Vor 35 Jahren konstituierte sich der 1. Sächsische Landtag: Das ist seitdem alles passiert

Dresden - 35 Jahre ist es am kommenden Montag her, dass sich der 1. Sächsische Landtag konstituiert hat. Die Sitzung am 27. Oktober 1990 in der Dresdner Dreikönigskirche gilt vielen als Geburtsstunde des modernen Parlaments. Ein Rückblick auf die turbulente Anfangszeit, Sternstunden und Wendepunkte in der Geschichte dieser gewählten Volksvertretung.

Ein Foto der Dreikönigskirche von 1991. Der Sakralbau war von 1990 bis 1993 Sitz des Sächsischen Landtags.  © picture-alliance / ZB

Die eigentliche Geschichte des 1. Sächsischen Landtages beginnt bereits Wochen vor dem 27. Oktober. Nämlich am 3. Oktober 1990 auf der Albrechtsburg in Meißen. Am Tag der Deutschen Einheit wurde dort mit einem Festakt der Freistaat Sachsen wieder gegründet nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland.

Der Freistaat unterstand danach drei Wochen der Bundesverwaltung, denn er besaß zu diesem Zeitpunkt weder vom Volk gewählte Verfassungsorgane noch Landesgesetze oder ein Landesparlament. Die Wahlen zum Landtag fanden am 14. Oktober statt. Bei diesem Urnengang errang die CDU mit 92 Mandaten (53,8 Prozent) die absolute Mehrheit von 160 Parlamentssitzen.

Zweistärkste Partei wurde die SPD mit 32 Abgeordneten (19,1 Prozent). Die Linke Liste/PDS stellte 17 Landtagsmitglieder (10,2 Prozent). Das Bündnis, welches die Bürgerbewegungen und Oppositionsgruppen der DDR mit der westdeutschen Partei Die Grünen eingegangen waren, konnte zehn Mandate holen (5,6 Prozent).

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Die FDP zog mit neun Mitgliedern in den Landtag ein (5,3 Prozent). Das Wort Berufspolitiker kannten damals nur wenige: Die Mehrheit der frischgekürten Landtagsabgeordneten bestand aus Polit-Neulingen, die mit viel Optimismus und Schwung aus der Wendezeit durchstarten wollten.

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Blick auf das Plenum in der Dreikönigskirche.  © picture-alliance/dpa

Kurt Biedenkopf wurde Sachsens erster MP

Kurt Biedenkopf (CDU) bei seiner Vereidigung zum ersten sächsischen Ministerpräsidenten durch Erich Iltgen (CDU). Biedenkopf war Sachsens Regierungschef bis 2002.  © Imago/Sächsische Zeitung

Der frischgewählte Landtag trat in der Dresdner Dreikönigskirche zusammen. Abgeordnete von damals erinnern sich noch daran, dass die erste Sitzung leicht chaotisch ablief. Erst nachdem man sich auf eine vorläufige Geschäftsordnung verständigen konnte, war das Parlament arbeitsfähig.

Heftig rangen die 160 Parlamentarier auch anschließend um das "Gesetz zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit des Sächsischen Landtags". Dieses sogenannte Vorschaltgesetz brauchte man, um die Zuständigkeiten der Abgeordneten, des Landtagspräsidenten und des Ministerpräsidenten zu definieren, denn es gab ja noch keine Landesverfassung.

Die Mehrheit der CDU setzte aber ihre Interessen und Meinungen durch. In der ersten Sitzung wählte das Parlament Erich Iltgen (CDU) zu seinem Präsidenten. Kurt Biedenkopf wurde mit den Stimmen der Union zum Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen ernannt. Noch während dieser Sitzung vereidigte Iltgen Biedenkopf.

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Alexander Dierks (38, CDU) würdigt als Politologe und heutiger Landtagspräsident die Aufbauarbeit der Parlamentarier der ersten Stunde: "Was uns heute so absolut unstrittig erscheint, haben sich die Menschen in der Friedlichen Revolution 1989 erst mühsam erkämpft: Wir können uns in freien Wahlen zwischen politischen Bewerbern entscheiden und darauf vertrauen, dass die Ergebnisse wahrheitsgemäß zur Sitzverteilung im Parlament führen. Die Friedliche Revolution hat sich für die Menschen in Sachsen mit freien Wahlen und einem demokratischen Parlament vollendet."

Der heutige Landtag besteht aus einem Altbauteil, der in den späten Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts als Finanzamt entstand, und einem Neubau mit Plenarsaal. Der wurde 1994 eingeweiht.  © imago/C3 Pictures
Bei der Flut 2002 strömte die Weißeritz am Sächsischen Landtag vorbei in die Elbe.  © imago/Sylvio Dittrich
Das Parlament hat sich verkleinert im Vergleich zu 1990. Heute gehören ihm 120 Abgeordnete an.  © Robert Michael/dpa
Am 18. Dezember 2024 wählte der Landtag Michael Kretschmer (50, CDU) im zweiten Wahlgang erneut zum Ministerpräsidenten. Ehefrau Annett Hofmann gratulierte ihm.  © DPA/Robert Michael

Schiemann als Einziger noch heute dabei

Der letzte Mohikaner: Marko Schiemann (70, CDU).  © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Marko Schiemann (70, CDU) ist der einzige Abgeordnete, der seit Anbeginn dem Landtag angehört. "Ehrlich gesagt, hatte ich nicht geplant, so lange in der Politik zu bleiben", sagt der studierte Vermessungsingenieur heute.

Der Wahlkreis 56 in der Oberlausitz ist die politische Heimat des Konservativen. Im Landtag übernimmt Schiemann Verantwortung als stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für Verfassung, Recht und Europa sowie im Ausschuss für Inneres, Kommunales und Sport.

"Jede Zeit hat ihre Herausforderungen. Gleich ist nur geblieben, dass man sich jedem Problem stellen muss", sagt der Christdemokrat.

Im jungen Freistaat Sachsen spielte Marko Schiemann eine besondere Rolle: Von 1990 bis 1992 war er Verhandlungsführer und Sprecher der CDU-Fraktion zur Verfassungsgebung.

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Ausstellung zum Jahrestag

Kurt Biedenkopf teilte sich mit seiner Frau Ingrid nach dem Wahlsieg bei der Landtagswahl 1990 ein Bier.  © imago/Sven Simon

"35 Momente aus 35 Jahren" heißt eine sehenswerte Ausstellung, die derzeit im Bürgerfoyer im Sächsischen Landtag gezeigt wird.

Großformatige Fotos erinnern an historische Momente. So zeigt ein Foto Kurt Biedenkopf winkend zusammen mit seiner Frau Ingrid nach seiner Wiederwahl zum Ministerpräsidenten 1999 im Landtag.

Die Schau wird voraussichtlich bis Weihnachten zu sehen sein - wochentags von 8 bis 18 Uhr. Eintritt frei.

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