die hohen Zustimmungswerte der AfD in allen drei Bundesländern offenbaren, dass es aus Sicht der Partei nicht weltfremd ist, ans Regieren zu denken. Dennoch scheint in allen drei Parlamenten die CDU greifbarer als eine Koalition mit der Linken, auch wenn links und rechts vor allem in Sachsen und Thüringen zusammen eine beachtende Größe erreichen.

Für das Gedankenexperiment bedeutet dies, dass die inhaltlichen Annäherungsversuche der AfD vielmehr darauf ausgerichtet sein dürften, am linken Rand nach Wählern zu fischen, die sich eher an Wagenknecht als an der Linkspartei orientieren.

Je besser das Ergebnis für die AfD, desto schwieriger die Regierungsbildung und desto unausweichlicher eine Einbeziehung der Alternative für Deutschland, das könnte die Idee dahinter sein. Generell lässt sich davon sprechen, dass mehr Stimmen für beide politischen Ränder die Arbeit der politischen Mitte erschweren.

Eine Koalition der beiden Parteien ist aber höchst unrealistisch, da die Basis in beiden Parteien wahrscheinlich eher den politischen Tod vorziehen würde, als mit dem "Erzfeind" Hand in Hand zu gehen.

Titelfoto: Hannes P Albert/dpa

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