Wie viele Rudel verträgt Sachsen? Er hat die Formel Wolf berechnet

Dresden - Beim Thema Wolf kochen regelmäßig die Emotionen hoch. Für die einen bereichern Wölfe die Artenvielfalt, für andere sind sie Problemtiere. Doch mal ganz sachlich: Wie viel Wolf verträgt das Land? Der Diplom-Mathematiker Christoph Egert (68) aus Nieschütz (bei Meißen) hat nachgerechnet und seine "Formel Wolf" aufgestellt.

Mathematiker und Wolfs-Experte: Christoph Egert (68) ist auch Jagdprüfer und Schweißhundführer.
Mathematiker und Wolfs-Experte: Christoph Egert (68) ist auch Jagdprüfer und Schweißhundführer.  © Steffen Füssel

Sachsen war das erste Bundesland, in dem sich vor über 20 Jahren Wölfe wieder angesiedelt haben. Davor galten sie mehr als hundert Jahre als ausgerottet. Was Naturschützer freut, macht vor allem Schäfern zu schaffen. Sie beklagen Wolfsrisse in ihren Herden.

Nur ein sächsisches Problem? Wie läuft's eigentlich anderswo in Europa? Christoph Egert hat familiäre Beziehungen nach Estland, kennt die dortige Wolfsjagd.

"In Estland lebt man in friedlicher Koexistenz mit dem Wolf. Jährlich werden im Baltikum allerdings 300 Wölfe geschossen." Egert bemängelt, "dass keine Zahl existiert, wie viele Wölfe in Sachsen tolerierbar sind".

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Braucht Sachsen eine Obergrenze für den Wolfsbestand? Mathe-Ass Egert macht folgende Rechnungen auf.

Bei der letzten Zählung im Oktober 2018 wurden 18 Wolfsrudel und vier Einzelpaare erfasst. In diesem Jahr wurden laut Kontaktbüro "Wölfe in Sachsen" bislang sechs tote Wölfe registriert.
Bei der letzten Zählung im Oktober 2018 wurden 18 Wolfsrudel und vier Einzelpaare erfasst. In diesem Jahr wurden laut Kontaktbüro "Wölfe in Sachsen" bislang sechs tote Wölfe registriert.  © imago images/Martin Wagner

Faktor Fläche

Im 45.400 Quadratkilometer großen Estland leben 17 Wolfsrudel, also 0,37 Rudel je 1000 km². In Sachsen (Größe: 18.500 km²) wurden laut offiziellem Wolfsmonitoring zuletzt 18 Rudel plus vier Einzelpaare erfasst. "Hier leben also 1,19 Rudel auf 1 000 km²", rechnet Egert hoch.

Ergebnis: "Wenn Sachsen etwa die gleiche gesunde Rudeldichte wie Estland haben soll, dürften in Sachsen nur etwa sieben Rudel leben."

Faktor Bevölkerungsdichte

"Weil Sachsen 7,6 Mal dichter besiedelt ist als Estland, ist die Anzahl von sieben Rudeln auf die gesamte Landesfläche gesehen immer noch zu hoch angesetzt", gibt Egert zu bedenken. "In den baltischen Ländern wird die Wolfsdichte in Abhängigkeit von der Bevölkerungsdichte festgelegt." Es gilt: Wo viel Wald, da viel Wolf. Wo viel Bevölkerung, da weniger Wölfe.

Faktor Nahrung

Ein Rudel wird auf sieben bis acht Wölfe geschätzt. Ein Wolf benötigt täglich etwa vier Kilogramm Nahrung. Nach etwa drei Jahren verdoppelt sich zudem die Anzahl der Rudel. Egert: "Damit ist absehbar, dass sich der Wolf so rasant wie der Waschbär verbreitet. Dazu kommt eine Kostenexplosion durch Schäden in der Landwirtschaft."

Fazit: Laut Egerts Berechnungen ist der Schutzstatus mit inzwischen 18 Rudeln und 4 Einzelpaaren nicht gerechtfertigt. Sein Vorschlag: "In Griechenland dürfen Wölfe in bestimmten Gegenden gejagt werden, in anderen sind sie geschützt. Das könnte auch eine Idee für Sachsen sein."

Minister will Abschuss klar regeln

Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (58).
Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (58).  © dpa/Sebastian Kahnert

Thomas Schmidt (58), Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft:

"Ich habe dem Kabinett eine neue Wolfsverordnung vorgeschlagen, die kommende Woche beschlossen werden soll. Dort werden wir regeln, welche Schutzmaßnahmen gegen Wolfsrisse zumutbar sind, zum Beispiel Elektrozäune oder Herdenschutzhunde.

Aber auch, wie einzelne Wölfe entnommen - also auf Deutsch: abgeschossen - werden können, wenn sie die Scheu vor Menschen verlieren oder trotz aller Schutzmaßnahmen immer wieder Nutztiere reißen.

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Diese Fälle wollen wir in Sachsen klarer regeln, um Konflikte zu vermeiden. Aber auch der Bund muss handeln. In Deutschland muss in Bezug auf den Wolf das möglich sein, was in den Nachbarstaaten auch geht. Bisher ist das Bundesnaturschutzgesetz strenger als es die EU-Regeln vorschreiben.

Das muss sich dringend ändern, sonst werden die Menschen bald kein Verständnis mehr für den strengen Artenschutz haben“.

Erst am Samstag attackierten Wölfe am Alpakahof in Oberwiesenthal sechs Schafe - sie starben oder mussten eingeschläfert werden.
Erst am Samstag attackierten Wölfe am Alpakahof in Oberwiesenthal sechs Schafe - sie starben oder mussten eingeschläfert werden.  © Bernd März

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