Abschied zwischen Frust und Klartext: BSW-Chefin Sabine Zimmermann übergibt ihr Amt
Sachsen - Sabine Zimmermann (66) steht an der Spitze der BSW-Fraktion im Sächsischen Landtag. Die Vollblutpolitikerin aus Südwestsachsen gestaltet seit 35 Jahren deutsche Politik. Zum Ende des Jahres hat sie nun ihren Rückzug angekündigt. Die langjährige Gewerkschafterin zollt damit einer Krankheit Tribut, die ihr die Kraft raubt. Im Scheiden findet sie klare Worte. Im Interview mit TAG24-Redakteurin Pia Lucchesi erklärt Sabine Zimmermann, was aus ihrer Sicht in Sachsens alles anders angepackt werden sollte.
TAG24: So emotional wie während der letzten beiden Landtagssitzungen hat man Sie selten gesehen. Ihnen waren abwechselnd Wut, Zorn und Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Was hat Sie alles erregt?
Sabine Zimmermann: Ich habe nicht verstanden, wie sich die Linke so aufgeben kann. Es fällt schon langsam auf, dass die Linke immer häufiger mit den Grünen die Mehrheiten für die Minderheitsregierung von CDU und SPD beschafft, selbst wenn es gegen die eigenen Überzeugungen ist. Es ist jetzt eindeutig, wer hier die regierungsnahen Fraktionen sind. Nämlich die Linken und die Grünen. Wobei sich die Grünen noch etwas zieren, dass so offen zu machen.
TAG24: Warum geht Ihnen das nah?
Weil so die Probleme der Bürgerinnen und Bürger nicht gelöst werden und deshalb die AfD immer stärker wird. Die Linken und die Grünen kippen ständig um und geben ihre Werte auf. Die AfD biedert sich bei der CDU an, damit sie toleriert wird und irgendwie in eine Regierung mit der Union kommt. Das merkt man hier ganz deutlich. Die einzige Opposition sind eigentlich nun noch wir - das BSW.
TAG24: Die Abstimmung zum Reformstaatsvertrag vergangene Woche im Landtag war ein Krimi zur Primetime.
Das war schlimm. Der Vertrag ist schlecht. Vieles darin hätte geändert werden müssen. Wir sehen, dass viele Menschen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk unzufrieden sind, weil nicht ausgewogen berichtet wird. Dieser Vertrag ändert daran nichts. Die Gebührenzahler wollen aber, dass alle Meinungen zu Wort kommen. Das wollten wir durchsetzen. Wir dachten, die Linke will das auch. Im Endeffekt hat die Linke aber zugestimmt.
"Wenn die CDU so weitermacht, dann rollt sie der AfD den roten Teppich aus"
TAG24: Sie sagen, Sachsen wird jetzt von einer ganz, ganz großen Koalition regiert. Höre ich da Enttäuschung, weil das BSW nicht mit am Regierungstisch sitzt?
Nein! Es war definitiv die richtige Entscheidung, die Sondierung für eine Regierung mit CDU und SPD zu beenden. Wir haben bei den Gesprächen keinen Willen zu Veränderungen erkannt. In so einer Regierung hätten wir immer am Katzentisch gesessen. Betrachten wir einmal nur den Kürzungshaushalt, der beschlossen wurde mit den Stimmen von Grünen und Linken. Der bringt keine Veränderungen in den Bereichen Pflege, medizinische Versorgung, Bildung und innere Sicherheit - dem konnten wir nicht zustimmen. Die Kommunen sind die Verlierer dieses Haushaltes. Das ist fatal, denn die brauchen dringend Geld. Das Leben der Menschen findet in den Kommunen statt. Wenn die Menschen dort unzufrieden sind, nützt das keinem - nur der AfD. Und das kann der CDU doch nicht recht sein.
TAG24: Sie machen sich Sorgen um die Christdemokraten?
Ich mache mir Sorgen um die Menschen in unserem Freistaat und um die Demokratie. Wenn die CDU so weitermacht, dann rollt sie der AfD den roten Teppich aus. Die CDU wird immer schwächer. Sie hatte mal die absolute Mehrheit im Landtag. Die CDU sollte mal darüber nachdenken, was sie falsch macht. Sie lässt sich von der SPD über den Tisch ziehen.
TAG24: Was muss die CDU Ihrer Ansicht nach anders machen?
Sie muss eine völlig andere Strategie fahren. Statt Sachsen kaputtzusparen, viel mehr Investitionen in Infrastruktur, in Bildung und Forschung vornehmen und vor allem die Kommunen auskömmlich finanzieren.
"Wollen keine ideologischen Debatten im Landtag, sondern Lösungen für die Probleme der Bürger"
TAG24: Im Landtag hat Ihre BSW-Fraktion zuletzt bei mehreren Entscheidungen mit der AfD gestimmt. Wie nah sind sich BSW und AfD?
Wir sind uns nicht nah. Wir schauen bei den Abstimmungen genau auf die Inhalte, wenn es unseren politischen Überzeugungen entspricht. Wir wollen keine ideologischen Debatten im Landtag, sondern die Lösung der Probleme für die Bürger. Außerdem zeigt es sich, dass die Ausgrenzung die AfD immer stärker macht.
TAG24: Wie könnte man Ihrer Meinung nach die AfD stellen?
Nur durch inhaltliche Debatten. Die AfD ist eine rechtsextreme Partei und in vielen Bereichen rassistisch. Das muss deutlich gemacht werden.
TAG24: Gestatten Sie zum Schluss noch zwei persönliche Fragen. Sie haben angekündigt, zum Ende des Jahres den Fraktionsvorsitz abzugeben. Wird man Sie vor Weihnachten das letzte Mal auf den Landtagsfluren sehen?
Wir sind dabei, in der Fraktion meine Nachfolge zu regeln. Dieser Prozess wird bis zum Januar dauern. Ich werde danach mein Mandat niederlegen. Der Fraktion werde ich, wenn es gewünscht ist, weiterhin als Beraterin zur Verfügung stehen.
TAG24: Worauf freuen Sie sich, wenn Sie an Ihren Ruhestand denken?
Ich freue mich auf meine sieben Enkel. Aber ehrlich gesagt fällt mir der Abschied aus der Politik sehr, sehr schwer.
Lange Jahre saß sie als Linke im Bundestag
Sabine Zimmermann wurde 1960 in Pasewalk geboren, wohnt heute in Werdau.
Die studierte Baustoffingenieurin arbeitete zu DDR-Zeiten im VEB Ziegelwerke Karl-Marx-Stadt. Von 1992 bis 2018 war sie beim DGB Sachsen Gewerkschaftssekretärin.
2004 zog Zimmermann für die Partei die Linke als Nachrückerin in den Sächsischen Landtag ein. 2005 bis 2021 gehörte sie dem Bundestag an.
Sabine Zimmermann zählt zu den Vertrauten von Sahra Wagenknecht. Die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag gründete nach ihrem Bruch mit der Partei 2024 das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Zimmermann leistete Aufbauarbeit für diese Partei in Sachsen.
Das BSW hielt 2024 mit 15 Abgeordneten Einzug in den sächsischen Landtag. Es bildet da die drittgrößte Fraktion nach CDU und AfD.
Titelfoto: Thomas Türpe

