Dramatische Worte wegen der Pleite-Haushalte: Bürgermeister und Landräte warnen vor Systemversagen

Dresden - Es waren schallende Ohrfeigen für die Landesregierung. Vor der Enquete-Kommission des Landtags zu den Kommunalhaushalten haben Vertreter von Städten und Landkreisen den Abgeordneten die Brisanz der finanziellen Lage im Lande mit drastischen Worten erklärt. Der Tenor: Sachsen droht in ein Systemversagen hineinzulaufen!

Im sächsischen Landtag ging es am Montag hart zur Sache. Vor der Enquete-Kommission berichteten Kommunalpolitiker als Sachverständige über die finanzielle Misere in Städten und Landkreisen.  © Robert Michael/dpa

Rund zwei Stunden lang rechneten die Kommunalvertreter vor der Enquete-Kommission mit der aktuellen Finanzpolitik ab.

"Sachsens Kommunen mussten laut Kassenstatistik in ihren Haushalten zum zweiten Quartal 2025 ein Defizit von 871 Millionen Euro verzeichnen. Infolge dieser Vernachlässigung durch Bund und Land ist da zu erwarten, dass wir in diesem Jahr die Rekordmarke von minus einer Milliarde Euro Defizit in den kommunalen Kernhaushalten brechen werden", beschrieb Bischofswerdas OB Holm Große (58, parteilos) die Situation.

Städte und Landkreise hielten sich nur noch mit Kassenkrediten über Wasser.

Sachsen Sächsische Unterwäsche-Firma muss Insolvenz anmelden: Das sagt der Chef dazu

Beispiel Erzgebirgskreis: Wenn sich nichts ändere, werde die Zinslast allein für die 388 Millionen Euro an Kassenkrediten bis 2029 auf 9,1 Millionen Euro pro Jahr aufwachsen, erklärte Landrat Rico Anton (48, CDU). "Und jetzt raten Sie mal, wie wir die Zinsen für diese Kassenkredite finanzieren ... natürlich mit Kassenkrediten."

Die Pro-Kopf-Verschuldung habe sich im Erzgebirge allein in den letzten fünf Jahren auf 1000 Euro pro Person verzehnfacht, rechnete Anton vor. "Wir müssen aufpassen, dass wir da nicht in den Bereich eines Systemversagens hineinlaufen."

Anzeige
Prophezeit Sachsens Kommunen ein Milliarden-Defizit: Bischofswerdas OB Holm Große (58, parteilos).  © Steffen Füssel
Warnte vor einem drohenden Systemversagen: Erzgebirgs-Landrat Rico Anton (48, CDU).  © Uwe Meinhold

Chemnitz-OB Sven Schulze: "Regeln können nicht mehr eingehalten werden"

Beklagt Realitätsverlust in Ministerien: der Chemnitzer OB Sven Schulze (54, SPD).  © Maik Börner

Wie sich das konkret auswirkt, beschrieb Dippoldiswaldes Stadtchefin Kerstin Körner (54, CDU) anhand ihres Schwimmbades.

Während das Kultusministerium fordere, den Schwimmunterricht an Schulen zu verbessern, müsse die Stadt die kompletten Unterhaltskosten für das Bad allein tragen. "Wir haben versucht, immer wieder irgendwas reinzustecken, damit es eben noch funktioniert, aber irgendwann muss ich den Schlüssel rumdrehen. Ja, dann fällt der Schulschwimmsport für alle Gemeinden um uns herum weg, aber die 17 Millionen Euro aus reiner Nächstenliebe können wir nicht stemmen."

Harte Worte auch aus Chemnitz: "Wir finden in den Ministerien zum Teil Entscheidungsträger vor, die offenbar mit der Realität vor Ort nicht mehr so einen großen Kontakt haben, weil sie denken, es ist noch alles in Ordnung und wir müssen uns an die Regeln halten. Aber die Regeln können nicht mehr eingehalten werden, weil die Welt anders aussieht", kritisierte OB Sven Schulze (54, SPD) den politischen Realitätsverlust.

Sieht ohne finanzielle Hilfe keine Zukunft für den Schulschwimmsport in ihrer Region: Dippoldiswaldes OB Kerstin Körner (54, CDU).  © Montage: Holm Helis, picture alliance/dpa
Müssen auch die Kommunen bezahlen: Schulbegleiter für behinderte Kinder.  © picture alliance/dpa

Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew fordert Veto-Recht für Kommunen

Fordert ein Veto-Recht für Kommunen: Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew (54, CDU, M.).  © imago/Beautiful Sports

Das Problem: Vom Anspruch auf Schulbegleiter über die Eingliederungshilfe für Behinderte bis hin zur Hilfe bei der Pflege - die Politik drückt den Kommunen immer mehr Leistungen nach diversen Sozialgesetzbüchern auf, die sie teils allein zu bezahlen haben.

Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew (54, CDU) forderte deshalb ein Veto-Recht der Kommunen für Gesetze, denen Sachsen im Bundesrat zustimmen wolle, wenn die finanzielle Hauptlast die Kommunen trifft.

"Es kann nicht sein, dass man die Schuldenbremse im Landeshaushalt einhält, durch einen SMI-Erlass sämtliche Schuldentore der Kommunen öffnet und gleichzeitig die Fördermittel auf ein nie da gewesenes Minimum reduziert. Es muss endlich gelten: Wer bestellt, der bezahlt."

Mehr zum Thema Sachsen: