Kontroverse um Unfall mit drei Toten: Hätte die Polizei die Verfolgungsjagd abbrechen sollen?

Querfurt - Am frühen Morgen des 15. Dezember riss ein Falschfahrer (†57) auf der A38 in Sachsen-Anhalt zwei Frauen mit in den Tod. Jetzt richten sich die Ermittlungen ausgerechnet gegen die Polizisten, die den Mann bis zum Unfallzeitpunkt verfolgten. "MDR Umschau" beschäftigte sich mit dem komplexen Fall.

Der 57-jährige Geisterfahrer riss am 15. Dezember nicht nur sich selbst, sondern auch zwei Frauen in einem anderen Auto in den Tod.
Der 57-jährige Geisterfahrer riss am 15. Dezember nicht nur sich selbst, sondern auch zwei Frauen in einem anderen Auto in den Tod.  © Heiko Rebsch/dpa

Die schicksalhafte Verfolgungsfahrt begann um 2.40 Uhr bei Staßfurt und führte erst über eine Landstraße und schließlich über die A14 bis auf die A38 bei Querfurt. Fast zwei Stunden lang jagte eine Streife dem 57-jährigen Straftäter - sein Auto trug ein gefälschtes Nummernschild, und er hatte ein geklautes E-Bike an Bord - hinterher.

Sie blieben selbst dann noch an seine Fersen geheftet, als der Mann als Geisterfahrer auf die A38 raste. Nach Ansicht des Landtagsabgeordneten Sebastian Striegel (42, Grüne) hätten die Polizisten spätestens hier die Verfolgung abbrechen müssen - immerhin hatte ja ein Hubschrauber die ganze Zeit Sichtkontakt: "Es gab gute Chancen, denjenigen dann auf anderem Wege und nicht mehr durch direkte Nachfahrt zu stoppen."

Stattdessen dann das Unglück: Um 4.20 Uhr krachte der 57-Jährige frontal in den Wagen einer Grimmaer Fensterbaufirma. Die zwei Mitarbeiterinnen Alicja (34) und Renata (41) waren sofort tot, ihr Kollege Daniel (38) überlebte mit schweren Verletzungen. Auch der Geisterfahrer starb.

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Ihr Kollege Steffen Gey spricht im Beitrag über die verstorbene Alicja: "Sie war wissbegierig, sie war pünktlich, sie war nett. Früh schon, wenn sie kam, hatte sie ein strahlendes Lächeln." Am Tag vor dem Unfall am Freitag hatte er noch mit ihr telefoniert. "Sie hat sich gefreut, am Montag wieder in unserer Abteilung zu sein", erinnert er sich.

Wieso es den verfolgenden Polizisten innerhalb von fast zwei Stunden und über eine Strecke von 100 Kilometern nicht gelungen war, den Fahrer zu stoppen, verstehe er nicht. Dennoch: "Ich möchte nicht in der Haut der Polizisten stecken."

Sebastian Striegel (42, Innenpolitischer Sprecher für die Grünen) äußerte sich bei der MDR Umschau zu dem tödlichen Unfall.
Sebastian Striegel (42, Innenpolitischer Sprecher für die Grünen) äußerte sich bei der MDR Umschau zu dem tödlichen Unfall.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Wie sollen sich Polizisten bei Verfolgungsfahrten verhalten?

Den Einsatzkräften bot sich ein schlimmes Bild.
Den Einsatzkräften bot sich ein schlimmes Bild.  © Heiko Rebsch/dpa

Was bei Verfolgungsfahrten in den Köpfen der Beamten vorgeht, versucht der Leipziger Polizeisprecher Chris Graupner im Beitrag zu beschreiben: "Stress und Adrenalin spielen eine Rolle." Da sich solche Situation nur sehr selten ereignen und immer anders ablaufen, können sie nicht geprobt oder ausgebildet werden: "Man kann sich nie wirklich drauf einstellen."

So müssen die Polizisten ständig abwägen: Soll die Verfolgung fortgesetzt oder abgebrochen werden?

Laut dem Unfallforscher Siegfried Brockmann gibt es keine Gesetze, die diese Entscheidung klar regeln. "Die Polizisten sind alleingelassen mit der Frage", erklärt er. "Es ist halt immer sehr vom Einzelfall abhängig."

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Auch Sebastian Striegel sieht die Grundverantwortung nicht bei den Beamten, sondern beim Falschfahrer, wünscht sich aber von den Behörden konkrete Lösungen, um weitere tragische Unfälle in Zukunft verhindern zu können.

Im Fall vom 15. Dezember ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Polizisten, die den 57-Jährigen in falsche Richtung auf die A38 folgten. Der Anfangsverdacht: Straßenverkehrsgefährdung.

Titelfoto: Heiko Rebsch/dpa

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