"Horch" als Ulbrichts Antwort auf Mercedes: Die DDR konnte auch Autos bauen

Leipzig/Zwickau - Trabbi, Wartburg – und sonst nichts? Und ob. Das Autoland DDR war trotz notorischen Rohstoff- und Materialmangels manchmal für Überraschungen gut. So wurde vor 65 Jahren der Öffentlichkeit eine Limousine mit 6-Zylinder-Motor präsentiert.

Die einzige in Serie gebaute Limousine der DDR: der P240 aus Zwickau.
Die einzige in Serie gebaute Limousine der DDR: der P240 aus Zwickau.  © August Horch-Museum Zwickau

Die Besucher der Leipziger Frühjahrsmesse 1956 staunten nicht schlecht. Während Straßen noch in Trümmern lagen und ganze Betriebe als Reparation von den "Freunden" demontiert wurden, stellte das kleine Land selbstbewusst drei moderne Autotypen vor:

Den knuffigen Kleinwagen P70, das erste aus Duroplast gefertigte Serienfahrzeug der Welt.

Den schnittigen Wartburg als Cabrio, Limousine und Pickup.

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Vor allem aber den Horch Sachsenring P240. Die Limousine der gehobenen Mittelklasse war als Angriff auf den Mercedes 190 gedacht und eine Forderung von SED-Parteichef Walter Ulbricht (1893–1973).

Der hatte sich 1953 von den Zwickauer Horch-Ingenieuren ein repräsentatives Auto für Funktionäre gewünscht.

Fans noch heute begeistert von Laufkultur des Motors

Vom Kombi wurden nur sechs Stück gebaut.
Vom Kombi wurden nur sechs Stück gebaut.  © August Horch-Museum Zwickau

Später freute sich auch die Polizei über den Wagen – oder auch nicht: Qualitätsprobleme machten dem noblen Sachsen zu schaffen, dessen aberwitzige Entwicklungszeit von nur drei Jahren selbst US-Autogiganten kaum gereicht hätte.

Dabei schwärmen Fans noch heute von der Laufkultur des aus Chemnitz stammenden Motors; Autoradio war Standard.

Ab 1958 stand der Pkw auch bei den DDR-Händlern. "Zum sofort Mitnehmen", wie der SPIEGEL süffisant vermerkte. Allerdings war der P240 mit seinen 27.500 Ostmark privat unerschwinglich.

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Das Ende kam 1959. Nach 1382 Stück wurde die Fertigung eingestellt. Vom Kombi wurden insgesamt nur sechs Wagen gebaut, die allesamt ans DDR-Fernsehen gingen.

Kommentar: Horch, Horch!

TAG24-Redakteur Torsten Hilscher.
TAG24-Redakteur Torsten Hilscher.  © Eric Münch

Wenn am Freitag zeitgleich in Wolfsburg und Dresden die weltweit erste Elektro-Limousine von VW vorgestellt wird, rückt Sachsen wieder einmal als Autoland in den Blickpunkt. Das ist kein Zufall. Das geht inzwischen fast 130 Jahre so.

Denn (ja, wir kennen alle Witze) Sachsen ist eben mehr als 26 Jahre Trabant 601. Wenn man die Autobauer ließ, konnten sie konkurrenzfähige und wunderschöne Autos auf die Räder stellen. Das war in jüngerer Vergangenheit beim Phaeton von VW zu sehen – im Negativen wie im Positiven.

Vor 65 Jahren war es das bei der ersten und einzigen Serien-Limousine Horch Sachsenring aus Zwickau der Fall. Auch über Walter Ulbricht ist viel gelacht worden. Und wie er dieses Projekt quasi schon mit der Taufe beerdigt hat, lässt einen nur den Kopf schütteln.

Das Versagen setzte sich fort: Die weiterentwickelten Trabbi P603 (1964–1968) und P760 (1971–1973) waren auch gestalterisch auf der Höhe der Zeit und hätten eingeschlagen. Es durfte nicht sein. Dabei erstaunt noch heute – ein Schelm, der Böses denkt –, dass der erste Golf 1974 beiden so ähnelt ...

Was uns das alles sagt? Sachsen ist seit eh und je Innovationsland. Doch Kraft und Kreativität kann nicht staatlich verordnet werden. Der Staat muss Rahmenbedingungen schaffen. Heißt auch: Wenig Bürokratie, vielseitige Förderpolitik, zeitgemäße Infrastruktur.

Gerade bei Letzterem hapert's gewaltig: Wie schon 2020 knausert die Landesregierung bei den Straßenbaufördermitteln. Das ist genauso töricht wie ein dummer Spruch von Walter Ulbricht.

Titelfoto: August Horch-Museum Zwickau

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