Waggonbau Niesky: Wurde der Traditionsbetrieb "entkernt"?

Das Eisenbahnwerk in Eberswalde gehörte auch der Quantum. Allerdings nur für drei Monate.
Das Eisenbahnwerk in Eberswalde gehörte auch der Quantum. Allerdings nur für drei Monate.  © dpa/Patrick Pleul

Niesky - Das Defizit beim insolventen Waggonbau Niesky (WBN) liegt im zweistelligen Millionenbereich. Es entspricht in etwa dem Umfang, den der aktuelle Produktionsauftrag hat. Inzwischen gibt es Stimmen, die die Seriosität der bisherigen Eigentümer bezweifeln.

Die Lage ist verfahren. Zwar reichen die Aufträge von WBN bis 2020, aber es fehlt Kapital. Nun wird bekannt: die fehlende Summe soll 42 Millionen Euro betragen. Das ist fast genau der Auftragsumfang, den die Waggonbauer zur Zeit für die Schweizer Firma Wascosa abarbeiten.

Dazu passt, dass sich der laufende Betrieb größtenteils durch Anzahlungen der Kunden finanziert, wie Insolvenzverwalter Jürgen Wallner mitteilte. Und gestern sagte ein Wallner-Mitarbeiter: "Es laufen Gespräche mit den wichtigsten Kunden, um die Betriebsfortführung abzusichern."

Parallel tauchen Vorwürfe an den bisherigen Eigener, die Quantum Capital Partners, auf. Die Münchner würden Firmen systematisch entkernen, heißt es aus Kreisen der IG Metall.

Das sei zuletzt schon beim Eisenbahnwerk Eberswalde (EBW) passiert, was Quantum seit Januar 2017 gehörte, und schon im März pleite ging. "Das Quantum-Engagement war von Anfang an nicht ehrlich und nicht durchfinanziert", so Andreas Schmidt von der Eisenbahnergewerkschaft. Zufall oder nicht: Der letzte EAW-Chef war bis Sommer auch Chef der WGN ...

Die Quantum hingegen lässt ausrichten, man habe in Niesky immer genug Geld zur Verfügung gestellt. Zum EBW will man sich noch äußern.

In Sachsen fehlen bald 200.000 Arbeitnehmer

In Sachsen gibt es nicht nur mehr als 30.000 freie Jobs, die sofort besetzt werden könnten. In den kommenden Jahren fallen auch massenhaft lokale Arbeitnehmer weg.

"Wir werden bis 2025 rund 214.000 Leute verlieren", sagt Klaus-Peter Hansen (55), Chef der Landesarbeitsagentur. "Das entspricht rund 8,5 Prozent der Menschen im arbeitsfähigen Alter."

Hintergrund: Der Bevölkerungsanteil dieser Gruppe (15 bis 65 Jahre) sinkt von 2,5 Millionen auf 2,3 Millionen. Dafür legen jeweils die Altersgruppen unter 15 (+1,4 Prozent) und die der Menschen über 65 (+9,6 Prozent) zu. Insgesamt sinkt die Zahl der Gesamtbevölkerung bis 2025 um 2,7%, so die Prognosen.

Hansens Rezept: mehr Arbeitskräfte aus Tschechien und Polen. Schon jetzt würden, wie beim Felgenhersteller Borbet in Görlitz-Kodersdorf, Firmen ohne Leute von dort nur schwer Aufträge bewältigen.

Der deutsche Arbeitskräftemangel schlägt übrigens bis 2025 am meisten im Erzgebirgskreis zu Buche (19,3 Prozent).

Trotz Pleite wird die
Produktion in Niesky
fortgesetzt.
Trotz Pleite wird die Produktion in Niesky fortgesetzt.  © Ralf Hirschberger
Braucht dringend Kapital: WGN-Chef Eduard Janßen.
Braucht dringend Kapital: WGN-Chef Eduard Janßen.

Titelfoto: dpa/Patrick Pleul, PR