Wird Bayern ungewollt zum Kifferland? Fragen und Antworten zur großen Cannabisfreigabe

München - Manche sprechen von einem Aprilscherz, wirklich lustig finden es die Behörden in Bayern jedoch keinesfalls: Am 1. April startet das vom Freistaat abgelehnte Cannabisgesetz - mit vielen Vorgaben sowie teilweise unklaren Regeln.

Markus Söders (57, CSU) ist kein Fan des Cannabisgesetzes.
Markus Söders (57, CSU) ist kein Fan des Cannabisgesetzes.  © Sven Hoppe/dpa

Ab dem kommenden Montag gilt in Deutschland das umstrittene Gesetz der Ampel-Koalition.

Damit kann nach ausgeklügelten Regeln straffrei gekifft werden. Volljährige dürfen Cannabis dann zum eigenen Konsum in einem beschränkten Maß besitzen sowie anbauen. Vieles scheint zum Start unklar - und im Freistaat gibt es weiter klare Kritik.

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Unvermeidbar: Auch in Bayern darf gekifft werden.

Die amtierende Staatsregierung will zwar einen extrem strengen Vollzug der Regeln - gibt jedoch selbst zu, mit der Kontrolle wird es schwierig. In Polizeikreisen kam die Linie Söders nicht gut an.

"Söder bringt dadurch die Behörden und die Polizei in eine Position, in der sie ganz genau kontrollieren müssen", sagt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Jürgen Köhnlein, zu der Problematik, die bei dessen Aussagen mitschwingen. Dazu fehlten aber zum einen genaue Verwaltungsvorschriften, zum anderen Personalstärke und Instrumente.

"Es ist insbesondere auch eine Zumutung für die Polizei, diesen undurchdachten Regelungswust kontrollieren zu müssen, soweit das überhaupt kontrollierbar ist", sagt Innenminister Joachim Herrmann (67, CSU). Dennoch verspricht er, die Regelungen würden entsprechend so streng wie möglich kontrolliert. Als Schwerpunkt nennt Herrmann den Straßenverkehr.

Unter anderem hier sieht die Polizei erhebliche praktische Probleme, zumal nun auch deutlich mehr Menschen nach Cannabiskonsum am Steuer sitzen könnten. Es gebe keinerlei gerichtsverwertbaren Schnelltests, Urintests seien schwieriger durchzuführen als Atemkontrollen. Bei jedem Drogenverdacht müsse am Ende Blut abgenommen werden.

Ab Montag darf Cannabis angebaut werden. (Symbolbild)
Ab Montag darf Cannabis angebaut werden. (Symbolbild)  © Sebastian Gollnow/dpa

Das könnte Herbst werden. Anbauvereinigungen werden nicht gleich zum 1. Juli starten können.

"Die Anträge für Anbauvereinigungen werden nicht vor dem 1. Juli geprüft, weil sie vorher auch gar nicht zugelassen werden können", sagte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (38, CSU).

Der Genehmigungsprozess soll laut Gesetz nach drei Monaten abgeschlossen sein. Das zieht nach sich, dass die Verfügbarkeit von legal angebautem Cannabis noch länger eingeschränkt bleiben wird.

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Selbst wenn unklar ist, ob nun mehr Menschen zum Joint greifen, warnt die Ministerin: Mit dem Start des Konsums ohne legal angebautes Cannabis werde dem Schwarzmarkt Vorschub geleistet. Auch privat angebaute Pflanzen bräuchten Fachleuten zufolge je nach Sorte und Düngung mindestens acht Wochen, um zu wachsen.

Wird Bayern gegen das Gesetz klagen?

Das ist nach einigem Hin und Her immer noch offen. Die Chancen für einen gerichtlichen Stopp des ungeliebten Gesetzes scheinen nicht groß. Trotzdem will Gerlach den Klageweg erneut prüfen. "Nach der Bundesratssitzung liegt jetzt die finale Fassung des Konsum-Cannabisgesetzes sowie die neue Protokollerklärung der Bundesregierung vor", so die Politikerin.

Vor zwei Wochen hatte Gerlach gesagt, sie sehe nach einer Prüfung durch ihr Ministerium keine Klagemöglichkeiten für den Freistaat - weder vor dem Bundesverfassungsgericht noch irgendwo sonst, etwa auf europäischer Ebene. Herrmann hatte vor der Bundesratsentscheidung den grundsätzlichen Willen der Unions-Innenminister zur Klage bekräftigt. Er räumte ein, es sei keine einfache Frage, wie das Ganze am Ende vor Gericht gebracht werden könnte.

