Queere Menschen fürchten AfD-Zuwachs: "Neue Intensität des Hasses"

Potsdam - Mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl und das Umfragehoch der AfD sieht die Landeskoordinierungselle Queeres Brandenburg zunehmende Ängste bei Schwulen und Lesben im Land.

Schwule und Lesben in Deutschland haben Sorgen wegen der AfD. (Symbolbild)
Schwule und Lesben in Deutschland haben Sorgen wegen der AfD. (Symbolbild)  © Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Er bemerke in Gesprächen, dass queere Menschen sich vermehrt um ihre Sicherheit sorgten, sagte der Projektleiter der Landeskoordinierungs-stelle, Jirka Witschak, der dpa in Potsdam.

"Die AfD hat Hemmschwellen eingerissen, es gibt keine Brandmauer mehr in Fragen von Hass und Gewalt gegen Minderheiten." Ideologen aus der rechten Szene schürten bewusst Feindbilder, dazu gehörten Migranten und queere Menschen. "Es gibt die Sorge, dass der Schutz von Minderheiten abnimmt", sagte Witschak.

Er kenne aus Beratungsgesprächen drei Fälle in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, in denen Eltern von Trans-Kindern überlegten, in größere Städte umzuziehen. Bei Trans-Kindern weicht das bei der Geburt zugeordnete Geschlecht von dem ab, mit dem sie sich identifizieren.

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Auch der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg berichtete von wachsender Queerfeindlichkeit und beklagte, dass sich das gesellschaftliche Klima gegenüber queeren Menschen negativ verändere.

Lesben- und Schwulenverband: Lage spitzt sich zu

Rechtsextremismus in Deutschland ist einer aktuellen Studie nach seit 2021 stark gestiegen.
Rechtsextremismus in Deutschland ist einer aktuellen Studie nach seit 2021 stark gestiegen.  © Heiko Rebsch/dpa

Der Verein Opferperspektive, der seit 25 Jahren Betroffene rassistischer Diskriminierung in Brandenburg berät, schilderte ebenfalls, die gesellschaftliche Situation im Land habe sich vor den Kommunal- und Landtagswahlen im kommenden Jahr zugespitzt.

Die Beraterinnen und Berater des Vereins erfahren demnach nahezu täglich von neuen Fällen rassistischer Ausgrenzung, Queerfeindlichkeit, Diskriminierung oder rechten Übergriffen.

"Die hohen Zustimmungswerte für eine extrem rechte Partei, die nationalistische und rassistische Positionen vertritt, bedeutet für die Ratsuchenden der Opferperspektive, dass die gegen sie gerichteten Taten von großen Teilen der Brandenburger Gesellschaft gebilligt werden", teilte der Verein mit.

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Der Lesben und Schwulenverband Berlin-Brandenburg sprach von einer besorgniserregenden Zunahme von Angriffen auf Orte und Symbole der queeren Community. Das betreffe nicht nur Brandenburg, sondern sei ein bundesweites Phänomen.

"Erschreckend ist vor allem die neue Intensität des Hasses. In den vergangenen Jahren war das Internet ein Hauptschwerpunkt volksverhetzender Äußerungen gegen queere Menschen. Verstärkt seit diesem Jahr verlagern sich die Tatorte aber auch immer mehr auf die Straße und gefährden wie beim Brandanschlag in Spremberg konkret Menschenleben", sagte der Verbands-Geschäftsführer Christopher Schreiber.

Er kritisierte, Queerfeindlichkeit werde in der Bevölkerung und bei Politikern vor Ort nicht immer als Alarmzeichen wahrgenommen.

AfD in Wahlumfragen bei über 30 Prozent

Im Brandenburger Landtag wird debattiert.
Im Brandenburger Landtag wird debattiert.  © Bernd Settnik/dpa

Als queer bezeichnen sich nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.

In einem Jahr, am 22. September 2024, wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Zuvor wählen am 1. September bereits Thüringen und Sachsen neue Parlamente. Umfragen sahen zuletzt in allen drei Bundesländern die AfD mit mehr als 30 Prozent vorn. Die anderen Parteien suchen nach Wegen, dieser Entwicklung zu begegnen.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass an der Schule in Burg im Spreewald, die wegen eines Brandbriefs von Lehrkräften bundesweit bekannt geworden ist, Unbekannte eine dort hängende Regenbogenfahne gestohlen und durch eine Deutschlandfahne ersetzt hatten. Die Schule war bundesweit in die Schlagzeilen geraten, weil zwei Lehrkräfte in einem Brandbrief geschildert hatten, sie seien an der Schule täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert.

Im Juni hatten in Spremberg im Spree-Neiße-Kreis Unbekannte einen Brandsatz auf eine Regenbogenfahne geworfen, die am Glockenstuhl einer Kirche hing. In Berlin waren im August homosexuellenfeindliche Angriffe auf ein Denkmal und eine Initiative bekannt geworden.

Titelfoto: Heiko Rebsch/dpa

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