Innsbruck (Tirol/Österreich) - Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat Anklage gegen einen 36-Jährigen wegen grob fahrlässiger Tötung erhoben. Der Mann soll im Januar 2025 seine völlig entkräftete 33-jährige Freundin bei einer Tour zum Großglockner kurz vor dem Gipfel schutzlos zurückgelassen haben. Die Frau erfror.
Der erfahrene Bergsteiger wollte seine Freundin bei winterlichen Temperaturen auf den 3798 Meter hohem Großglockner führen.
Doch kurz vor dem Gipfelkreuz konnte die Frau nicht mehr weiter. Stundenlang harrte das Pärchen am höchsten Berg Österreich aus. Doch anstatt die Rettungskräfte zu informieren, entschied sich der Mann, in der tiefen Nacht allein den Abstieg zu wagen - er wollte Hilfe holen und ließ die schutzlose Frau zurück.
Nun wirft die Staatsanwaltschaft dem erfahrenen Alpinisten schwere Versäumnisse bei Planung und Durchführung der anspruchsvollen Tour vor.
Trotz der Unerfahrenheit der Frau, die noch nie eine alpine Hochtour in dieser Länge, Schwierigkeit und Höhenlage gemacht hatte, habe der erfahrene Alpinist mit ihr die Tour im Winter unternommen, heißt es weiter. Er habe die Witterungsbedingungen völlig falsch eingeschätzt.
Frau stirbt am Großglockner: Chronik des Unglücks
Mit rund zwei Stunden Verspätung begann das Pärchen am 19. Januar 2025 über den Stüdlgrat den Aufstieg zum Großglockner. Statt passendem Schuhwerk trug sie lediglich Snowboard-Softboots, hatte ein Splitboard auf den Rücken. Notfall-Ausrüstung hatte das Pärchen nicht bei sich.
Im Lauf des Tages zog dann stürmischer Wind auf. Spätestens am sogenannten "Frühstücksplatzerl"- auf 3550 Metern Höhe - hätten sie umdrehen müssen. Laut Staatsanwaltschaft haben Windgeschwindigkeiten von bis zu 74 km/h geherrscht - der "Windchill"-Effekt habe zu einem Kälteempfinden von minus 20 Grad geführt.
Doch statt umzukehren, setzten die beiden den Aufstieg noch in der Nacht unbeirrt fort. Ab 20.50 Uhr war die Frau dann so entkräftet, dass sie de facto nicht mehr weiterkamen, führt die Staatsanwaltschaft aus. Doch der Angeklagte habe es unterlassen, einen Notruf abzusetzen.
Gegen 20.50 Uhr kam es dann zum Überflug eines Polizeihubschraubers, doch die rettenden Notsignale wurden nicht abgegeben. Als die Lage immer verzweifelter wurde, rief der Mann gegen 0.35 Uhr die Alpinpolizei an. Dann stellte er sein Handy auf lautlos, verstaute es in seinem Rucksack.
Gegen 2 Uhr in der Nacht beschloss der Bergsteiger, alleine abzusteigen. Er wollte offenbar Hilfe holen. Die 36-jährige Frau war da wohl schon völlig unterkühlt und desorientiert. Als er sie verließ, habe es der Angeklagte unterlassen, seine Freundin an einen möglichst windgeschützten Platz zu bringen, so die Staatsanwaltschaft. Weder habe er ihren Biwak-Rucksack noch die vorhandenen Aludecken verwendet oder ihr den schweren Rucksack mit dem Splitboard abgenommen.
Als die Rettungskräfte gegen 3.30 Uhr verständigt wurden, war wohl schon alles zu spät. Die 33-jährige Frau konnte nur noch tot geborgen werden.
Der 36-Jährige hat schriftlich Stellung genommen. Er weist die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück. Bei einer Verurteilung droht ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.