Alles für die Katz?! Schutzverordnung für stromernde Fellnasen könnte endlich kommen
Sachsen - Sachsen mögen Katzen. In jedem vierten Haushalt lebt mindestens ein Stubentiger, der gehegt und gepflegt wird. Unter diesen rund 700.000 Tieren gibt es circa eine halbe Million Freigänger. Etwa 150.000 dieser privilegierten Katzen sind nicht kastriert. Das stellt ein großes Problem dar aus Sicht des Tierschutzes, denn diese Samtpfoten setzen immer wieder unheilvolle Reproduktionsketten in Gang: Katzen als Täter und Opfer.
Eine sächsische Katzenschutzverordnung könnte da Abhilfe leisten. Nach Jahren scheint es, als wäre die Landespolitik nun bereit zu handeln.
Willow leckt dankbar die Hände von Susann Scheibner (54). Es scheint, als wüsste der kleine Kater, dass er der zupackenden Stollbergerin sein Leben zu verdanken hat.
"Willow bestand aus Haut und Knochen, war krank, unterkühlt und dehydriert, als er zu uns ins Tierheim gebracht wurde", erzählt Scheibner. Mehr als 210 Fundkatzen nahm allein diese Einrichtung in diesem Jahr bereits auf.
Liebevoll streichelt die Mittfünzigerin das tierische Findelkind. Seit Wochen schon päppelt Susann Scheibner die Fellnase auf. Das Tier frisst jetzt wieder. Sein Fell glänzt. Neugierig erkundet es die Welt. "Ich ziehe es auf, damit es später in gute Hände abgegeben werden kann", sagt die Leiterin des Stollberger Tierheims "Waldfrieden".
Willow hatte großes Glück im Unglück - geschätzte 100.000 herrenlose Katzen in Sachsen haben das nicht. Nur jede 100. Streunerkatze kann als gesund bezeichnet werden.
Jede zweite quälen ernsthafte (aber heilbare) Krankheiten. Fünf Prozent der Streuner stehen dem Tode näher als dem Leben. Susann Scheibner ist überzeugt: "Mit einer Katzenschutzverordnung könnte dieses Elend der Tiere im Land beendet werden."
Sachsen ist das einzige Bundesland ohne eine landesweit geltende Regelung
Katzenschutzverordnungen setzen dem Tierschutz verbindliche Leitplanken. Typischerweise bestehen diese aus einer Kastrationspflicht für Katzen mit Freigang sowie einer Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht. Letztere ermöglicht es, Fundtiere schnell Besitzern zuzuordnen. Das erleichtert Kommunen, Tierschutzverbänden und -heimen erheblich die Arbeit.
"Eine Katzenschutzverordnung richtet sich nicht gegen Haustiere und ihre Halter, sondern unterstützt den Schutz wildlebender Tiere verschiedenster Arten und Lebensräume", betont Sachsens NABU-Vorsitzende Maria Vlaic. Erfahrungen anderer Bundesländer zeigen, dass solche Maßnahmen binnen weniger Jahre Entlastung schaffen und die Zahl verwilderter Katzen stabilisieren oder senken können.
Sachsen ist das einzige Bundesland ohne eine landesweit geltende Regelung. Jenen Kommunen (wie zum Beispiel Eibenstock), die das Problem mit eigenen Satzungen angehen wollen, werden von übergeordneten Behörden Steine in den Weg gelegt.
Der Naturschutzbund (NABU) und die hiesige Opposition - vor allem die Partei Die Linke - machen seit Jahren Druck, dass dieses Thema angegangen wird.
Daten zu freilaufenden Katzen werden in Sachsen gesammelt
Immerhin: Sachsen gab 2024 knapp 447.000 Euro zur Kastration von Fundkatzen dazu.
Sachsens CDU-SPD-Minderheitskoalition hat zumindest Handlungsbedarf anerkannt und dazu eine Passage im Koalitionsvertrag. Seit August 2025 liegt dem Landtag ein Antrag der Linken vor, der die Aufstellung einer Katzenschutzverordnung für den Freistaat fordert. Die Linken-Fraktionschefin im Landtag Susanne Schaper (47) fordert: "Der Freistaat muss sich endlich seiner Verantwortung stellen." Für Tierhalter, die Kennzeichnung und Kastration partout nicht bezahlen können, schlägt sie einen Härtefallfonds vor.
"Katzen kastrieren lassen ist gelebter Tierschutz", sagt Sachsens Tierschutzbeauftragte Carina Heinrich (47, SPD). Sie kündigt für 2026 eine Aufklärungskampagne an, außerdem Ergänzungen der rechtlichen Regelungen (Fundkatzen-Erlass).
Derzeit werden die Voraussetzungen dafür geprüft. Es sollen Daten zu freilaufenden Katzen in Sachsen gesammelt werden. Allerdings: Mit einem Gesetz ist nicht vor 2027 zu rechnen.
So extrem schnell pflanzen die Tiere sich fort
Das Problem mit den streunenden Katzen wird noch verständlicher, wenn man emotionslos die nackten Zahlen betrachtet: Weibliche Katzen werden in der Regel im Alter von etwa sechs bis acht Monaten geschlechtsreif (Kater meist acht bis zehn Monate).
Rolligkeit nennt man die Phase im Jahr, in der weibliche Katzen fortpflanzungsbereit sind. Die sexuelle Empfänglichkeit hält ein paar Tage an und wiederholt sich im Allgemeinen alle drei Wochen.
Eine Katze kann pro Jahr bis zu fünf Würfe mit jeweils etwa vier bis sechs Kätzchen großziehen, die wiederum nach circa einem halben Jahr selbst für Nachwuchs sorgen.
Angenommen, eine Katze bringt im ersten Lebensjahr zwölf Junge zur Welt: Diese Katze und ihre Nachkommenschaft können binnen drei Jahren 487 Katzen in die Welt setzen.
Im fünften Jahr werden daraus 19.073 Katzen. Nach zehn Jahren können - rein rechnerisch - so aus einer einzigen unkastrierten Katze rund 200 Millionen Nachkommen entstehen.
Für Vögel sind Katzen eine Bedrohung
Freilaufende Katzen stellen mit ihrem angeborenen Jagdtrieb eine Gefahr dar für Wildvögel, Nager, Amphibien und Kleinsäuger.
Naturschützer und Jäger betrachten Katzen heute schon als invasive und für die heimische Tierwelt kritische Art.
Die Leipziger Wildvogelauffangstation setzt Katzen gar auf Platz drei der Gründe, warum Vögel in Not geraten.
Die Dresdner Tierärztin Dr. Katja Stolzenberg versucht in ihrer Praxis für das Thema zu sensibilisieren. Sie rät: "Hauskatzen, die Ausgang haben, sollten am Halsband ein Glöckchen tragen."
Titelfoto: Bildmontage: IMAGO/Funke Foto Services, picture alliance / ROBIN UTRECHT

