Herzlose Problembewältigung: Amt will Sitzbank abbauen, auf der ein Obdachloser schläft

Oschatz - Es ist nur eine Bank, doch plötzlich steht eine Kleinstadt kopf. Seit zwei Wochen schläft der obdachlose Jens Kloß (56) im Bushäuschen an der Dresdener Straße in Oschatz (14.000 Einwohner). Jetzt soll eben diese Haltestellen-Bank verschwinden. Von Amts wegen. Immer mehr Menschen empören sich darüber. Wie herzlos kann eine Behörde sein?

Jens Kloß (56) ist eigentlich Lokrangierführer. Seitdem er auf der Straße wohnt, ist es noch schwieriger mit einem Job.  © EHL Media/Dietmar Thomas

Alles begann am 24. Oktober mit einer Rathaus-Mitteilung: "In der kommenden Woche wird die Sitzbank in der Bushaltestelle gegenüber der Zufahrt zur Hospitalstraße demontiert. Dabei handelt es sich um eine temporäre Maßnahme."

Es folgte eine Welle der Empörung. Denn die Vermutung liegt nahe, dass sich die Behörde mit dem Bankabbau eines unansehnlichen Problems entledigen will.

Schließlich nutzt Jens die überdachte Haltestelle samt Bank derzeit als Übernachtungsstätte.

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"Bank entfernen, um Obdachlosen zu entfernen ... Pfui, schämt euch", poltert ein Nutzer in den sozialen Medien.

"Anstatt man den Menschen hilft, macht man ihr Leben noch schwerer", schimpft ein anderer.

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Erst am Montag kamen zahlreiche Menschen zusammen, um mehr über das Problem zu erfahren.  © Tafel Oschatz/Cindy Friedrich

Tafel versucht zu vermitteln

Die Oschatzer Tafel-Chefin Birgit Friedrich (57) versucht, das Problem zu lösen.  © Montage: Tafel Oschatz/Cindy Friedrich

Im Rathaus versucht man, die Wogen zu glätten, stellt auf TAG24-Nachfrage klar: "Die in der Mitteilung thematisierte Bank wurde bislang nicht demontiert."

Und weiter: "Das Thema des obdachlosen Mannes, der seit circa 14 Tagen einen Fahrgastunterstand als dauerhafte Lager- und Schlafstätte nutzt, ist uns bekannt."

Man habe Hilfe angeboten, doch diese sei von dem älteren Herrn abgelehnt worden. Das sieht Jens Kloß anders.

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Der 56-Jährige, der seine Eigentumswohnung verlassen musste, gibt zu, auf der Straße zu leben: "Ja, ich schlafe auch nachts hier. Es wird langsam kalt, aber es ist noch annehmbar. Die Stadt Oschatz begeht drei Fehler: Der erste ist gesundheitsgefährdend, der zweite menschenunwürdig und der dritte verstößt gegen die Menschenrechte."

Indes versucht auch die Tafel, zu vermitteln. "Wir wollten einfach Ruhe reinbringen. Es bringt ja nichts, den Mann einfach auf eine andere Bank zu setzen", so Tafel-Chefin Birgit Friedrich (57).

Ihre Tochter und Tafel-Kollegin Cindy Friedrich (37) ergänzt: "Der Mann möchte gesehen werden und auf die Problematik aufmerksam machen."

Die Geschichte einer Bank, die Oschatz spaltet, ist also noch nicht zu Ende.

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