Großes Interview: So tickt die neue "Bürgerbewegung für Sachsen"

Dresden - In Sachsen formiert sich eine neue politische Kraft. Die "Bürgerbewegung für Sachsen". Hinter dem Coup stehen zwei profilierte Akteure aus der Politik: Ex-Grünen-Chefin Antje Hermenau (54) und Grimmas Oberbürgermeister Matthias Berger (50). Beide sprachen im Interview mit den TAG24-Redakteuren Pia Lucchesi und Torsten Hilscher über ihre Ambitionen und Ziele für die Landtagswahl 2019.

Antje Hermenau und Matthias Berger im Gespräch mit den TAG24-Redakteuren Pia Lucchesi und Torsten Hilscher.
Antje Hermenau und Matthias Berger im Gespräch mit den TAG24-Redakteuren Pia Lucchesi und Torsten Hilscher.  © Norbert Neumann

TAG24: Frau Hermenau, geht Ihnen die Arbeit als Politikberaterin aus, dass Sie sich jetzt bei einer Bürgerbewegung engagieren?

Antje Hermenau (lacht): Ganz im Gegenteil. Ich bin viel beschäftigt. Als Beraterin habe ich seit einem halben Jahr bei den Freien Wählern einen kleinen Vertrag. Zum 1. Januar werde ich noch stärker einsteigen, dann als Geschäftsführerin. Ich bleibe aber parteilos. Die "Bürgerbewegung für Sachsen" ist ein Projekt, das auch mir am Herzen liegt. Matthias und ich kennen uns seit 2002.

TAG24: Herr Berger, wen spricht ihre Bürgerbewegung an?

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Matthias Berger: Der Faden zwischen Politik und Bürgern ist abgerissen. Wir haben das Gefühl, es geht nicht mehr um die Mitte der Gesellschaft, sondern nur noch um LINKS oder RECHTS. Die Parteien glauben, dass sie das Meinungsmonopol haben. Viele glauben ihnen aber nicht mehr. Wir wollen den Mutbürgern eine Stimme im Parlament geben.

TAG24: Sie wollen den Protest kanalisieren?

Berger: Viele Bürger haben die AfD nur gewählt, um „denen da oben“ eins reinzuwürgen. Ich bin fest überzeugt, bei den nächsten Wahlen wird das anders sein. Wir bieten uns daher als Alternative aus der bürgerlichen Mitte an. Demokratie muss weiter gefasst werden als nur über Parteien. Momentan besteht die Gefahr, dass der Protest und das Wählen einen extrem rechten Touch bekommen. Wir als Bürgerbewegung wollen zurück zu einer echten Basisdemokratie. Damit habe ich als Bürgermeister in Grimma extrem gute Erfahrungen gemacht. Es muss um die Sache gehen. Nicht um Parteien.

TAG24: Auch die jetzige Regierung ist vom Bürger gewählt und arbeitet.

Berger: Die Staatsregierung ist ideenlos. Alle ihre Impulse erschöpften sich in der Vergangenheit in bürokratischen Vorgaben und Maßnahmen zur Zentralisierung, deren Sinnhaftigkeit sich der breiten Bevölkerung nicht erschließt.

Mutbürger auf der Straße in Chemnitz - sie spricht die "Bürgerbewegung für Sachsen" an.
Mutbürger auf der Straße in Chemnitz - sie spricht die "Bürgerbewegung für Sachsen" an.  © Xcitepress / Christian Essler

TAG24: Wie soll das "technisch" gehen, dass ihre Bürgerbewegung in den Landtag einzieht?

Hermenau: Die Freien Wähler stellen die Plattform zur Verfügung. Wir laden ausdrücklich Parteilose ein, das zu nutzen – ob jung oder alt. Die Bürgerbewegung ist nicht identisch mit den „Freien Wählern“, unterstützt sie aber ausdrücklich.

Berger: Wir möchten Fachleute in die Politik bringen. Menschen, die über ihre Lebensbilanz zeigen können, dass sie persönlich und fachlich geeignet sind.

TAG24: Tritt die Bürgerbewegung mit Ihnen an der Spitze an?

Beide: Nein, wir kandidieren nicht.

Berger: Ich bin bis 2022 gewählter OB von Grimma.

Hermenau: Ich kandidiere nicht und strebe auch kein Amt an.

TAG24: Will ihre Bürgerbewegung regieren?

Hermenau: Ja. Wir streben 2019 eine Regierungsbeteiligung an. Als Fraktion im Landtag wollen wir ein Vorschlagsgewitter gegen unsägliche Verwaltungs-Vorschriften loslassen. Auch in Sachsen werden wir für unsere Ziele vieles neu justieren müssen – wenn es sein muss, mit Gesetzesänderungen.

TAG24: Mit wem wollen sie regieren?

Hermenau: Wir reden mit allen und grenzen uns bewusst nicht ab. Denn wir wollen uns nicht verschließen.

Berger: Wir machen nicht Politik GEGEN andere. Wir wollen an der Sache entlang arbeiten und regieren.

TAG24: Gut, doch wofür steht ihre Bewegung?

Hermenau: Keine Sorge, das kommt noch. Unser Wahlprogramm bauen wir in Ruhe noch auf. Wir wollen, dass Kommunal- und Landespolitik wieder aus einem Guss sind. Unser zentrales Anliegen ist die demokratische Selbstkontrolle.

Zoff ums Bildungsticket: Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) plant die Zerschlagung der Verkehrsverbünde. Die Landräte laufen dagegen Sturm.
Zoff ums Bildungsticket: Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) plant die Zerschlagung der Verkehrsverbünde. Die Landräte laufen dagegen Sturm.  © Petra Hornig

TAG24: Nennen Sie bitte ein konkretes Beispiel.

Hermenau: Nehmen Sie aktuell die angekündigte Zerschlagung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Der Wirtschaftsminister hat jahrelang geschlafen und nun stößt er die Kommunen und Landräte vor den Kopf. Das finde ich ungeheuerlich. So darf das nicht laufen.

TAG24: Wie sollte es ihrer Ansicht nach laufen?

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Hermenau: Wir treten ein für einen sächsischen Weg in der Kommunal- und Landespolitik.

TAG24: Was ist das, ein Sächsischer Weg?

Hermenau: Das, was hier seit Jahrhunderten tradiert und überliefert wird, muss bewahrt werden. Die Sachsen müssen wieder für das gewürdigt werden, für was man sie kennt: Fleiß und Bescheidenheit. Wir verkörpern und propagieren das sächsische Credo: Loofn musses.

TAG24: Das sagt die CDU auch…

Hermenau: Das ist ja in Ordnung, dann wird die CDU gewinnen – und wir nicht. Da bin ich ganz locker...

Antje Hermenau begann in der Wendezeit, sich politisch zu engagieren. Damals war sie Mitglied des Runden Tisches in Leipzig. Matthias Berger wurde 2001 zum hauptamtlichen Bürgermeister und 2008 und 2015 zum Oberbürgermeister der Stadt Grimma gewählt.
Antje Hermenau begann in der Wendezeit, sich politisch zu engagieren. Damals war sie Mitglied des Runden Tisches in Leipzig. Matthias Berger wurde 2001 zum hauptamtlichen Bürgermeister und 2008 und 2015 zum Oberbürgermeister der Stadt Grimma gewählt.  © Norbert Neumann

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