Kommentar zu "Die Linke" und Sahra Wagenknecht: Kommt jetzt die Spaltung?

TAG24-Redakteur Florian Gürtler (45) befasst sich in seinem Kommentar mit dem Machtkampf in der Partei "Die Linke" rund um die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht (53).

Keine Frage: Der Beschluss des Parteivorstands der Partei "Die Linke" zu der umstrittenen Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht (53) am gestrigen Samstagnachmittag hat den Machtkampf in der Linkspartei auf eine neue Stufe gehoben - doch entschieden ist dieser damit noch lange nicht! Im Gegenteil, der Beschluss offenbart schonungslos die Hilflosigkeit des Vorstands rund um die Parteivorsitzenden Janine Wissler (42) und Martin Schirdewan (47) in der Causa "Wagenknecht".

Sahra Wagenknecht (53, "Die Linke") ist eine der bekanntesten Politikerinnen Deutschlands - doch wie lange ist sie noch Mitglied der Linkspartei?
Sahra Wagenknecht (53, "Die Linke") ist eine der bekanntesten Politikerinnen Deutschlands - doch wie lange ist sie noch Mitglied der Linkspartei?  © Wolfgang Kumm/dpa

In jedem Fall steht nun fest, dass der geschäftsführende Vorstand die 53-Jährige nicht länger in der Partei haben möchte - die Formulierung "Die Zukunft der LINKEN ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht" ist eindeutig.

Doch so kraftvoll die Phrase auch klingen mag, viel steckt nicht dahinter. Genau genommen legt der Parteivorstand Frau Wagenknecht - wie auch der nicht geringen Zahl ihrer Anhängerinnen und Anhängern - lediglich nahe, doch bitte aus der Linkspartei auszutreten. Von einem offiziellen Parteiausschluss-Verfahren ist in dem Vorstandsbeschluss nichts zu lesen.

Dies hat gute Gründe, denn der Ausgang eines solchen Verfahrens wäre ungewiss und es würde sich auch sehr in die Länge ziehen. Die desolate Lage der Partei "Die Linke", die nicht zuletzt dem permanenten internen Streit geschuldet ist, würde also weiter andauern.

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Bisher war das Kalkül von Sahra Wagenknecht wohl, ihren endgültigen Bruch mit der Linkspartei so lange hinauszuzögern, bis diese nach wahrscheinlichen Pleiten bei den kommenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen am 8. Oktober so weit am Boden liegt, dass ein im Raum stehendes eigenes Partei-Projekt der 53-Jährigen um so strahlender erscheint.

Vermutlich hatte der Parteivorstand diese beiden Wahltermine ebenfalls im Blick, als er den Machtkampf mit der Bundestagsabgeordneten am Samstag mit seinem Beschluss eskalierte. Doch damit ist der Ball nun bei Frau Wagenknecht, denn sie alleine entscheidet, ob und wenn ja wann sie der faktischen Aufforderung zum Parteiaustritt durch den Vorstand nachkommt.

Aus dem Machtkampf wird so ein Nervenkrieg, der sich in die Länge ziehen könnte.

Aufforderung an Wagenknecht und ihre Anhänger zur Aufgabe der Bundestagsmandate ist riskant!

TAG24-Redakteur Florian Gürtler (45) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.
TAG24-Redakteur Florian Gürtler (45) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.  © Florian Gürtler

Auch die Aufforderung des Vorstands der Linkspartei an Sahra Wagenknecht und alle anderen Bundestagsabgeordneten, die mit dem Gedanken einer neuen Partei spielen, ihre Bundestagsmandate niederzulegen, ist riskant - denn auch hier steht der Parteivorstand letztendlich mit leeren Händen da.

Er hat kein Mittel, die Abgeordnete Wagenknecht und andere Mitglieder der Bundestagsfraktion der Partei "Die Linke" zur Aufgabe ihrer Mandate zu zwingen. Damit kommt die Aufforderung des Vorstands auch in diesem Fall lediglich einer Bitte gleich.

Wahrscheinlich verfolgen die Bundesvorsitzenden und die anderen Mitglieder des Parteivorstands das Kalkül, mit ihrem Beschluss nun den Machtkampf in die Bundestagsfraktion zu verlagern. Doch ob in der Fraktion nun tatsächlich ein offener Konflikt zwischen den sogenannten "Wagenknechten" und den Abgeordneten auf Linie des Vorstandes ausbricht, bleibt abzuwarten.

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Im schlimmsten Fall für die Partei kommt es also auch hier zu einem andauernden Nervenkrieg - und die Wagenknecht-Misere geht weiter und weiter und weiter.

Werden die Bundesvorsitzenden und der Vorstand der Linkspartei von der Bundestagsfraktion deklassiert?

In diesem Fall allerdings würden die beiden Bundesvorsitzenden und der gesamte Bundesvorstand der Partei "Die Linke" von der Bundestagsfraktion auf offener Bühne deklassiert.

Janine Wissler, Martin Schirdewan und die restlichen Vorstandsmitglieder müssten dann eigentlich zurücktreten - und der Partei würde endgültig das Genick gebrochen.

Dass der Parteivorstand sich auf ein derart riskantes Manöver einlässt, zeigt vermutlich nur, wie sehr die Linkspartei inzwischen mit dem Rücken an der Wand steht.

Titelfoto: Montage: Wolfgang Kumm/dpa, Florian Gürtler

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