Neonazi-Teenies festgenommen: Einige müssen mit ihren Eltern vor den Ermittlungsrichter

Von Anne-Béatrice Clasmann, Jacqueline Melcher und Birgitta von Gyldenfeldt

Berlin - Die Vorwürfe wiegen schwer, doch noch erschreckender scheint das junge Alter der Beschuldigten: Die Bundesanwaltschaft ist am frühen Mittwochmorgen in mehreren Bundesländern gegen eine mutmaßliche rechte Terrorgruppe vorgegangen.

Die Polizei nahm fünf Verdächtige fest.
Die Polizei nahm fünf Verdächtige fest.  © Uli Deck/dpa

Fünf Verdächtige lässt die oberste Strafverfolgungsbehörde festnehmen. Sie sind zwischen 14 und 18 Jahre alt.

Ein erster Jugendlicher ist bereits in Untersuchungshaft. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof eröffnete dem 14-Jährigen aus dem Raum Haiger in Mittelhessen einen Haftbefehl und setzte diesen in Vollzug, wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft mitteilte.

Die Maßnahmen richteten sich unter anderem gegen den Meißner Devin K. (21), der bereits seit Februar wegen der Planung eines Anschlags auf eine Asylunterkunft in Senftenberg in U-Haft sitzt. Seine Zelle in der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen (bei Leipzig) wurde untersucht.

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Nach Angaben der Bundesanwaltschaft wurden auch in Neubukow (Landkreis Rostock) ein 16-Jähriger und in Wismar ein 18-Jähriger festgenommen. Beide würden nach Karlsruhe gebracht, wo sie voraussichtlich am Donnerstag dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden.

Aufgrund ihres Alters müssen einige von ihnen mit ihren Eltern vor dem Ermittlungsrichter in Karlsruhe erscheinen.

Devin K. und die nun Festgenommenen gehörten zu einer spätestens Mitte April 2024 gegründeten rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung, die sich selbst "Letzte Verteidigungswelle (L.V.W)" nennt.

Sie posieren vermummt und mit Bengalos: Neonazis der "Letzten Verteidigungswelle", unter ihnen Devin K. (21) aus Meißen.
Sie posieren vermummt und mit Bengalos: Neonazis der "Letzten Verteidigungswelle", unter ihnen Devin K. (21) aus Meißen.  © Screenshot/Instagram

Neue Mitglieder mussten Straftaten begehen

In Neubukow wurden Räume im Gebäude "Altes Postamt" durchsucht.
In Neubukow wurden Räume im Gebäude "Altes Postamt" durchsucht.  © Bernd Wüstneck/dpa

Sie organisierten sich hauptsächlich über geschlossene WhatsApp-Gruppen mit bis zu 200 Teilnehmern. Neue Mitglieder mussten nachweislich Straftaten wie Angriffe auf Migranten oder das Anzünden von Gebäuden begehen und diese dokumentieren, um aufgenommen zu werden.

Mit Brandanschlägen auf Asylbewerberheime und linke Einrichtungen wollte die Gruppe demnach das demokratische System der Bundesrepublik zum Zusammenbruch bringen. Sie verstehe sich als letzte Instanz zur Verteidigung der "Deutschen Nation", heißt es in einer Mitteilung der Karlsruher Behörde.

An den Festnahmen und Durchsuchungen waren den Angaben zufolge mehr als 220 Polizeibeamte von Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei sowie Polizeikräfte aus Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Mittelhessen beteiligt.

Die Verdächtigen sind noch Teenager.
Die Verdächtigen sind noch Teenager.  © Stefan Tretropp

Zwei Festgenommene waren wohl an Brandanschlag in Altdöbern beteiligt

Polizisten stellen in Mecklenburg-Vorpommern Beweise sicher.
Polizisten stellen in Mecklenburg-Vorpommern Beweise sicher.  © Bernd Wüstneck/dpa

Drei brutale Anschläge und Anschlagspläne rechnet die Bundesanwaltschaft der Gruppe zu. Teils sollen sie von den jüngst Festgenommenen geplant oder begangen worden sein, teils von drei weiteren Beschuldigten, die schon in Untersuchungshaft sitzen.

Es geht um einen Brandanschlag auf ein Kulturhaus in Altdöbern im Süden Brandenburgs, einen versuchten, aber erfolglosen Anschlag auf ein Asylbewerberheim in Schmölln in Thüringen und Anschlagspläne für eine Asylunterkunft im brandenburgischen Senftenberg.

Der Anschlag in Senftenberg konnte wohl dank Hinweisen eines Reporterteams von "stern"/RTL verhindert werden.

Im Februar hatten Ermittler in Sachsen nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Dresden eine Wohnung und eine weitere Immobilie durchsucht und dabei Sprengstoff in Form von zwei Kugelbomben, Schlagringe, Einhandmesser, Munition, Schreckschuss- und Softairwaffen gefunden.

Insgesamt 13 Objekte durchsucht

Hausdurchsuchung bei einem mutmaßlichen Mitglied der Terrorzelle in Mecklenburg-Vorpommern.
Hausdurchsuchung bei einem mutmaßlichen Mitglied der Terrorzelle in Mecklenburg-Vorpommern.  © dpa/Bernd Wüstneck

Die fünf am Mittwoch Festgenommenen wurden laut Bundesanwaltschaft in Mecklenburg-Vorpommern (Wismar und Landkreis Rostock), Brandenburg (Landkreis Oberspreewald-Lausitz) und Hessen (Lahn-Dill-Kreis) gefasst.

Die Polizei durchsuchte dort ebenso wie in Sachsen (Landkreis Leipzig) und Thüringen (Landkreis Altenburger Land und Ilm-Kreis) insgesamt 13 Objekte.

Die Jugendlichen sollten noch im Laufe des Tages nach Karlsruhe gebracht und dort dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden. Dieser entscheidet, ob sie in Untersuchungshaft kommen. Bis auf einen sind alle Beschuldigten Minderjährige.

Erstmeldung um 8.34 Uhr, aktualisiert um 18.29 Uhr

Titelfoto: Montage: Instagram, dpa/Bernd Wüstneck

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