Kommentar: Die Influencerin und das Märchen vom Erfolg der guten Menschen

TAG24-Redakteur Florian Gürtler (44) nimmt eine öffentliche Aussage der Frankfurter Influencerin Zara Secret (26) zum Anlass, um in einem Kommentar über Neid und die Verteilungs-Ungerechtigkeit in Deutschland nachzudenken.

Insbesondere für jüngere Menschen sind Influencer auf Instagram, TikTok oder YouTube die Idole unserer Zeit. Die Social-Media-Promis verfügen in der Tat über beträchtlichen Einfluss, wie die englische Umschreibung ihrer Tätigkeit ja auch nahelegt. Doch gerade deshalb sollten ihre Behauptungen niemals unhinterfragt hingenommen werden – so manche unbedacht hingeworfene Aussage ist beim zweiten Blick extrem politisch und eine unterschwellige Manipulation der Massen.

Die Instagram-Influencerin Zara Secret (26) aus Frankfurt am Main teilt ihr durchaus luxuriöses Leben mit rund 220.000 Followern.
Die Instagram-Influencerin Zara Secret (26) aus Frankfurt am Main teilt ihr durchaus luxuriöses Leben mit rund 220.000 Followern.  © Montage: Screenshot/Instagram/zara_secret

Einige Instagram-Storys der Frankfurter Influencerin Zara Secret (26) sind hierfür ein sehr gutes Beispiel.

Die junge Frau betreibt das übliche Influencer-Geschäft: Sie lässt ihre rund 220.000 Follower an ihrem (durchaus luxuriösen) Alltagsleben teilhaben. Dabei stellt sie gern ihren beruflichen Erfolg zur Schau, auf den sie sicher mit einigem Recht stolz sein kann.

Am späten Montagabend kam sie auf die Reaktionen zu sprechen, die sie von ihren Fans nach der Präsentation eines offenbar sehr hochpreisigen Bau-Projekts erhalten habe.

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Zara Secret sagte: "Da gibt es draußen so wunder-, wunderschöne Charaktere unter meinen Followern. Ich habe nur eine Kleinigkeit heute gezeigt und ihr habt mir Texte geschrieben, ihr habt euch mit gefreut und ich finde, das macht euren Charakter wunderschön und das wird euch erfolgreich machen, denn solche Charaktere schaffen es ganz weit nach oben."

Es sind die Nuancen in diesem Lob der Influencerin an ihre Fans, die stutzig machen sollten. Denn Zara Secret sagt eben nicht, dass ein positiv eingestellter, mitfühlender Charakter einen Menschen zufriedener oder vielleicht sogar glücklicher machen kann (was tatsächlich noch nachvollziehbar wäre), sie sagt, dass ein derartiger "wunderschöner" Charakter es "ganz weit nach oben" schaffe, also beruflich erfolgreich sein wird.

Im Kern lautet die Aussage der Frankfurterin also: Wer einen guten Charakter hat, der wird auch beruflich aufsteigen.

Reduzierung von beruflichem Erfolg auf Charakter-Eigenschaften ist ebenso politisch wie falsch

TAG24-Redakteur Florian Gürtler (44) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.
TAG24-Redakteur Florian Gürtler (44) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.  © Florian Gürtler

Zugleich wandte sich Zara Secret auch an jene Follower, welche offenbar mit Neid auf die Zurschaustellung von Luxus reagiert hatten.

Diesen gab sie den Rat: "Arbeitet doch daran, arbeitet daran und schafft selbst etwas Großes."

Die Reduzierung der Frage von beruflichem Erfolg im Leben auf den Charakter und die innere Einstellung des jeweils einzelnen Menschen ist unter Influencern durchaus verbreitet, wie die Autoren Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt in ihrem Buch "Influencer – Die Ideologie der Werbekörper" (Suhrkamp, 2021) darlegen.

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Auch Zara Secret transportiert in ihren oben zitierten Aussagen die Auffassung, dass Erfolg oder Misserfolg einzig und allein Fragen der individuellen Charakter-Eigenschaften seien – und dieses Märchen ist ebenso politisch wie falsch.

Selbstverständlich spielen individuelle Veranlagungen bei der Frage des beruflichen Vorankommens im Leben eine Rolle, aber Glück (von dem sicher auch die Frankfurterin bei ihrem Aufstieg einiges auf ihrer Seite hatte) wie auch gesellschaftliche Strukturen sind mindestens genauso entscheidend.

Schon die Herkunft ist in Deutschland ein bedeutender Faktor, stellen Studien doch immer wieder fest, wie entscheidend in unserem Land das Elternhaus für Bildungschancen und damit auch für Aufstiegschancen ist.

Hinzu kommt die extrem ungleiche Verteilung von Vermögen in unserem Land: Mehr als die Hälfte der Menschen hat so gut wie gar keinen Anteil am Gesamtvermögen des Landes.

Instagram-Influencerin Zara Secret teilt ihr Leben mit rund 220.000 Followern

Nicht Hass-Kommentare schreiben, sondern nach der Verteilungs-Ungerechtigkeit in Deutschland fragen

Es ist vor diesem Hintergrund natürlich falsch und auch unangemessen, der Influencerin Zara Secret aufgrund ihres Luxus-Alltags mit Anfeindungen oder Hass-Kommentaren zu begegnen.

Absolut berechtigt ist es jedoch, die Frage nach der Verteilungs-Ungerechtigkeit in Deutschland zu stellen: Warum werden keine höheren Spitzensteuersätze für Reiche und Superreiche eingeführt, um das Geld an die ärmere Hälfte der Bevölkerung umzuverteilen? Weshalb gibt es keine Vermögenssteuer, um den Bundesländern mehr Geld für die staatlichen Schulen zur Verfügung zu stellen und warum kommt keine Sonderabgabe für Reiche, um die Kosten der Corona-Krise zu bewältigen?

Diese Fragen haben nichts mit Neid zu tun, auch wenn dies immer wieder von FDP- und CDU-Politikern behauptet wird. Diese Fragen haben mit Gerechtigkeit zu tun – und sie müssen dringend gestellt werden.

Titelfoto: Montage: Screenshot/Instagram/zara_secret, Florian Gürtler

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