TK-Studie: Die häufigsten Gründe, krank zur Arbeit zu gehen

Hamburg - Viele deutsche Arbeitnehmer wählen den Weg zum Arzt nur als letzten Ausweg und gehen lieber zur Arbeit, auch wenn sie sich eigentlich krank fühlen. Die Techniker Krankenkasse hat in einer Studie zum Präsentismus nun mögliche Gründe dafür ermittelt.

Die TK ist eine der größten deutschen Krankenkassen und hat für die Erhebung über zwei Jahre hinweg mehr als 11.000 Personen befragt.
Die TK ist eine der größten deutschen Krankenkassen und hat für die Erhebung über zwei Jahre hinweg mehr als 11.000 Personen befragt.  © 123rf/nx123nx

Wer nie beim Arzt war und keine Diagnose bekommen hat, ist ja auch eigentlich nicht krank. Oder? Was in Zeiten von Corona und Grippe-Welle unvorstellbar klingt, kommt noch immer häufiger vor, als man es sich vorstellen mag. So beschreibt die Denkweise "Wo kein Kläger, da kein Richter" wohl am besten die Grauzone zwischen 100-prozentigem Gesundheitszustand und der offiziellen Krankschreibung des Hausarztes.

Von 2018 bis 2021 hat die TK für die Studie "Präsentismus in einer zunehmend mobilen Arbeitswelt" dazu mehr als 11.000 Beschäftigte aus 43 Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen befragt.

Das Wort Präsentismus beschreibt den Umstand, dass Beschäftigte trotz Krankheit arbeiten, und kann vom Arbeiten mit leichten Krankheits-Symptomen bis hin zu schwerwiegenden Beschwerden reichen.

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Das betreffe laut den Ergebnissen der TK-Studie etwa ein Viertel der deutschen Arbeitnehmer (23,5 Prozent), die trotz Krankheit häufig oder sehr häufig wie gewohnt den Arbeitstag absolvieren. 28,4 Prozent nehmen sogar Medikamente ein, um trotz Krankheit arbeiten zu können!

Wird bei besonders schweren Symptomen dann doch der Arzt aufgesucht, entscheiden sich immer noch 15 Prozent, die Arbeit der Genesung vorzuziehen, vor allem, so die TK, wenn sie zufrieden in ihrem Job sind. Auch wenn das nicht die Regel für jeden von uns ist, so neige doch jeder Zweite (58,1 Prozent) dazu, mindestens gelegentlich krank zur Arbeit zu erscheinen.

Viele verstehen im Hinblick auf die endlich abklingende Pandemie sicher, dass es viele Arbeitnehmer gibt, die jetzt wieder durchstarten wollen oder aufholen wollen, was sie vielleicht während des Lockdowns verpasst haben.

Dennoch ist dieser Trend besorgniserregend. Trotz gesundheitlicher Probleme zu arbeiten, sei laut der TK Selbstgefährdung.

Relevante Faktoren

Beschäftigte im Alter von 30 bis 39 Jahren sind wahre Arbeitstiere und arbeiten am häufigsten trotz Krankheit.
Beschäftigte im Alter von 30 bis 39 Jahren sind wahre Arbeitstiere und arbeiten am häufigsten trotz Krankheit.  © Screenshot: TK/Studie Präsentismus

Relevant für die individuelle Entscheidung, sich zu Hause auszuruhen oder doch zu arbeiten, sind unter anderem neben der Größe des Unternehmens (in mittelständischen Unternehmen gehen 11 Prozent der Beschäftigten nie krank zur Arbeit, während es bei Unternehmen ab 500 bis 1000 Mitarbeitern schon mehr als doppelt so viele sind),

die Position innerhalb des Unternehmens (50,3 Prozent der Beschäftigten ohne Führungs- und Personalverantwortung bleiben bei Abraten des Arztes zu Hause, Mitarbeiter mit Führungs- und Personalverantwortung nur zu einem Drittel (31,3 Prozent)),

die Anstellungsart (Beschäftigte mit unbefristeten Verträgen (43,9 Prozent) kurieren sich eher aus als Beschäftigte mit Befristung (32, 5 Prozent)),

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die Möglichkeit zum Homeoffice (nur 4,1 Prozent der Beschäftigten ohne Homeoffice-Möglichkeit gehen trotz Abraten des Arztes arbeiten, bei mindestens vier Tagen Homeoffice sind es schon 14,8 Prozent)

und das Alter (mit zunehmendem Alter wird bei Krankheitssymptomen im Schnitt seltener zur Arbeit gegangen).

Auch die Betriebszugehörigkeit, die Art der Krankheitssymptome und das Geschlecht würden laut Studienergebnissen eine Rolle spielen. So neigen Männer (42,1 Prozent) seltener zu Präsentismus als Frauen (57,9 Prozent).

Bei Fieber und Durchfall/Erbrechen bleiben deutsche Arbeitnehmer am ehesten zu Hause.
Bei Fieber und Durchfall/Erbrechen bleiben deutsche Arbeitnehmer am ehesten zu Hause.  © Screenshot: TK/Studie Präsentismus

Gründe für das Arbeiten trotz Krankheit

Im Homeoffice wird trotz Krankheit häufiger als im Büro auf eine Pause von der Arbeit verzichtet. (Symbolfoto)
Im Homeoffice wird trotz Krankheit häufiger als im Büro auf eine Pause von der Arbeit verzichtet. (Symbolfoto)  © 123rf/ipheung

Für die Umfrage hat die TK den Teilnehmern 20 mögliche Antworten vorgegeben, um Gründe für ihr Präsentismus-Verhalten anzugeben.

Die fünf häufigsten sind reine Freude an der Arbeit, Pflichtgefühl aufgrund dringender Arbeiten und Termine, Rücksicht auf Kollegen, denen man durch das eigene Fehlen nicht zur Last fallen möchte, ein fehlender Vertreter für die eigenen Arbeiten oder weil man seine Krankheit als nicht ansteckend beurteilt.

Die meisten AU-Tage haben übrigens Mitarbeiter im Bereich der Handwerks-, Verkehrs- und Lagerberufe, wobei hierbei auch Verletzungen durch Unfälle eine erhebliche Rolle spielen. Aber im Gegensatz zu körperlichen Verletzungen, bei denen nur 34,8 Prozent weiterarbeiten, geht jeder Zweite (51,4 Prozent) trotz emotionaler Erschöpfung weiterarbeiten. Ein Indiz darauf, dass psychische Erkrankungen noch immer nicht so ernst genommen werden wie körperliche.

Die TK geht davon aus, dass nur gut ein Viertel aller Beschäftigten von ihrem Arbeitgeber ausreichend über das Thema "Arbeiten trotz Krankheit" aufgeklärt worden sei.

Die Techniker Krankenkasse hat deshalb eine klare Handlungsempfehlung als Ansatz: Mitarbeiterbefragungen und Gesundheits-Screenings von Beschäftigten können helfen, Präsentismus-Verhalten zu identifizieren und Betroffene zu unterstützen. Der Ausbau der persönlichen Gesundheitskompetenz müsse zukünftig im Fokus der Unternehmen stehen.

Titelfoto: 123rf/nx123nx

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