(Homofeindliche) WM für alle! Bierhoff: "Wie konnte die FIFA die Vergabe in dieses Land geben?"
Katar - Fragwürdige Vergabe, Verlegung in den Winter, Tausende tote Arbeiter: Die am 21. November beginnende Fußball-WM in Katar wirft seit Längerem seine Schatten voraus. Aber auch die Menschenrechte - darunter die queerer Personen - sind immer wieder Thema. Nun haben Mitglieder der LGBTIQ+-Community im TV über ihre schlimmen Erfahrungen im Emirat gesprochen. Und auch Oliver Bierhoff (54) positioniert sich klar.
"Rote Karte statt Regenbogen - Homosexuelle in Katar" heißt ein RTL Nachtjournal Spezial, das der Kölner Privatsender in der Nacht zu Donnerstag um 0.20 Uhr ausstrahlt.
RTL-Reporter wie der stellvertretende Ressortleiter Sport Timo Latsch (45) sprachen darin verdeckt mit Betroffenen, aber auch mit Offiziellen und dem ersten offen homosexuell lebenden Katari weltweit.
Latsch selbst boykottiert die WM: "Für mich steht Fußball vor allem für Spaß, Fairness und Vielfalt: Das Regime in Katar tut dies nicht. Deshalb möchte ich als Mitglied der LGBTIQ+-Familie diese FIFA-WM nicht unterstützen und werde zum ersten Mal seit 2006 nicht als Sportreporter vor Ort sein, um über Fußball zu berichten."
Dabei verspricht FIFA-Chef Gianni Infantino (52) "die beste WM aller Zeiten". Jeder sei willkommen, jeder werde sich in Katar sicher fühlen. Nur queere Einwohner selbst fühlen sich alles andere als sicher.
"Wir haben große Angst vor Bestrafung und Tod", sagt Mohammed* (32, Name geändert) in der Sendung. "Was wir in unserer Jugend gelernt haben: Schwulsein ist eine Verirrung, nichts Natürliches. Es ist gegen Gott, gegen Allah und die Regierung bekämpft uns auf ganz unterschiedliche Art."
Die Polizei könne jederzeit auftauchen, ihn wegsperren, physische und psychische Folter anwenden. Nur, wenn die eigene Familie etwas unternimmt, könne dies verhindert beziehungsweise minimiert werden.
Rote Karte statt Regenbogen - Homosexuelle in Katar: Bitte keine Zuneigung zeigen!
Auch Transfrau Faisal durchlebte die Hölle. Bei Rückreisen ins Emirat habe die als Mann geborene Frau immer wieder Probleme. Unter anderem sei ihr auf einer Polizeiwache schon einmal der Kopf rasiert worden.
Tatsächlich steht Homosexualität in Katar unter Strafe, wird mit Gefängnis bis zu sieben Jahren sanktioniert. Bei Ehebruch sei sogar die Todesstrafe möglich.
Zwar sei jeder willkommen, man solle sich den Katari gegenüber aber bitteschön "respektvoll" verhalten und öffentliche Zuneigungen unterlassen. Dies gelte aber auch für Heterosexuelle, sagt ein Verantwortlicher: "Es muss alles sehr anständig sein, ganz einfach. Jeder, der sich anständig verhält, hat kein Problem."
Oliver Bierhoff, Geschäftsführer der DFB-Nationalmannschaften, ist betroffen, aber nicht überrascht von den von RTL geführten Interviews. Sie seien "das, was man eigentlich befürchtet hat. Das ist natürlich schon dramatisch." Er fragt sich: "Wie konnte die FIFA die Vergabe in dieses Land geben? Das muss man kritisieren."
Infantino findet, dass man die gesamte Welt für den Fußball öffnet und es wichtig sei, "dass man überall hingeht". Und die katastrophalen Menschenrechte hinnimmt, wie sie sind?
Titelfoto: Bildmontage: Daniel Löb/dpa, RTL