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Zum Cannabiskonsum gibt es klare Regeln. (Symbolbild)
Zum Cannabiskonsum gibt es klare Regeln. (Symbolbild)  © Hannes P Albert/dpa

Grundsätzlich gelten im Freistaat dafür dieselben Regeln wie im Rest der Republik. Erwachsene - also alle über 18 Jahren - dürfen zum eigenen Gebrauch bis zu 50 Gramm Cannabis daheim haben und mit bis zu 25 Gramm zudem unterwegs sein - und sie dürfen das Gras auch in der Öffentlichkeit rauchen.

Da geht es aber los mit den Einschränkungen: Im Umkreis von etwa 100 Metern zum Eingangsbereich von Spielplätzen, Schulen, Sportstätten und Kinder- sowie Jugendeinrichtungen darf man keinen Joint anstecken. Das gilt auch anderswo in unmittelbarer Gegenwart von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, selbst wenn es der eigene Nachwuchs ist.

Fußgängerzonen in ganz Bayern sind zwischen 7 und 20 Uhr ebenfalls komplett jointfreie Zonen.

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In Aschheim will ein Geschäftsmann bei seinem Hanfladen eine Anbaugemeinschaft etablieren und Cannabis anbauen.

Die Gemeinde trat dem mit Plänen zu einem Spielplatz in der Nähe vor dem Rathaus direkt entgegen - für Eltern, die mit ihren Kindern Behördengänge erledigen müssten, hieß es. Grundsätzlich könnten auch andere Kommunen diesen Weg beschreiten. Weitere Fälle seien aber derzeit nicht bekannt, heißt es beim Bayerischen Städtetag wie auch beim Bayerischen Landkreistag.

Darf man im Garten oder auf dem Balkon rauchen, wenn ein Spielplatz in der Nähe ist?

Die Antworten der Experten bleiben vorsichtig. Die Unverletzlichkeit der Wohnung gelte auch für den Sperrradius, heißt es.

"Wie damit umgegangen wird, wenn am Zaun des Kindergartens beispielsweise gekifft wird, weil man als direkter Nachbar sich zwangsläufig in der Sperrzone befindet, wird sich herausstellen müssen", sagt der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Florian Leitner. Köhnlein geht davon aus, dass man auf dem eigenen Balkon oder im eigenen Garten rauchen darf, selbst wenn etwa ein Spielplatz weniger als 100 Meter entfernt sind - nur eben nicht unmittelbar vor den Kinderaugen.

Dann rufe eine Mutter die Polizei und sage: "Mein Kind ist in der Dampfwolke drin, das will ich nicht" - und dann?

Was erwarten die Behörden in Bayern und die Polizei?

Polizeibeamte werden auch auf dem Münchner Oktoberfest ab diesem Jahr wohl äußerst genau hinschauen. (Archivbild)
Polizeibeamte werden auch auf dem Münchner Oktoberfest ab diesem Jahr wohl äußerst genau hinschauen. (Archivbild)  © Peter Kneffel/dpa

Von der in Berlin beschworenen Entlastung könne keine Rede sein, heißt es im Freistaat unisono.

Die Polizei erwartet einen Berg zusätzlicher Arbeit, Ärger mit Konsumenten - und Menschen, die das Kiffen stört. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lehne Umfragen zufolge die Legalisierung ab, so Köhnlein. "Diese Leute werden die Polizei anrufen, wenn sie einen Verstoß wittern." Mehr Einsätze demnach.

Zudem gebe es nun neue Ordnungswidrigkeiten und deutlich mehr Straftaten als bisher.

Laut dem Präsidenten des Bayerischen Landkreistags, dem Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin (61, CSU), wird auch den "ohnehin überlasteten Behörden ein irrsinniger Verwaltungs- und Vollzugsaufwand" beschert.

Gerade auf Jugendämter kämen erhebliche Mehraufgaben etwa bei der Prävention zu. "Wie unsere Leute dieses Aufgabenpaket stemmen sollen, lässt die Ampel unbeantwortet."

Gras auf dem Oktoberfest, Joint zum Bier - Was gilt auf der Wiesn?

Auch unklar! Das Münchner Wirtschaftsreferat als Veranstalter des größten Volksfestes der Welt enthielt sich konkreter Aussagen. Der Wirtschaftsreferent und Festleiter Clemens Baumgärtner (47) sagte "Bild", man müsse das Gesetz ansehen. Er habe aber ein ungutes Gefühl, wenn er sich vorstelle, dass in den Wirtsgärten der Wiesn Joints herumgereicht würden.

Experten zufolge wären beschränkte Verbote unter Umständen möglich, wenn Sicherheitsfragen oder Regeln des Gesetzes grundlegend berührt sind. Der Konsum von Cannabis sei grundsätzlich in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen verboten, betonte Gerlach. Das gelte auch auf Volksfesten. Ein Ministeriumssprecher warnte vor einem Mischkonsum von Cannabis und Alkohol: "Studien zeigen, dass Cannabis die Alkoholwirkung verstärkt."

Titelfoto: Montage: Sven Hoppe/dpa, Sebastian Gollnow/dpa

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