Die Legende lebt: Heute vor 65 Jahren lief der erste Trabi vom Band

Zwickau - Er rollt und rollt und rollt. Am heutigen Montag vor 65 Jahren lief der erste Trabant vom Band. Geliebt und gehasst begleitet er uns seither - ab 1989 auch im Westen der Republik.

Mandy und Frank Lieberwirth aus Forchheim bei Pockau-Lengefeld sammeln DDR-Fahrzeuge und Zubehör. Der Trabant 500 ist ihr Liebling.
Mandy und Frank Lieberwirth aus Forchheim bei Pockau-Lengefeld sammeln DDR-Fahrzeuge und Zubehör. Der Trabant 500 ist ihr Liebling.  © Uwe Meinhold

Wir schreiben den 7. November 1957. Die junge DDR leidet unter Abwanderung und den Demontagen von Fabriken durch Moskau. Trotzdem stemmt der kleine Staat ehrgeizige Projekte: Schiffsbau an der Küste. Flugzeugbau in Dresden.

In Westsachsen haben alte Haudegen von Audi und Horch mit jungen Kollegen den Kleinwagen P70 entwickelt, um nun den P50 ins Leben zu entlassen: Trabant Nummer eins!

Schnell wird der formschöne Zweitakter zum Renner. Trotz magerer 18 PS. Doch eine zeitgemäße Inneneinrichtung, leicht zugängliche Technik und deutsche Ingenieurskunst bescheren dem Wägelchen auch Nachfrage im Ausland. Das ist zunächst ab 1964 auch beim 26-PS-Nachfolger 601 so, bis der veraltet und zum Witz wird.

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Zwickau Mit Spannung kennt er sich aus: Dieser Elektriker ist jetzt Autor

Heute ist der Trabi kein Witz mehr. Fans tauschen wie eh und je Ersatzteile - nun via Internet. Trabi-Treffen finden in Gesamtdeutschland monatlich statt. Außerdem ist die "Pappe" zur Filmlegende geworden. Zweimal in "Go Trabi Go".

Aber auch dank Hollywood: In "Alles ist erleuchtet" (2005) nach dem gleichnamigen Roman von Jonathan Safran Foer reist der junge Jude Jonathan aus den USA an, um in der Ukraine das Schicksal seiner Vorfahren zu ergründen. Ein blauer Trabi Kombi bringt ihn von A nach B.

DDR-Werbung à la 1960: Models posieren vor zwei 500er-Modellen.
DDR-Werbung à la 1960: Models posieren vor zwei 500er-Modellen.  © August-Horch-Museum

Der Wert der Trabis steigt mittlerweile immer höher

1991 kam der Kultfilm "Go, Trabi, go" in die Kinos. Auf der Haube Claudia Schmutzler (heute 56), Wolfgang Stumph (76) und Marie Gruber (†62).
1991 kam der Kultfilm "Go, Trabi, go" in die Kinos. Auf der Haube Claudia Schmutzler (heute 56), Wolfgang Stumph (76) und Marie Gruber (†62).  © picture alliance / United Archives

Der Trabi hat auch deutsch-deutsche Geschichte geschrieben: Da war die Nacht der Maueröffnung, in der die stinkenden Kisten in West-Berlin mit großem Hallo begrüßt wurden.

Und da ist der Golf I, dessen Design, ohne dass das juristisch erwiesen ist, mittlerweile Autohistoriker für den abgekupferten Trabant 603 aus den 1960ern und den P760 von 1970 halten... Sie und fünf weitere 601-Nachfolger durften nie in Serie gehen.

Dafür leben P50 und 601. Sie steigen sogar im Wert: Für einen vernünftigen 601er werden nicht unter 4000 Euro verlangt. Ein anständig restaurierter 500er kostet bereits zwischen 10.000 und 15.000 Euro.

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Mehr als 39.000 Sachsenring-Autos sind derzeit allein in Deutschland unterwegs.

Das frühere Sachsenring-Werk in Zwickau.
Das frühere Sachsenring-Werk in Zwickau.  © PR
Formgestalter und Trabant-Designer Karl Clauss Dietel (†87) mit einem Modell des nie gebauten Trabant 601N von 1980. Er starb Anfang des Jahres in Chemnitz.
Formgestalter und Trabant-Designer Karl Clauss Dietel (†87) mit einem Modell des nie gebauten Trabant 601N von 1980. Er starb Anfang des Jahres in Chemnitz.  © dpa/Hendrik Schmidt

Jeder hat seine Trabi-Story

Kommentar von Torsten Hilscher

Meine erste eigene Trabi-Fahrt war illegal: Auf dem Parkplatz einer Agrargenossenschaft im Osterzgebirge ließ mich damals meine Mutter ein paar Runden drehen. Ich zählte 14 Lenze.

Den Kombi hatten wir - es war Anfang der 1980er - erst kurz zuvor gekauft. Für offiziell 11.000 DDR-Mark, tatsächlich dann für 14.000. Auf eine Annonce hin in einer Tageszeitung. Die Verkäufer, eine seriöse Familie; wir, die Käufer, auch ganz bürgerlich.

Doch über die 3000 nicht quittierten Mark (Omas Beitrag) wurde gar nicht erst gesprochen. So war das eben bei Wartezeiten für die "Pappe" zwischen zehn und noch mehr Jahren.

Jeder Ostdeutsche und inzwischen auch jeder Westdeutsche hat seine eigene Trabi-Story parat. Ob es nun vollbepackt an die Ostsee oder nach Ungarn ging. Ob unter der Hand getauschte Reifen, ob Warten auf den Werkstatttermin, ob erste Begegnung auf dem Ku'damm nach dem Mauerfall November 1989 - fast jeder schaut heute liebevoll verklärt auf die Zeit mit dem "Karton de blamage".

Die Trabant-Geschichte ist eine fortwährende Geschichte des Scheiterns und die eines Dauererfolgs. Denn noch nie war ein gepflegter Trabi so wertvoll wie heute. Und noch nie haben wir so genaue historische Einblicke in die vermurkste SED-Wirtschaftspolitik erhalten, die den sächsischen Autobauern eine vernünftige Weiterentwicklung verbaute. Vorbei.

Wir sagen von ganzem Herzen "Glückwunsch zum 65.!"

Titelfoto: Uwe Meinhold/August-Horch-Museum/picture alliance/United Archives

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