Vorsicht! Diese Garten-Mythen halten sich wie Unkraut
Dresden - Habt Ihr auch den sprichwörtlichen grünen Daumen und vielleicht sogar eine Parzelle in einem Kleingartenverein?

"182.000 Sachsen sind im Freistaat in Vereinen organisiert und bewirtschaften eine Gesamtfläche von 9000 Hektar", sagt Tommy Brumm (58), Präsident vom Landesverband Sachsen der Kleingärtner e.V.
Kommen zu jedem eingetragenen Mitglied Oma und Opa sowie Kind und Kegel dazu, spricht Brumm für sachsenweit rund 600.000 Gartenfreunde. Die geben ihre Erfahrungen aus Garten und Sparte von Generation zu Generation weiter.
Doch die Gartenarbeit ändert sich - durch Klimawandel oder das Eindringen neuer Schädlinge. Was gestern noch unbestrittene Praxis war, ist heute vielleicht längst überholt. Trotzdem werden viele längst veraltete Überlieferungen weitergegeben.
Legende oder Wahrheit? Eine Dresdner Garten-Fachexpertin klärt die acht hartnäckigsten Mythen, die unter eingefleischten und Möchtegern-Kleingärtnern kursieren. Hättet Ihr's gewusst?
Wer ist die Expertin?

Nicole Kramer (50) ist seit 2023 Expertin für Gartenfachberatung, Ökologie und Umwelt beim Stadtverband Dresdner Gartenfreunde e.V.
Regelmäßig steht sie bei der Messe Dresdner Ostern oder der Erlebniswelt Kleingarten auf der Fachberaterbühne, unterstützt Vereine bei Fragen rund um Gemeinschaftsflächen, Projektgärten und Gehölzen.
Kramer ist Mit-Initiatorin des Wettbewerbs "Natur sucht Kleingarten".
Sie hat im Kleingartenverein "Sommerfrische" einen eigenen Garten, wo sie ihre Ratschläge an andere selber umsetzt.
Gift-Mythos

1. Der Gift-Mythos: Viel Gift hilft viel.
Falsch. "Die meisten Gifte - und das betrifft auch selbst gebraute Jauchen und Brühen oder Hausmittel - sind im Klein- und Hausgarten unnötig", bekräftigt Kramer. Gifte schaden mehr, als sie nutzen, weil sie sich auch negativ auf Bodenorganismen, Aasfresser oder Bestäuber auswirken. "So hat sogar das 'gute' Schneckenkorn Nebenwirkungen auf Kröten und Frösche."
Kramers Tipp: Eine vielseitige Bepflanzung auch mit einheimischen Wildpflanzen und eine naturnahe Bewirtschaftung des Gartens mit Lebensraumangeboten für Gartentiere ist der beste Schutz gegen Schädlinge.
Helden-Mythos

2. Der Helden-Mythos: Für jeden Garten gibt es die perfekte Pflanze, man muss sie nur finden.
"Stimmt nicht", sagt Kramer. "Die perfekte Gartenpflanze gibt es nicht oder nur in Plastik oder nach dem Einsatz von Giften." Denn jede Pflanze wird angenagt, angeknabbert oder gefressen. "Da Kleingärtner im Gegensatz zu Gartenbauern nicht von ihren Erträgen leben müssen, können sie sich zum Beispiel auch Apfelmaden 'leisten', ohne sie gleich mit einem Gift bekämpfen zu müssen."
Kramers Tipp: "Natur einfach mal machen lassen - die kann das. Genießt Euren Garten mit allen Blattläusen und Jungspatzen, die sich darin gütlich tun!"
Spaten-Mythos

3. Der Spaten-Mythos: Nur ein umgegrabener Boden ist gut für Pflanzen.
"Das Umgraben ganz aufzugeben ist keine gute Idee", sagt Kramer. "Ein lockerer Boden mit vielen Bodenorganismen ist gut für Pflanzen." Gelegentliches Umgraben ist insbesondere bei schwerem, tonigem Boden, Humusarmut oder Verdichtungen anzuraten. Ansonsten reiche eine regelmäßige Zufuhr von Humusmaterial wie Kompost und Mulch, um den Boden locker zu halten.
Kramers Tipp: Gründüngung. "Erst der hohe Humusanteil im Boden sorgt dafür, dass der Boden lediglich mit einer Lockerung durch Grabegabel oder Sauzahn auskommt und das Bodenleben genährt wird."
Gieß-Mythos

