Massengrab an Knastmauer entdeckt: Stammen Knochen von Opfern der NS-Militärjustiz?

Torgau - Trauriger Fund an der Gefängnismauer der JVA Torgau. Bei Erdarbeiten stießen Bauarbeiter auf ein Massengrab. Vermutlich handelt es sich um Opfer der NS-Diktatur.

Der Fundort: Vor den Mauern im nördlichen Teil der JVA wird aktuell weiter nach menschlichen Überresten gegraben.
Der Fundort: Vor den Mauern im nördlichen Teil der JVA wird aktuell weiter nach menschlichen Überresten gegraben.  © Udo Kuthe

Die ersten menschlichen Knochen wurden bereits am vergangenen Freitag gefunden, die Behörden informierten jedoch erst am Donnerstag darüber. Seither wird das Erdreich im nördlichen Bereich der Justizvollzugsanstalt zwischen Anstaltsmauer und Außenzaun systematisch untersucht.

Lokale Polizisten, Kriminalisten und Kräfte der Bereitschaftspolizei sind vor Ort im Einsatz. Nahezu täglich finden sie neue menschliche Überreste.

"Es handelt sich um Gebeine mehrerer Menschen", erklärt Polizei-Sprecher Chris Graupner. Das genaue Alter der Knochen sei noch nicht ermittelt. Allerdings nahm ein Rechtsmediziner bereits eine erste Einordnung vor.

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"Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammen sie aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts", so Graupner.

Zweiter Weltkrieg: Torgau galt als Zentrum der NS-Militärjustiz

Auf den Mauern des alten Fort Zinna steht heute die Justizvollzugsanstalt Torgau.
Auf den Mauern des alten Fort Zinna steht heute die Justizvollzugsanstalt Torgau.  © Bildmontage: Udo Kuthe, imago stock&people

Mit den Knochenfunden kommt eines der dunkelsten Kapitel Torgaus ans Licht. Die Elbestadt war im Zweiten Weltkrieg das Zentrum der NS-Militärjustiz, ab 1943 hatte hier auch das Reichskriegsgericht seinen Sitz.

Nach Angaben der Stiftung Sächsische Gedenkstätten waren während des Weltkrieges rund 60.000 Häftlinge der Wehrmacht in Torgau inhaftiert. Rund 1000 wurden zum Tode verurteilt - wegen Desertion, "Feigheit vor dem Feind", Wehrkraftzersetzung oder "Kriegsverrats".

Erschossen wurden die Todgeweihten auch am Wallgraben von Fort Zinna, auf dessen Areal heute die Justizvollzugsanstalt steht.

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Die Ermittler halten es deshalb für wahrscheinlich, dass es sich bei den Gebeinen um Opfer der NS-Militärjustiz handelt.

Titelfoto: Bildmontage: Udo Kuthe, imago stock&people

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