Das Buhlen um die letzten Stimmen: Wen kann Kretschmer vor der MP-Wahl noch überzeugen?
Dresden - Der Koalitionsvertrag ist in Sack und Tüten, die Ministerposten sind (weitgehend) verteilt, jetzt fehlt nur noch der Ministerpräsident. Und der soll nach aktuellem Stand Michael Kretschmer (49) heißen. Denn die CDU hat als stärkste Partei das Vorschlagsrecht. Aber Kretschmer fehlen zehn Stimmen. Das erfordert Überzeugungsarbeit.
Bei der AfD, die noch vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD vage angedeutet hatte, eine Minderheitsregierung unter Kretschmer unterstützen zu wollen, braucht der Ministerpräsident nicht zu klopfen.
Nach dem vertraulichen Gespräch mit Landesparteichef Jörg Urban (60, AfD) im November und der bereits vorher, aber auch danach weiter beharrlichen Weigerung Kretschmers, sich von der AfD tolerieren zu lassen, hat Urban beleidigt den Kopf in den Nacken geworfen und verkündet: "Keine Stimme für einen CDU-Ministerpräsidenten, der sich mithilfe des Altparteienkartells im Amt halten will."
Obwohl das BSW ebenso wenig für ein "Weiter-wie-bisher" steht, will sich die Partei laut Landes-Chefin Sabine Zimmermann (63) gegenüber einer Minderheitsregierung von CDU und SPD "eine konstruktive Grundhaltung bewahren".
Übersetzt heißt das: Wenn Kretschmer Zugeständnisse macht, wählen wir ihn.
Kretschmer und Homann müssen noch Überzeugungsarbeit leisten
Gemeinsam kommen CDU (41) und SPD (10) im Landtag auf 51 Stimmen. Vorausgesetzt, alle Abgeordneten mit schwarzem und rotem Parteibuch stimmen für Kretschmer.
Sollte das nicht der Fall sein, dürfte der neue Ministerpräsident schon mit zehn der insgesamt 15 Stimmen des BSW und der einen oder anderen von Linken und Grünen dennoch wieder Michael Kretschmer heißen.
Aber Linke und Grüne hat Kretschmer im Wahlkampf massiv verprellt. Grundsätzlich ist ein schwarzer Ministerpräsident für beide wählbar, auch wenn er Kretschmer heißt - ganz gleich, was im Vorfeld gesagt wurde.
Dafür müssen Kretschmer und Koalitionspartner Henning Homann (45) von der SPD aber noch die eine oder andere Klinke putzen.
Konservative fordern Wirtschaftsministerium
Unterdessen kommt Kritik an der Vergabe eines Ministerpostens auf.
Dass die SPD in Sachsen weiterhin das Wirtschaftsministerium führen soll, stößt bei der konservativen Heimatunion in der sächsischen CDU auf Ablehnung.
"Für die CDU verursachen wir damit ein Glaubwürdigkeitsproblem", erklärte Heimatunion-Vorsitzender Sven Eppinger (54).
Im Bund stelle die CDU die Wirtschaftspolitik in den Mittelpunkt. "Gleichzeitig geben wir hier symbolträchtig das Wirtschaftsministerium an eine der gescheiterten Ampelparteien."
Auch gesellschaftliche Festlegungen im Koalitionsvertrag tragen Eppinger zufolge in weiten Teilen die Handschrift der SPD.
Er nannte das bedenklich. Insgesamt seien zu viele Kompromisse gemacht worden.
Titelfoto: Robert Michael/dpa