4. Der Gieß-Mythos: Wer Pflanzen in der Sommerhitze gießt, riskiert bei ihnen Sonnenbrand.
"Richtig, Sonnenbrand auf Blättern, Blüten und Früchten ist kein Mythos, sondern Tatsache", bestätigt Kramer. Zudem sei Gießen in der Hitze des Tages Wasserverschwendung. "Dabei verdunstet ein erheblicher Teil des Wassers, bevor es überhaupt die Wurzeln erreichen kann."
Deshalb gilt: Die im Hochsommer knappe Ressource Wasser gehört immer direkt an die Wurzeln, niemals auf die Pflanzen. Gießwasser muss tief in den vorher aufgelockerten Boden eindringen können. Nicht zu viel auf einmal gießen, damit der Boden das Wasser auch aufnehmen kann.
Kramers Tipp: Damit die Bodenfeuchtigkeit einige Tage erhalten bleibt, sollte der Boden danach gehackt werden.
Frühjahrs-Mythos

5. Der Frühjahrs-Mythos: Der Frühling ist der ideale Zeitpunkt zum Pflanzen.
"Falsch, die Frühjahre sind zunehmend von Trockenheit und schnell ansteigenden Temperaturen geprägt. Gepflanzt werden sollte aber dann, wenn der Boden ausreichend feucht ist", klärt Kramer auf. Damit verschiebt sich die Pflanzsaison für Stauden und Gehölze in die Wintersaison, solange der Boden frostfrei ist. "Dies gilt natürlich nicht für wärmeliebende Gemüsesetzlinge, die allerdings erst nach den Eisheiligen in die Beete dürfen."
Herbst-Mythos

6. Der Herbst-Mythos: Im Herbst geht der Garten schlafen.
"Stimmt nicht. Die Herbste werden wärmer und dauern länger an. Damit verlängert sich die Gartensaison", weiß die Expertin. "Das kann zum Anlegen neuer Staudenbeete oder eines Gemüsegartens genutzt werden." Bei guter Planung sei eine zweite oder sogar dritte Belegung der Beete möglich, wenn die Aussaat im August oder spätestens bis Anfang September erfolge. Neben den klassischen Wintergemüsen profitieren vor allem Salate, später Blumenkohl oder Fenchel, aber auch Asia-Salate und Pak Choi vom noch warmen Boden.
Kramer: "Sommergemüse wie Freilandpaprika oder Auberginen bringen im Herbst die höchsten Erträge und können bis zum ersten Frost stehen."
Winterschlaf-Mythos

7. Der Winterschlaf-Mythos: Auch Tiere halten später Winterruhe.
Nein. "Insekten und Gartentiere folgen ihrem eigenen Rhythmus, der durch höhere Temperaturen noch wenig beeinflusst wird", weiß Kramer. Deshalb bei Gartenaktivitäten im Herbst unbedingt daran denken, dass die Tiere sich bereits zurückgezogen haben und ihre Winterquartiere aufgesucht haben können. "Wer dann den Garten aufräumt oder Laub wegräumt, stört die Tiere in ihren bereits gefundenen Verstecken - oder sie finden keine mehr."
Kramers Tipp: Stängel und Blätter auf dem Boden belassen. Die natürliche Decke schützt die Tiere zudem gegen Kahlfröste. Nach der Frostperiode ist jedes Samenkorn und Insekt, das den Winter überlebt hat, willkommenes Futter für Vögel und Kleintiere während und nach dem Winter.
Herbstschnitt-Mythos

8. Der Herbstschnitt-Mythos: Im Herbst sollten Sträucher geschnitten werden.
Falsch. Im Herbst gilt: Schere wegräumen! Kramer: "Bäume und Sträucher sollten wegen erhöhter Aktivität von Mikroorganismen im Herbst nicht geschnitten werden." Die gehe zum Beispiel von sich zersetzendem Herbstlaub und Pilzsporen in der Luft aus, die Mikroorganismen gelangen beim Gehölzschnitt immer auf die Schnittwunden und infizieren das Pflanzengewebe.
Titelfoto: imago/Westend61