Doch rund 180.000 Teilnehmer bei Demo gegen rechts! Politiker schaltet Innenbehörde ein

Hamburg - Es war die erste große Demo gegen Rechtsextremismus in diesem Jahr: Am 19. Januar hatten sich laut Veranstalter rund 130.000 Teilnehmer am Hamburger Jungfernstieg versammelt, die Polizei sprach am Ende von nur 50.000 Menschen. SPD-Politiker Kazim Abaci wollte diese Unklarheit nicht stehen lassen - gerade aufgrund der Wichtigkeit des Themas - und wandte sich an die Innenbehörde, wie der 58-Jährige im TAG24-Interview erklärte.

Kazim Abaci (58, SPD), Geschäftsführer von "Unternehmer ohne Grenzen", war einer der Veranstalter und Redner von "Hamburg steht auf!".
Kazim Abaci (58, SPD), Geschäftsführer von "Unternehmer ohne Grenzen", war einer der Veranstalter und Redner von "Hamburg steht auf!".  © Jonas Walzberg/dpa

Per E-Mail bat der Geschäftsführer von "Unternehmer ohne Grenzen" um Prüfung der Zahlen und hatte Erfolg! Die Innenbehörde korrigierte die Zahl der Polizei - auch aufgrund des großen öffentlichen Interesses - auf 180.000 (!) Teilnehmer.

Dafür wurden die Luftbilder der Demonstration "Hamburg steht auf" am Jungfernstieg neu geschätzt. Demnach hatten sich die Teilnehmer auf einer Fläche von 60.000 Quadratmetern verteilt. Durch die Annahme, dass durchschnittlich drei Personen auf einen Quadratmeter kommen, sei so die viel höhere Zahl entstanden.

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"Aber auch die 180.000 ist eine konservative Zahl, weil erstens die Behörde von einer durchschnittlichen Belegung der Fläche ausgeht, aber die Fläche an dem Tag nicht durchschnittlich, sondern überdurchschnittlich belegt war. Und zweitens konnten viele Menschen die Kundgebung gar nicht erst erreichen", so Abaci im Gespräch. Aufgrund der Masse an Teilnehmern steckten viele in U-, S-Bahnen und Bussen fest, teilweise wurden ganze Stationen aus Sicherheitsgründen nicht angefahren.

"Somit waren viele noch unterwegs, als wir die Kundgebung schon längst beendet hatten. Insofern kann man sogar realistisch sagen, dass mehr Menschen als die 180.000 da waren." Abaci geht sogar von mehr als 200.000 Teilnehmern aus. Trotzdem ist er der Innenbehörde für die Korrektur sehr dankbar: "So etwas ist nicht selbstverständlich!"

Abaci: "Jeder zehnte Hamburger hat für die Demokratie protestiert!"

Zusammen mit unter anderem Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (58, SPD, l.) positionierte sich Kazim Abaci (M.) hinter einem Banner mit der Aufschrift "Hamburg steht auf!".
Zusammen mit unter anderem Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (58, SPD, l.) positionierte sich Kazim Abaci (M.) hinter einem Banner mit der Aufschrift "Hamburg steht auf!".  © Tag24/Madita Eggers

Doch warum war dem SPD-Politiker die Korrektur so wichtig? "Diese Kundgebung war eine besondere, weil sie von der Mitte der Gesellschaft geplant und getragen worden ist!"

Vertreterinnen und Vertreter aus Gewerkschaften, Wirtschaft, Sport, Kultur und Medien sowie Sozialverbände und Umweltaktivisten hatten gemeinsam zur Demo "Hamburg steht auf" aufgerufen. Unter die Teilnehmer mischten sich auch viele Familien mit Kindern und ältere Menschen.

"Klar, 50.000 Menschen sind auch ein starkes Zeichen, aber wenn man von den 180.000 ausgeht, heißt das, jeder zehnte Hamburger hat sich auf den Weg gemacht, um für die Demokratie zu protestieren. Und in dem Fall ist es auf jeden Fall wichtig, die Zahl zu korrigieren", betonte Abaci gegenüber TAG24.

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Der SPD-Politiker geht nicht davon aus, dass die aktuelle "Demo-Welle" so schnell abklingen wird. Auch wenn es mit Demonstrationen allein nicht getan sei.

"Man muss diese Protestwelle auch in den Alltag integrieren, wir müssen alle miteinander ins Gespräch kommen", so der 58-Jährige. Und vor allem müsse sich die Protestwelle auch in den Wahlen widerspiegeln. "Der Parlamentarismus darf nicht nur darin bestimmt werden, ob man eine Stimme abgibt oder nicht." Jede einzelne Stimme habe ihren eigenen Wert.

"Und diese Werte müssen für uns alle wichtig werden, damit viele Menschen demokratische Parteien wählen und dadurch die Feinde der Demokratie keine Chance mehr haben, in Deutschland zu entscheiden." Immerhin gehe es um die Gefährdung unserer Freiheit, Demokratie und unserer Vielfalt.

Titelfoto: Jonas Walzberg/dpa

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