Sachsen, ein Königreich für "Reichsbürger"?

Dresden - Die Zahl der "Reichsbürger" hat in Sachsen von 2021 auf 2022 stark zugenommen. Die meisten von ihnen leben auf dem Land. Eine Ausnahme bildet Dresden. Nirgendwo sonst konzentrieren sich so viele Staatsleugner wie hier. Der Verfassungsschutz warnt.

Im Februar führte die Polizei hier eine Razzia gegen eine sogenannte "Gemeinwohlkasse", einer Art Bank, durch.
Im Februar führte die Polizei hier eine Razzia gegen eine sogenannte "Gemeinwohlkasse", einer Art Bank, durch.  © Eric Münch

Mehr als 140 "Reichsbürger" und Selbstverwalter zählt das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen (LfV) in seinem aktuellen Bericht allein im "Hotspot" Dresden.

Darüber hinaus ist die sehr heterogene Bewegung laut LfV-Präsident Dirk-Martin Christian (61) eher ein "ländliches Phänomen".

Tendenz steigend: Machte der Verfassungsschutz 2021 noch 1900 "Reichsbürger" im Freistaat aus, waren es ein Jahr darauf bereits 2500 (Deutschland: 23.000). Ein Anstieg um fast ein Drittel.

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Nur "die Spitze des Eisbergs", warnte Christian.

Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen (LfV), Dirk-Martin Christian (61).
Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen (LfV), Dirk-Martin Christian (61).  © Eric Münch
"Reichsbürger"-Atlas: Je dunkler das Grün, desto höher die Zahl der Staatsleugner. Dresden ist dabei besonders dunkel (mehr als 140 "Reichsbürger"). In Sachsens Norden rund um Leipzig spielen "Reichsbürger" kaum eine Rolle.
"Reichsbürger"-Atlas: Je dunkler das Grün, desto höher die Zahl der Staatsleugner. Dresden ist dabei besonders dunkel (mehr als 140 "Reichsbürger"). In Sachsens Norden rund um Leipzig spielen "Reichsbürger" kaum eine Rolle.  © Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen
"Reichsbürger" geben nicht nur ihre bundesdeutschen Pässe zurück, sie erfinden ihre eigenen.
"Reichsbürger" geben nicht nur ihre bundesdeutschen Pässe zurück, sie erfinden ihre eigenen.  © dpa/Patrick Seeger
"Reichsbürger" halten ihren Besitz für "exterritorial".
"Reichsbürger" halten ihren Besitz für "exterritorial".  © Ralph Koehler/Propicture

10 Prozent aller "Reichsbürger" offenbar gewaltbereit

Bei dieser Durchsuchung eines 62-jährigen mutmaßlichen "Reichsbürgers" in Lauta waren im April auch Sprengstoffexperten, Zoll, eine Hundestaffel und die Feuerwehr im Einsatz.
Bei dieser Durchsuchung eines 62-jährigen mutmaßlichen "Reichsbürgers" in Lauta waren im April auch Sprengstoffexperten, Zoll, eine Hundestaffel und die Feuerwehr im Einsatz.  © xcitepress

"Reichsbürger" lehnen die Bundesrepublik und ihre Organe ab und etablieren eigene Strukturen, geben etwa ihre Pässe zurück oder schicken ihre Kinder häufig nicht zur Schule.

Wie gefährlich die Szene werden kann, zeigten die Umsturzpläne um den Prinzen Reuß, die Ende vergangenen Jahres aufgedeckt wurden.

Nur 2,8 Prozent der "Reichsbürger" seien in Sachsen rechtsextrem (2021: 5 Prozent), vermerkt der Verfassungsschutz.

Drohungen durch "Reichsbürger" nehmen massiv zu: Sogar Hinrichtung angekündigt
Reichsbürger Drohungen durch "Reichsbürger" nehmen massiv zu: Sogar Hinrichtung angekündigt

Aber 10 Prozent durchaus gewaltorientiert. In 33 Fällen meldete das LfV Erkenntnisse zu "Reichsbürgern" an die Waffenbehörden.

"Die Gefahr steigt", sagte Innenminister Armin Schuster (62, CDU).

Innenminister Armin Schuster (62, CDU).
Innenminister Armin Schuster (62, CDU).  © Holm Helis

"Königreich Deutschland" in Sachsen auf dem Vormarsch

Die Bewegung findet auch in Sachsen immer mehr Anhänger. Bei den Schenkungen an Gründer Peter Fitzek (57) geht es laut Verfassungsschutz um Millionen.
Die Bewegung findet auch in Sachsen immer mehr Anhänger. Bei den Schenkungen an Gründer Peter Fitzek (57) geht es laut Verfassungsschutz um Millionen.  © imago/Klaus Martin Höfer
Von "Reichsbürgern" gekauft: Das Wolfsgrüner Schlößchen in Eibenstock (Erzgebirge).
Von "Reichsbürgern" gekauft: Das Wolfsgrüner Schlößchen in Eibenstock (Erzgebirge).  © Erz-Foto/Georg Ulrich Dostmann

Ein Grund für die steigenden Zahlen sieht Christian in der Pandemie und der Ablehnung der offiziellen Maßnahmen.

Ein weiterer sei die Ausdehnung der sogenannten "Königreich Deutschland"-Bewegung von Peter Fitzek (57) - er selbst bestreitet Teil der Reichsbürgerbewegung zu sein - mit dem Ziel, Gemeinwohldörfer zu gründen.

In Bärwalde (Kreis Görlitz) und Eibenstock (Erzgebirgskreis) wurden jeweils Schlösser gekauft.

Mit weiteren Ankäufen sei zu rechnen, so Christian und lässt eine Kampfansage folgen: "Diesen Sumpf gilt es auszutrocknen."

Titelfoto: Montage: xcitepress, dpa/Patrick Seeger, ERZ-Foto/Georg Ulrich Dostmann

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