Außergewöhnliches Jahr für die Archäologie: Das sind die spannendsten Funde aus Sachsen-Anhalt

Halle - Archäologen haben 2022 an vielen Projekten gearbeitet, die aus der Masse der Grabungen herausragen. Insgesamt gab es aber weniger Grabungen in Sachsen-Anhalt. Dafür gibt es einen einfachen Grund.

Im Arendsee wurde ein gesunkenes Prahmboot aus dem Mittelalter entdeckt.
Im Arendsee wurde ein gesunkenes Prahmboot aus dem Mittelalter entdeckt.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Unterwasserarchäologen haben 2022 im Arendsee ein 800 Jahre altes Boot untersucht, im Harz sind erstmals Richtstätten ausgegraben worden und im Bindersee erfolgten Klimabohrungen.

"Die Projekte bieten der Archäologie im Land neue Möglichkeiten der Forschung", sagte Landesarchäologe Harald Meller der Deutschen Presse-Agentur. "Als eine der fundreichsten Regionen Deutschlands gibt es in Sachsen-Anhalt immer wieder bedeutsame Entdeckungen."

Insgesamt gab es landesweit 650 archäologische Untersuchungen, 100 weniger als im Vorjahr. "Hauptgrund ist der deutliche Rückgang beim Einfamilienhausbau", sagte Meller.

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Spektakulär waren die Tauchgänge von Archäologen zu einem vor rund 800 Jahren gesunkenen Prahmboot im Arendsee (Altmarkkreis Salzwedel). Das Boot aus Eichenholz war ursprünglich eine flache Fähre, später ein Transportschiff mit schlanker und flacher Rumpfform.

"Der Prahm wurde mit einer optischen 3-D-Erfassung dokumentiert", sagte Archäologe und Projektleiter Sven Thomas.

Knochenfunde im Harz geben Hinweise auf Richtstätten

Im Harz wurde Spuren von alten Richtstätten gefunden und ausgegraben.
Im Harz wurde Spuren von alten Richtstätten gefunden und ausgegraben.  © Heiko Rebsch/dpa

Bei Harzgerode und Quedlinburg (beide Landkreis Harz) gab es erste Knochenfunde von Gehängten auf zwei Jahrhunderte alten Richtstätten. "Es sind die ersten Grabungen dieser Art in Sachsen-Anhalt", sagte Archäologin Marita Genesis.

Die Galgen bestanden möglicherweise jeweils aus drei Eichenpfosten, die in tiefen Löchern mit Steinen verkeilt waren. Mehrere Meter lange Querbalken, sogenannte Rähne, verbanden die Pfosten.

An dieser Konstruktion konnten sieben bis acht Menschen gleichzeitig gehenkt werden. Bei der Grabung nahe Quedlinburg wurden unter dem ehemaligen Galgen auch Keramikreste gefunden.

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Eine Bohrung im Bindersee bei Rollsdorf (Landkreis Mansfeld-Südharz) verband die Archäologie mit Klimaforschung. "Gebohrt wurde an der tiefsten Stelle im See, weil hier die Ablagerungen noch ungestört sind", sagte Thomas Litt, Geowissenschaftler der Universität Bonn.

Es geht nicht nur um die Verhältnisse in der Vergangenheit. Basierend auf den Ergebnissen sollen Modell-Szenarien der vom Klima abhängigen Vegetationsentwicklung erstellt werden.

Neue Spur bei der Schamanin von Bad Dürrenberg: Weshalb wurde sie mit einem Kind begraben?

Auch bei der Schamanin von Bad Dürrenberg gingen die Erforschungen weiter.
Auch bei der Schamanin von Bad Dürrenberg gingen die Erforschungen weiter.  © Hendrik Schmidt/dpa

Bei Helfta, nahe Eisleben wurden die Überreste des Palastes der wiederentdeckten Königspfalz aus dem 10. Jahrhundert freigelegt. "Das Hauptgebäude der Pfalz war groß, mindestens 20 Meter lang und 7 bis 12 Meter breit", sagte Projektleiter und Archäologe Felix Biermann.

"Viel spricht dafür, dass es sich um das Hauptgebäude jenes kaiserlichen Hofes, Curtis imperialis zu Helpidi handelt, der am 6. Juni 969 in einer in Azzano in Umbrien (Italien) ausgestellten Urkunde Ottos des Großen Erwähnung fand."

Archäologen haben am Ringheiligtum Pömmelte (Salzlandkreis) überraschend eine über 4000 Jahre alte "Gräberstraße" entdeckt. "Über fast 30 Meter reihen sich wie an einer Perlschnur mindestens 15 Körpergräber der frühen Aunjetitzer Kultur", sagte Projektleiterin Franziska Knoll. Die Archäologen gehen davon aus, dass sich die Bestattungen an einem Weg, der aus der Siedlung führte, orientierten.

Bei Nachgrabungen am rund 9000 Jahre alten Grab der Schamanin von Bad Dürrenberg, wurde direkt vor dem Grab eine Opfergrube entdeckt. In ihr lagen zwei Masken aus Hirschgeweih. "Die Eintiefung wurde rund 600 Jahre nach dem Tod der Frau angelegt und mit den wertvollen Masken gefüllt", sagte Meller.

Zugleich fanden sich Hinweise auf eine Siedlung, in der die Schamanin vermutlich lebte. Das Areal bei Dehlitz (Burgenlandkreis) liegt etwa sieben Kilometer südlich von ihrem Grab entfernt. Die etwa 30- bis 35-jährige Schamanin wurde sitzend mit einem Kind in den Armen und Beigaben begraben.

Bei Helfta wurde die Überreste eines Palastes aus dem 10. Jahrhundert weiter ausgegraben.
Bei Helfta wurde die Überreste eines Palastes aus dem 10. Jahrhundert weiter ausgegraben.  © Heiko Rebsch/dpa

Weitere Grabungen sind in 2023 geplant

Bei Grabungen am Naumburger Dom machten die Archäologen spannende Funde.
Bei Grabungen am Naumburger Dom machten die Archäologen spannende Funde.  © Hendrik Schmidt/dpa

Bei Grabungen am Naumburger Dom wurde eine Nordklausur, Reste von Gebäuden und ein drei Meter breiter Kreuzgang freigelegt. Es stellte sich heraus, dass im Zuge des Neubaus des heutigen Doms um 1208 die Nordklausur teilweise abgerissen und an der Südseite des neuen Doms wieder aufgebaut wurde.

Die neue Sonderausstellung "Reiternomaden in Europa - Hunnen, Awaren, Ungarn" wurde am 16. Dezember eröffnet. Auf rund 700 Quadratmetern sind etwa 420 Ausstellungsstücke zu sehen. Zeugnisse der Reiternomaden sind Schmuck, Waffen und Alltagsgegenstände. Bis zum 25. Juni 2023 gibt die Schau Einblicke in einen bislang kaum beachteten Teil der europäischen Geschichte. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Museum Schallaburg in Österreich.

Mit Blick auf künftige Projekte wird 2023 die Siedlung der Schamanin ausgegraben. Ebenso ist eine weitere Grabung auf dem Areal der Königspfalz Helfta geplant und auch die Unterwasserforschung geht in eine neue Runde.

Titelfoto: Hendrik Schmidt/dpa

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