Zu schwach zum Überleben: Jetzt robben Seehund-Babys in die Freiheit
Von Lennart Stock
Juist/Friedrichskoog - Vorsichtig und langsam steuert Kapitän Carsten Füllwock sein kleines Boot "Alucat-Phoca" direkt auf den Strand an der Ostspitze der ostfriesischen Insel Juist zu.
Alles in Kürze
- Drei Seehund-Babys werden auf Juist freigelassen.
- Die Tiere waren zuvor in einer Aufzuchtstation untergebracht.
- Sie wurden im Juni als verwaiste und unterernährte Jungtiere gefunden.
- Nach der Auswilderung erkunden die Seehunde ihre Umgebung.
- Die Tierpfleger begleiten die Tiere während ihrer Entwicklung.

Die drei jungen Seehunde an Bord, Hubi, Steve und Scotty, bekommen in ihren geschlossenen Transportkörben nichts von dem Anlegemanöver mit - dabei steht ihnen in wenigen Augenblicken ein großer Moment bevor.
Die drei Seehunde sind an diesem Sommerabend die ersten Jungtiere, die dieses Jahr nach einer Aufzucht in der Norddeicher Seehundstation wieder in die Freiheit entlassen werden.
Als das Boot am Strand aufsetzt, geht es schnell: Nachdem sich am Bug eine Klappe öffnet, tragen die Tierpfleger Tim Fetting und Fabian Gathmann einen Korb nach dem anderen an den Strand.
Dabei müssen sie pro Kiste und Tier mehr als 30 Kilo stemmen - seitdem die Seehunde von ihren Müttern verwaist und unterernährt Anfang Juni entlang der Küste gefunden wurden, haben sie während der Aufzucht in der Station ordentlich an Gewicht zugelegt.
Als die beiden Tierpfleger und Stationsleiter Peter Lienau die drei Körbe gleichzeitig öffnen und langsam Richtung Wasser kippen, wissen die jungen Seehunde erst noch nichts mit ihrer neu gewonnen Freiheit anzufangen. Sie schauen neugierig nach rechts und links und beschnuppern die Umgebung.
Auswilderung von Seehund-Jungtieren: Nordseewasser kennen die Tiere bereits

Dass die Tiere zunächst unsicher seien, sei ganz normal, erklärt wenig später Tim Fetting, der die Tierpflege in der Seehundstation leitet und schon seit mehr als 20 Jahren Seehunde auswildert. Hubi, Steve und Scotty seien schließlich in einem "großen Kindergarten" mit mehr als 100 weiteren Artgenossen groß geworden. "Das Nordseewasser kennen sie, das haben wir auch in der Station. Aber alles andere kennen sie nicht."
Schon nach wenigen Augenblicken werden die jungen Seehunde mutiger und robben Richtung Nordseewellen. Kaum im Wasser angekommen, tauchen sie gemeinsam um die Wette. Die Tiere wieder in Freiheit zu sehen, sei ein schönes Gefühl, sagt Fabian Gathmann.
"Wir begleiten die Tiere lange Zeit." Klein und abgemagert kämen die Tiere an - Hubi etwa wog bei seiner Einlieferung gerade mal 8,2 Kilogramm. Für die Tierpfleger in den beiden Seehundstationen in Norddeich und in Friedrichskoog in Schleswig-Holstein, den einzigen berechtigten Aufnahmestellen in Deutschland, beginnt nun die Auswilderungszeit.
Kurz vor den ostfriesischen Seehunden wurden auch in der Station in Dithmarschen mit Ariel, Heddies, Hugo und Vicky die ersten Jungtiere ausgewildert.
Titelfoto: Bildmontage: Hauke-Christian Dittrich/dpa