Sparkonzept! Rathaus empfiehlt Einwohnern nachts Taschenlampen

Ebersbach - In Deutschland gehen die Lichter aus. Was im politischen Diskurs als sprachliches Bild für den wirtschaftlichen Niedergang steht, wird in immer mehr Kommunen zur Realität. Jüngstes Beispiel: Ebersbach-Neugersdorf - weil der Stadt in der Oberlausitz eine finanzielle Schieflage droht, bleiben jetzt nachts die Lichter aus.

Ebersbach-Neugersdorf im abendlichen Schein der Laternen. Nachts wird es jetzt dunkel.
Ebersbach-Neugersdorf im abendlichen Schein der Laternen. Nachts wird es jetzt dunkel.  © Matthias Weber

Nein, auf der Einnahmenseite sei der 11.500-Seelen-Kommune nichts weggebrochen, versichert Bürgermeisterin Verena Hergenröder (65, parteilos).

Es gibt in der Gegend einen gesunden Mittelstand, der ordentlich Gewerbesteuern zahlt. Doch die Ausgabenseite explodiert. "Wir wissen eigentlich nicht, wie wir das, wofür wir als Kommune alles zuständig sind, noch finanzieren sollen", sagt Hergenröder.

Steigende Kosten für Energie und Material, aber auch die jüngsten Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst saugen die Stadtkasse leer. "Wenn wir nicht gegensteuern, haben wir in zwei Jahren einen Fehlbetrag von zwei Millionen Euro, den wir dann über Kredite ausgleichen müssten", malt die Bürgermeisterin die Zukunft dunkel.

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Und dunkel ist auch die erste Gegenmaßnahme, die Hergenröder im Einklang mit ihrem Stadtrat verfügt hat. Ab sofort bleibt Ebersbach-Neugersdorf nachts dunkel. Von 23 bis 4 Uhr wird im gesamten Stadtgebiet die öffentliche Beleuchtung abgeschaltet.

In einer Erklärung im Internet empfiehlt die Stadtverwaltung ihren Bürgern, in dieser Zeit Taschenlampen zu nutzen. Bis zu 160.000 Kilowattstunden Strom könnten so pro Jahr eingespart werden, erklärt die Bürgermeisterin. Macht bei den aktuellen Energiepreisen etwa 60.000 Euro Ersparnis!

Laut Polizei kein Anstieg der Kriminalität bei ausgeschalteter Straßenbeleuchtung

Muss Millionen einsparen, damit ihre Stadt nicht in die Schuldenfalle rutscht: Verena Hergenröder (65), parteilose Bürgermeisterin von Ebersbach-Neugersdorf.
Muss Millionen einsparen, damit ihre Stadt nicht in die Schuldenfalle rutscht: Verena Hergenröder (65), parteilose Bürgermeisterin von Ebersbach-Neugersdorf.  © Christian Juppe

Dass die Düsternis in der Kleinstadt zu Problemen führen könnte, glaubt Hergenröder nicht.

Zum einen seien um diese Zeit die Gehsteige eh meist menschenleer, da die letzte Kneipe um 22 Uhr schließt und um diese Zeit auch der ÖPNV schon Nachtruhe hält.

Zum anderen, so lässt das Rathaus die Bürger wissen, habe eine Anfrage bei der Polizei ergeben, dass es keinen statistischen Nachweis gebe, wonach bei ausgeschalteter Straßenbeleuchtung die Kriminalitätsrate steige. Die dunklen Laternen dürften also das kleinste Problem der Ebersbacher und Neugersdorfer sein.

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Weit größere deuten sich hingegen zur nächsten Stadtratssitzung an. Da wird nämlich das künftige Haushaltssicherungskonzept diskutiert. Zur Debatte stehen unter anderem die Schließung einer Kita und die Anhebung der Hundesteuer.

Kommentar zum Sparkonzept: Im Lausitzer Bergland gehen die Lichter aus.

Für TAG24-Redakteur Alexander Bischoff steht die Sparmaßnahme in Ebersbach-Neugersdorf sinnbildlich für das Abrutschen Deutschlands in gleich mehreren Bereichen.
Für TAG24-Redakteur Alexander Bischoff steht die Sparmaßnahme in Ebersbach-Neugersdorf sinnbildlich für das Abrutschen Deutschlands in gleich mehreren Bereichen.  © Eric Münch

Zwischen 23 und 4 Uhr wird in Ebersbach-Neugersdorf fortan die Straßenbeleuchtung ausgeknipst, wie zuvor schon in mehreren Nachbarkommunen. Die Stadt, die so die Energiekosten drosseln will, empfiehlt ihren Bürgern Taschenlampen.

Eigentlich kein großer Aufreger, zumal ab 23 Uhr auf den Gehsteigen der Oberlausitz überwiegend Fuchs, Hase und Igel anzutreffen sind. Und die brauchen keine Laternen.

Dennoch steht diese kleine Lokalgeschichte stellvertretend für die Entwicklung in unserem Land. Ein Land, das mal weltweit als führende Technologie- und Wirtschaftsnation bekannt und geachtet war. Ein Land, dessen gesellschaftlicher Wohlstand eine hohe Lebensqualität verhieß und so der Kit des gesellschaftlichen Zusammenhalts war.

Doch das ist bald Geschichte. Taschenlampen statt Straßenlaternen - dieses Bild steht für mich stellvertretend für das Abrutschen unseres Landes in vielen Bereichen. Weil die Politik heute nicht mehr von Sachverstand und Pragmatismus bestimmt wird, sondern zunehmend ideologischen Vorgaben folgt.

In Zeiten einer Energiekrise die Kernkraftwerke im Hauruck-Verfahren abzuschalten, bei gleichzeitigem Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung - das ist schlicht Harakiri. Wer glaubt, den Energiebedarf einer Industrienation mit Sonne, Wind und Wasser decken zu können, der ist entweder naiv oder ideologisch verblendet. Kein Wunder, dass unsere europäischen Nachbarn diesem Weg nicht folgen.

Ein verdammt teurer Sonderweg, wie die Energiepreisentwicklung zeigt. Nicht nur für Privathaushalte, sondern auch für unsere Kommunen. Und die werden durch politisch-ideologische Vorgaben immer weiter in die Schuldenfalle getrieben.

Sei es durch die chaotische Flüchtlingspolitik, die Städte und Landkreise vor schier unlösbare Probleme bei Aufnahme und Integration von Migranten stellt. Oder durch die vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag erst kürzlich als "überzogen" kritisierten energetischen Anforderungen bei kommunalen Bauvorhaben, die unter anderem den Bau von Schulen massiv verteuern.

Titelfoto: Montage: Christian Juppe + Matthias Weber

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