Kies machen oder Kies lassen? Naturschützer kämpfen gegen geplanten Großtagebau

Dresden/Radeburg - Kies machen oder Umwelt schützen? Der Naturschutzbund Sachsen hat Beschwerde bei der EU gegen einen neuen Kiestagebau bei Radeburg eingelegt. Die dafür erforderlichen Baumfällungen laufen längst. Aber Brüssel antwortet nicht.

Schon jetzt nimmt der Kiestagebau Würschnitz große Flächen ein. Durch die geplante Erweiterung sind angrenzende Wälder in Gefahr.
Schon jetzt nimmt der Kiestagebau Würschnitz große Flächen ein. Durch die geplante Erweiterung sind angrenzende Wälder in Gefahr.  © Steffen Füssel

"Wir haben größte Bedenken, dass der Tagebau Würschnitz-West das Waldgebiet zerstört", sagt Heiko Richter (46), der sich in einer Bürgerinitiative gegen die Pläne der Kieswerks Ottendorf-Okrilla (KBO) engagiert. Denn der neue, 134 Hektar große Tagebau ist nicht der einzige.

Fünf Tagebaue mit einer Fläche von 900 Hektar gibt es bereits. Um die Initiative zu unterstützen, hat der Naturschutzbund (Nabu) Sachsen bereits im Januar Beschwerde in Brüssel eingelegt.

Bis zu sieben besonders schützenswerte Fauna-Flora-Habitate (FFH-Gebiete) liegen in der Nähe des geplanten Abbaufelds in der Radeburg-Laußnitzer Heide. Auch das Naturschutzgebiet "Waldmoore bei Großdittmannsdorf" ist nicht weit.

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Kommt der Tagebau, könnten die Moore austrocknen. Zudem zerschneidet das Förderband, das den Tagebau mit dem Kieswerk verbindet, das Waldgebiet.

EU meldet sich gar nicht, Sächsisches Oberbergamt: "Lösung kann noch dauern"

Kann Oberberghauptmann Bernhard Cramer (56, li.) die Erweiterung noch stoppen? Kieswerk-Chef Thomas Gruschka (56) glaubt nicht an die Naturschädlichkeit der geplanten Erweiterung.
Kann Oberberghauptmann Bernhard Cramer (56, li.) die Erweiterung noch stoppen? Kieswerk-Chef Thomas Gruschka (56) glaubt nicht an die Naturschädlichkeit der geplanten Erweiterung.  © Montage: dpa/Jan Woitas, PR/KBO

Thomas Gruschka (56), Geschäftsführer des Kieswerks Ottendorf-Okrilla, sieht das anders: "Kiesabbau und Umweltschutz schließen einander nicht aus. Im Gegenteil: Durch den Kiesabbau können Flächen entstehen, die biologisch und für den Klimaschutz wertvoller sind als die aktuelle Landschaft mit ihren geschädigten Waldbeständen."

Bei dem geplanten Abbau bleibe man mindestens einen Meter über dem Grundwasserspiegel - also keine Gefahr für die Grundwasserleiter, die die Moore mit Wasser versorgen.

Vielleicht denkt man bei der EU ähnlich? Auf eine Antwort aus Brüssel warten die Nabu-Mitarbeiter in Leipzig bisher jedenfalls vergeblich.

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Nun ruhen die Hoffnungen der Naturschützer auf dem Sächsischen Oberbergamt. Dort werden derzeit die Einwände eines ersten Anhörungsverfahrens geprüft.

Auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei vorgeschrieben, so Oberberghauptmann Bernhard Cramer (56) auf TAG24-Anfrage.

Doch eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. "Bis zum Ende des Verfahrens kann es noch dauern", so Cramer.

So weit die Förderbänder reichen: Rund um Ottendorf-Okrilla wird seit 100 Jahren gebuddelt.
So weit die Förderbänder reichen: Rund um Ottendorf-Okrilla wird seit 100 Jahren gebuddelt.  © privat

Hier wird schon seit 100 Jahren gebaggert

Für die sächsische Landeshauptstadt hat die Rohstoffgewinnung in der Gegend der heutigen Doppelgemeinde Ottendorf-Okrilla eine lange Tradition.

  • In den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts wächst Dresden enorm. Der Bedarf an Sand und Kies für Industrie- und Verkehrsbauten steigt. Überall entstehen Betonwerke, auch in Ottendorf-Okrilla.
  • Nach Ende des 2. Weltkriegs verlangt der Wiederaufbau von Dresden eine sprunghafte Zunahme der Baustoffproduktion. 1950 entsteht deshalb am Bahnhof Ottendorf-Okrilla-Süd eine neue Verladerampe.
  • Abgebaut wurden nicht nur Sand und Kies, sondern auch Torf, Gesteine (Granodiorit, Grauwacke, Gneise) und Lehm.

Titelfoto: Steffen Füssel

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