In diesem sächsischen Hotel könnt Ihr für eine Nacht zurück in die schrillen Fünfziger reisen
Chemnitz - Es war einmal eine Brachfläche. Mitten im Chemnitzer Stadtteil Kappel, an der Kappler Drehe. Büsche, Gartenlaubenreste - ein Dschungel. Doch weil in Chemnitz lieber gearbeitet als geschwärmt wird, schufen fleißige Hände an der Stelle die wohl originellste Gästeunterkunft der Stadt.

"Am Anfang dachten viele, das sind Aussichtstürme", sagt Motel-Chefin Madlen Richter (33) schmunzelnd und deutet auf die beiden hochbeinigen Objekte im Wasserspeicher-Look. "Wir mussten Zettel an den Zaun hängen: Das sind Hotelzimmer!"
Die insgesamt vier Zimmer dort seien natürlich besonders bei Kindern beliebt. Im ebenerdigen Motel stünden insgesamt sechs Zimmer zur Verfügung. Bis auf die Turmzimmer sind überall Aufbettungen möglich. Der Preis pro Nacht fürs Turmzimmer lag diese Woche bei 119 Euro, fürs Doppelzimmer bei 89 Euro.
Alles ist im schrillen Stil der 1950er gehalten. Eine Zeit, in der der "American Way of Life" gerade im kriegszerstörten Europa wie eine Verheißung erschien, als Rock'n'Roll, Knallbuntkino und chromblitzende Straßenkreuzer Traumwelten versprachen. "Bis auf die Deko ist das Interieur komplett selbst entworfen und von Handwerkern aus der Region gefertigt", schwört die Chefin.
Tatsächlich muss man die Räume auf sich wirken lassen: Da das Nachtschränkchen mit Stelzenbeinen, hier die türkisfarbene Tapete, dort das Neonlicht. Unwillkürlich streicht sich der Gast mit dem nicht vorhandenen Kamm die Schmalztolle glatt und summt eine Musical-Melodie aus "Hair".

Eine Traumwelt im 50er-Jahre-Look

Die Motel-Anlage ist Teil des gegenüberliegenden "Diner". Hier dürfen die Hotelgäste nicht nur zum Sonderpreis frühstücken, hier wird auch eingecheckt. Wer ganz früh oder ganz spät kommt, gelangt dank moderner Zimmercodes auch ohne Rezeption in sein Zimmer. "Das schätzen besonders Geschäftsleute", so Richter. Und von denen gibt es zunehmend mehr in der Stadt.
Seit Chemnitz wieder ein Zentrum des deutschen Automobilbaus ist und nun auch noch "Europäische Kulturhauptstadt 2025", gibt sich Führungspersonal aus aller Welt die Klinke in die Hand.
Schon jetzt wird es einem in der Stadt nicht langweilig, betont Richter. Gleich auf der anderen Seite der B173 befindet sich das Industriemuseum. In die City sind es vom Motel aus schlappe fünf Minuten. Ganz in der Nähe des "50s ville" befindet sich der Schlossteich mit kulinarischen Angeboten, auch ein entspannter Tretbootausflug ist drin.
Oder man bleibt einfach im Motel und genießt, was echte US-amerikanische Motels eher selten haben: die passende Unterlage. Richter: "Es ist verrückt. Aber uns sprechen Gäste auf die Matratzen an. Sie hätten selten so gut geschlafen, hören wir immer wieder." Eine Traumwelt muss nicht immer pink sein ...


Claudias "Petticoat" ist Atelier und Café

Waschechter 50er-Style findet sich auch südlich von Chemnitz in Annaberg-Buchholz: Das "Petticoat" vereint Mode-Atelier und Café.
Der kleine Laden von Claudia Enzmann (38) befindet sich zentral gelegen nahe dem Markt in der Kupfergasse.
Samstag lädt die Inhaberin zum "Pancake-Frühstück", es gibt Lesungen und Boogie-Partys (wieder am Sonntag ab 14 Uhr). Kontakt: 03733/6758890, petticoat-annaberg@outlook.de
Titelfoto: Kristin Schmidt