Streik bei der Deutschen Bahn: GDL-Boss Weselsky tritt in Dresden auf

Dresden - Er ist das Gesicht des Lokführerstreiks und derzeit wohl eine der umstrittensten Personen der Republik: Am Freitag war GDL-Chef Claus Weselsky (64) zu Gast in Dresden, seiner Geburtsstadt. Um 9 Uhr rief er seine Mitstreiter zu einer Kundgebung vor den Dresdner Hauptbahnhof.

Vor seiner Rede genoss Claus Weselsky (64) das Bad in der Menge.
Vor seiner Rede genoss Claus Weselsky (64) das Bad in der Menge.  © Norbert Neumann

Eigentlich sollte die Rede pünktlich beginnen. Doch die Kollegen warteten auf die Delegation aus Chemnitz - der Zug hatte Verspätung.

Weselsky, der mit dem Auto anreiste, nutzte die Gelegenheit zum Bad in der Menge.

Eine Frau schüttelte ihm die Hand und fragte: "Claus, wie geht es dir?" "Gut, gut", antwortete Weselsky gelassen.

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Viele machten Selfies, neben den älteren Semestern waren auch viele junge Lokführer anwesend. Auf die Frage eines Reporters, wie er damit umgehe, dass ein Großteil des Landes an ihm verzweifle, antwortete Weselsky nicht.

Aus dem Verstärker am Streikzelt dröhnte in Dauerschleife "Ein Hoch auf uns" von Andreas Bourani, der Hit zum WM-Sommer 2014.

Um 9.16 Uhr traf die Delegation mit Fahnen und Trillern aus Chemnitz ein. Die Menge jubelte. Weselsky schritt zum Rednerpult, ergreift mit Mikrofon vor 400 Kollegen das Wort.

Claus Weselsky schimpft über die "Herren am Potsdamer Platz"

Bei der Kundgebung vor dem Dresdner Hauptbahnhof war kein Bahn-Vertreter anwesend.
Bei der Kundgebung vor dem Dresdner Hauptbahnhof war kein Bahn-Vertreter anwesend.  © Norbert Neumann

Manche Zuschauer skandierten: "Heimspiel, Heimspiel!"

Von der Deutschen Bahn war sichtbar kein Vertreter anwesend. "Ich bin Dresdner und verstecke meinen Dialekt auch nicht", sagte Weselsky schmunzelnd. "Weder in Dresden noch in Berlin, Nürnberg oder Stuttgart, wo ich die letzten Tage war."

Dann geht er in die Vollen: "Nieten in Nadelstreifen haben uns die Eisenbahn kaputtgemacht."

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Seit der Privatisierung der Bahn im Jahr 1994 habe sich nichts zum Besseren gewendet.

Im Gegenteil: "Die Herren am Potsdamer Platz [gemeint ist der Hauptsitz der DB in Berlin, Anm. d. Red.] regieren, zahlen sich jedes Jahr Millionenboni aus, während sie uns als Sanierungsfall darstellen wollen."

Die GDL fordert eine schrittweise Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden. Löhne und Gehälter sollen gleich bleiben. Die Bahn machte in einem dritten Angebot eine Offerte mit 37 Stunden pro Woche und unter Verzicht auf eine Entgelterhöhung ab 2026 um 2,7 Prozent.

Viele im Publikum sehen das als eine Gehaltskürzung, auch Weselsky. Das Angebot reiche bei Weitem nicht aus. Wie lange er den Kampf noch durchhalten wolle? "Ich bin Schichtdienst gewohnt, komme mit wenig Schlaf zurecht."

Streik bei der Deutschen Bahn: Was denken die Lokführer?

Lokführer und Eisenbahner waren bei der Kundgebung vor Ort.
Lokführer und Eisenbahner waren bei der Kundgebung vor Ort.  © Norbert Neumann

Und: Ihm gehe es nicht nur ums Geld, sondern um etwas Grundsätzliches.

"Das Eisenbahnwesen muss reformiert werden. Ihm müssen Eisenbahner vorstehen. Leute, die etwas von der Materie verstehen", so Weselsky, der dieses Jahr in den Ruhestand gehen möchte.

Die GDL werde den Arbeitskampf völlig unabhängig von seiner Person so lange weiterführen, bis endlich attraktive Arbeitsbedingungen bei der DB geschaffen würden.

Die Menge jubelte und trillerte. Unter den vielen Lokführern, Zugbegleitern und Mitarbeitern aus der Werkstatt stand auch Mirko M. (38).

Er sagte: "Ich treffe in meinem Bekanntenkreis viele, die uns Unverständnis entgegenbringen, die sagen: 'Es reicht.'"

Dann rechnet er vor: Ein Lokführer bekäme durchschnittlich um die 3700 brutto. Ohne Zuschläge habe man netto weniger als ein Lkw-Fahrer, und das, obwohl jeder Mitarbeiter neben seinen Schichtdiensten ständig Fortbildungen und Prüfungen absolvieren müsse. Mirko M. ist deshalb mit dem Engagement von GDL-Chef Weselsky zufrieden.

Ähnlich denkt Frank Heckel (65). Der frischgebackene Rentner aus Falkenstein (Vogtland) hätte gar nicht kommen müssen. Trotzdem stieg er am Freitag morgen um 6 Uhr in einen der wenigen fahrenden Züge, um sich mit seinen Kollegen zu solidarisieren. "Ich bin seit 1976 Eisenbahner, habe die Ortsgruppe der GDL bei uns mitaufgebaut."

Das Auftreten von Weselsky unterstützt er: "Der Mann hält zu uns. Er hätte im Laufe der Jahre auch die Seiten wechseln können. Hat er aber nicht."

Das will die GDL jetzt

Etwa 40.000 Mitglieder hat die GDL bundesweit. Sollte zwischen der Gewerkschaft und der Deutschen Bahn keine Einigung erzielt werden, dürfte es erneut zu Arbeitsniederlegungen kommen.

"Bislang gibt es für weitere Streiks noch keine genaueren Überlegungen", erklärte GDL-Pressesprecher Stefan Mousiol (64).

Der vierköpfige Vorstand wolle der Gegenseite zunächst "etwas Bedenkzeit" geben und dann über weitere Maßnahmen entscheiden.

Am kommenden Montag (18 Uhr) hält die GDL eine Pressekonferenz in Berlin ab. Dort soll vor der Öffentlichkeit ein Fazit zur aktuellen Streikperiode gezogen und ein Ausblick für die kommenden Wochen gegeben werden.

Erstmeldung vom 26. Januar um 12.28 Uhr; letztes Update um 14.49 Uhr.

Titelfoto: Norbert Neumann

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