Vor 10 Jahren wurde sie entführt und ermordet - Im Namen einer Stiftung lebt Anneli (†17) weiter
Dresden - Am Mittwoch vor genau zehn Jahren ist Familie Riße das passiert, was andere Eltern hoffentlich nie erleiden müssen: Ihre Tochter Anneli wurde entführt. Obwohl sie die Lösegeldforderung auftreiben konnten, wurde Anneli am nächsten Tag ermordet. Mit TAG24 spricht ihr Vater Uwe Riße (67) über den Schmerz der letzten Jahre und das, was ihnen trotz allem Hoffnung gibt.
Alles in Kürze
- Anneli Riße wurde vor 10 Jahren entführt und ermordet.
- Die Familie erhielt eine Lösegeldforderung von 1,2 Millionen Euro.
- Trotz Zahlung des Lösegelds wurde Anneli erdrosselt.
- Die Täter wurden zu lebenslanger Haft bzw. 8,5 Jahren verurteilt.
- Die Familie gründete die Anneli-Marie-Stiftung zur Erinnerung an ihre Tochter.

Am 13. August 2015, es war 19.57 Uhr an einem lauen Sommerabend, klingelte Rißes Telefon.
Ein eingehender Anruf seiner Tochter, die zur täglichen Gassi-Runde mit Familienhündin Paula aufgebrochen war. Doch am anderen Ende meldete sich nicht die 17-Jährige zu Wort. Sondern eine Männerstimme mit verstelltem, polnischen Akzent.
Der Entführer forderte 1,2 Millionen Euro von der erfolgreichen Unternehmerfamilie, die sich über Jahre eine Baufirma samt Ingenieurbüro und inzwischen auch ein Weingut aufgebaut haben. Andernfalls würde man sie nach Polen verschleppen. Dank zweier Banken hatten die tüchtigen Rißes das Geld in Dresden auftreiben können. Doch da war es wohl schon zu spät.
"Bis zur Todesnachricht waren wir guter Hoffnung, unser Kind wieder im Arm halten zu können", sagt Uwe Riße zu TAG24. Dass sie tatsächlich ermordet werden könnte, "war außerhalb jeder Vorstellung".

Anneli wurde am 14. August 2015 erdrosselt

Doch die Täter Markus B. (damals 39), ein arbeitsloser Koch aus der Region, und Schrotthändler Norbert K. (damals 61) gaben sich ihr zu erkennen. Aus Angst, so auffliegen zu können, erdrosselten sie das Mädchen am 14. August 2015 auf einem leerstehenden Hof in Lampersdorf.
"Man denkt, man löst sich auf", schildert Riße den Tag der Nachricht. "Man platzt. Man denkt, man muss selber diese Welt verlassen. Der Körper wird ein einziger Krampf. Das ist die Hölle."
Die eigene Zukunft, die Träume des Kindes, denn "Eltern haben ja Gott sei Dank die Eigenart, Träume ihrer Kinder zu träumen", das alles sei zerplatzt.
Ein gutes Jahr danach verurteilte das Landgericht Dresden Markus B. und Norbert K. zu lebenslänglicher bzw. achteinhalb Jahren Knast. Riße versucht, nicht zu häufig darüber nachzudenken, dass K. seine Strafe schon abgesessen hat. Wie erträgt das ein Vater, eine Mutter, eine Familie?
Annelis Eltern suchen Trost bei Freunden, Reisen und der Musik

"Das klingt vielleicht romanhaft", schmunzelt Riße, "aber die gegenseitige Liebe als Eheleute und zu unseren Kindern hat es uns ermöglicht, das zu ertragen". Die Familie fand Trost bei Freunden, Nachbarn, in der Musik, in Kunst und Reisen.
Trotzdem sei er extrem dünnhäutig geworden, sein Blutdruck schieße zu oft von zu niedrig auf deutlich zu hoch. Auch äußerlich merke er Veränderungen.
"Anneli war ein ganz aufgewecktes, dynamisches Wunschkind. Natürlich hat sie ihre Teenie-Macken gehabt. Aber für so eine junge Heranwachsende stand sie unglaublich fest im Leben, war vielseitig interessiert. Und unglaublich hübsch", erinnert sich Riße.
Und schluckt. "Man sucht natürlich eine Möglichkeit, das Andenken an das Kind wachzuhalten."
Anneli-Marie-Stiftung schenkt Kindern eine offene Welt

So gründete die Familie die "Anneli-Marie-Stiftung", eine von wenigen privaten Stiftungen in Sachsen, die ausschließlich gemeinnützig agieren. Und sich an den vielseitigen Hobbys Annelis orientiert.
"Das Kind ist aus einer Unternehmerfamilie herausgerissen worden", so Riße weiter. In dieser Welt könne nur der etwas geben, der etwas hat. Deshalb habe "derjenige, der etwas hat, weil er etwas geleistet hat, das Geleistete auch in den Dienst einer Gesellschaft zu stellen". Für ihn ist die Stiftung mehr als Erinnerung. Sie ist logisch.
Und so unterstützt die Familienstiftung heute Kinder und Jugendliche in der Region, bietet Klavierkurse, Schachstunden, Gesangsunterricht.
Bei einem Umsatz von mehreren Zehntausend Euro pro Jahr schenken sie so Hunderten Kindern in Sachsen das, was Anneli verwehrt blieb: eine bunte, wissbegierige, offene Welt.
Titelfoto: Montage: Ove Landgraf, Anneli-Marie-Stiftung