Nach Eröffnung kam der Lockdown: So geht es sächsischem Tanzschulpaar

Riesa - Da müsste Musik sein! Doch alles ist still - in den Sälen der Tanzschule Riesa. Seit fast sechs Monaten schweben hier keine Paare mehr über das Parkett. So lange schon können Jonatan Rodríguez Pérez (36) und seine Frau Jenny (33) vor Ort keine Schüler unterrichten. "So hatten wir uns unseren Start nicht vorgestellt. Acht Wochen nach der Eröffnung mussten wir unsere Schule wegen der Corona-Auflagen wieder schließen", berichtet der temperamentvolle Spanier traurig.

Das Paar bietet Kurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an. Er sagt: "Wir sind unseren Clubpaaren unendlich dankbar, dass sie uns in dieser schwierigen Zeit die Treue halten."
Das Paar bietet Kurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an. Er sagt: "Wir sind unseren Clubpaaren unendlich dankbar, dass sie uns in dieser schwierigen Zeit die Treue halten."  © Petra Hornig

"Ich bin komplett aus dem Rhythmus. Corona hat unser Leben ausgebremst und aus dem Tritt gebracht", gesteht der ehemalige Profi-Tänzer. Er blickt seiner Frau tief in die Augen, sagt: "Eine eigene Tanzschule zu führen, zu lehren und mit Menschen unsere Liebe zum Tanz zu teilen, das war unser Traum. Darauf haben wir jahrelang hingearbeitet."

Ende August hat das Paar die Tanzschule von Dorit Graf übernommen, nachdem die in den Ruhestand gegangen ist. Die ersten beiden Betriebs-Monate der Tanzschule Riesa Jenny & Jonatan gestalteten sich für die frisch gebackenen ADTV-Tanzlehrer sehr hoffnungsvoll. Kurz zuvor hatten sie ihre Abschlussprüfung mit der Note 1,1 gemeistert.

Trotz Corona-Auflagen und Zittern um die Durchführung von Bällen meldeten sich Schüler in Scharen an, um Walzer, Cha Cha und Discofox zu erlernen.

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"Ich hatte damals viele schlaflose Nächte. Genau zwei Abschlussbälle und Kurse mit 60 Paaren konnten wir im Schützenhaus in Lommatzsch durchführen. Danach kam der November-Lockdown", erinnert sich die gebürtige Dresdnerin.

Seitdem drehen die Tanzlehrer oft Däumchen statt Pirouetten. "So viel Freizeit hatte ich noch nie", stöhnt der Katalane. Er begann im Alter von neun Jahren mit dem Tanzen. Seine Partnerin war zarte vier Jahre alt, als sie in Elbflorenz erste Tanz-Schritte lernte.

Als Leistungssportler nahmen beide mit anderen Partnern erfolgreich an Meisterschaften und internationalen Turnieren teil.

Die Tanzlehrer haben sich im Lockdown Technik angeschafft, um Videos drehen und online unterrichten zu können. Bloß: Im ländlichen Raum ist das Internet oft so schlapp, dass ihre Bilder nur im Schneckentempo übertragen werden können.
Die Tanzlehrer haben sich im Lockdown Technik angeschafft, um Videos drehen und online unterrichten zu können. Bloß: Im ländlichen Raum ist das Internet oft so schlapp, dass ihre Bilder nur im Schneckentempo übertragen werden können.  © Petra Hornig

Jenny Rodríguez Pérez: "Wir sehen beruflich keine Perspektiven"

Jenny und Jonatan Rodríguez Pérez gaben sich im Juli 2020 das Jawort. Viel Zeit zum Flittern hatten sie bislang aber nicht.
Jenny und Jonatan Rodríguez Pérez gaben sich im Juli 2020 das Jawort. Viel Zeit zum Flittern hatten sie bislang aber nicht.  © Petra Hornig

Jonatan Rodríguez Pérez: "Vor sieben Jahren kamen wir dann als Tanzpaar zusammen. Ein Trainer hat uns miteinander bekannt gemacht. Wir spielten damals beide mit dem Gedanken, unsere Tanz-Karrieren zu beenden."

Jenny hatte nach dem Biologie-Studium eine Promotion im Visier. Jonatan, der damals in Berlin lebte, war auf dem Sprung, als Trainer Verantwortung und Funktionen zu übernehmen.

War es die Leidenschaft beim Tango? Statt die Tanzschuhe an den Nagel zu hängen, gab das neue Profi-Paar in Wettbewerben noch einmal Gas. Die Dresdnerin und der Spanier legten dabei eine so heiße Sohle aufs Parkett, dass sie die Herzen des Publikums im Sturm eroberten. Die Punktrichter zückten Bestnoten, belohnten ihren Eifer und Einsatz mit dem Titel "Deutscher Meister".

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Da hatte es privat längst gefunkt. Im Sommer 2020 läuteten in Meißen, wo das Paar jetzt wohnt, die Hochzeitsglocken.

"Unser größtes Problem im Moment ist, dass wir beruflich keine Perspektive sehen. Wir produzieren Lehrvideos und halten mit Online-Unterricht Kontakt zu unseren jugendlichen und erwachsenen Schülern sowie Clubpaaren. Doch das alles ist kein würdiger Ersatz. Tanzen ist ein Gesellschaftssport. Es gehört in große Säle, nicht in winzige Wohnzimmer", sagt Jenny Rodríguez Pérez.

Die Lust am Leben lässt sich das Paar von Corona nicht nehmen. Beide sind keine Traumtänzer, aber das Jammern liegt ihnen fern. Einer ihrer Lieblings-Sinnsprüche hängt geschrieben in schwungvollen Lettern im großen Saal der Tanzschule Riesa: "Man muss das Leben tanzen".

Jenny und Jonatan Rodríguez Pérez (36) waren als Profi-Tänzer sehr erfolgreich. Mit ihrer Ausdrucksstärke und geschliffenen Technik beeindruckten sie Juroren und Publikum gleichermaßen.
Jenny und Jonatan Rodríguez Pérez (36) waren als Profi-Tänzer sehr erfolgreich. Mit ihrer Ausdrucksstärke und geschliffenen Technik beeindruckten sie Juroren und Publikum gleichermaßen.  © privat
Musik sortieren, Glühlampen wechseln: Die Tanzlehrer haben im Moment viel Zeit. Sie sehnen den Tag herbei, an dem in der Tanzschule Riesa wieder Unterricht stattfinden darf.
Musik sortieren, Glühlampen wechseln: Die Tanzlehrer haben im Moment viel Zeit. Sie sehnen den Tag herbei, an dem in der Tanzschule Riesa wieder Unterricht stattfinden darf.  © Petra Hornig

Branche will mehr Beinfreiheit

Das Tanzpaar darf nicht mal einen Hausstand, der negativ getestet wurde, unterrichten.
Das Tanzpaar darf nicht mal einen Hausstand, der negativ getestet wurde, unterrichten.  © imago images/Michael Weber

Die Nerven in der Tanz-Szene liegen blank. Die ganze Branche klagt, dass sie vergessen wird in der Pandemie. Ihr fehlt ein Horizont für Lockerungen und Öffnungen.

Die ADTV-Tanzschulen, freie Tanzstudios, -vereine, -clubs und andere Tanz-Institutionen haben darum eine "Interessengemeinschaft Tanzen in Sachsen" gegründet, um bei der Politik Gehör zu finden.

"Wir alle fühlen uns ungerecht behandelt. Wir haben Hygiene-Konzepte und dürfen trotzdem nicht einmal Individualunterricht für ein negativ getestetes Tanzpaar aus einem Hausstand geben", sagt Jenny Rodríguez Pérez, die sich mit ihrem Mann auch in der IG engagiert. Die Tanzlehrerin stellt mit Blick auf die Musikschulen fest: "Dort ist hingegen Individualunterricht längst erlaubt."

Laut sächsischer Corona-Verordnung müssen Tanzschulen bis auf Weiteres geschlossen bleiben. Bei Verstößen droht jedem ein Bußgeld. Das hat das Sozialministerium klargestellt. Die IG, die über 100 Akteure vertritt, prüft ihrerseits nun rechtliche Schritte für mehr "Beinfreiheit" im Alltag.

Wann können sich die Menschen wieder im Wiegeschritt bei einem Ball in den Armen liegen? Das ist ungewiss. Doch gegen den Frust haben sich die Tanz-Verliebten etwas einfallen lassen. Am kommenden Sonnabend wird es online ein „Tanzfestival“ geben! Einen ganzen Tag lang präsentieren Mitglieder der IG Tanzen in Sachsen sich mit Workshops, Mit-Tanz-Angeboten und einer Gala online.

Infos: tanzeninsachsen.de

Titelfoto: Petra Hornig

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