Ukraine-Krieg, Tag 45: Überraschendes Treffen zwischen Johnson und Selenskyj in Kiew

Kiew (Ukraine) - Tag 45 im Krieg Russlands gegen die Ukraine - und keine Entspannung in Sicht: Nach den Gräueltaten von Butscha kam es am gestrigen Freitag zu Angriffen auf Zivilisten in Kramatorsk und Makariw.

Wolodymyr Selenskyj (44) findet die Hilfe anderer Staaten zu gering. Er fordert ein ein Öl- und Gas-Embargo.
Wolodymyr Selenskyj (44) findet die Hilfe anderer Staaten zu gering. Er fordert ein ein Öl- und Gas-Embargo.  © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) wirft der deutschen Regierung einen zu zögerlichen Kurs in der Ukraine-Politik und im Kampf gegen Russland vor. Er lobte am Freitagabend das Kohle-Embargo im neuen EU-Sanktionspaket gegen Russland, kritisierte aber zugleich, dass es nicht weit genug ginge.

"Länder, Deutschland gehört auch dazu, sind gegen ein Öl und Gas-Embargo. Ich bin froh, dass das 5. Paket (der EU-Sanktionen) das Kohle- und Holz-Embargo enthält", sagte Selenskyj.

Ukraines Staatschef mahnte erneut mehr Unterstützung an. "Deutschland hat uns nicht mit Waffen unterstützt. Deutschland hat offen darüber gesprochen, dass wir kein Mitglied der Nato sein werden. Aber wenn wir ehrlich bleiben: die Rhetorik von Deutschland hat sich verändert. Deutschland ist konservativ und kalt - aber der Zug hat sich bewegt", sagte Selenskyj.

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Die Geschehnisse des gestrigen Tages könnt Ihr im TAG24-Ticker (8. April) nachlesen. Alle aktuellen Entwicklungen im Zuge des Krieges in der Ukraine am heutigen Samstag, den 9. April, gibt es hier in unserem Liveticker.

22.04 Uhr: Moskauer Militär: Mehr als 700.000 Menschen nach Russland evakuiert

Mehr als 700.000 Menschen aus den Separatistengebieten Donezk und Luhansk sowie anderen Teilen der Ukraine sollen nach Militärangaben in Moskau seit dem 24. Februar nach Russland evakuiert worden sein.

Allein am Samstag hätten knapp 27.000 Menschen die umkämpften Regionen Richtung Russland verlassen, sagte Generaloberst Michail Misinzew (59) vom russischen Verteidigungsministerium.

Aus der seit Anfang März umkämpften südukrainischen Hafenstadt Mariupol seien 134.000 Menschen gerettet worden, formulierte Misinzew. Der Agentur Tass zufolge warf er der Kiewer Seite erneut vor, eine Flucht für bedrängte Zivilisten nur auf ukrainisch kontrolliertes Gebiet zu ermöglichen, nicht nach Russland.

Mehr als 700.000 Menschen sollen seit Kriegsbeginn aus der Ukraine nach Russland geflohen sein.
Mehr als 700.000 Menschen sollen seit Kriegsbeginn aus der Ukraine nach Russland geflohen sein.  © Andriy Andriyenko/AP/dpa

21.09 Uhr: Johnson sagt der Ukraine gepanzerte Fahrzeuge zu

Der britische Premierminister Boris Johnson (57) hat der Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffs 120 gepanzerte Fahrzeuge und Anti-Schiffsraketensysteme zugesagt.

"Wir steigern unsere militärische und wirtschaftliche Unterstützung und bringen eine weltweite Allianz zusammen, um diese Tragödie zu beenden", sagte Johnson nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (44) in Kiew am Samstag.

Es müsse sichergestellt werden, dass "die Ukraine als freie und souveräne Nation überlebt und gedeiht". Johnson war am Samstag überraschend in die ukrainische Hauptstadt gereist.

20 Uhr: Ukraine: Dritter Gefangenenaustausch mit Russland

Die Ukraine und Russland haben nach Kiewer Angaben zum dritten Mal seit Kriegsbeginn Gefangene ausgetauscht.

Insgesamt seien 26 Ukrainerinnen und Ukrainer aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrt, teilte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk (42) am Samstag auf Facebook mit.

Zwölf der Befreiten seien ukrainische Militärangehörige, darunter eine Frau im Offiziersrang. Außerdem seien 14 Zivilisten befreit worden: 9 Frauen und 5 Männer. Wereschtschuk schrieb, der Austausch sei auf Befehl von Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) erfolgt. Es gab keine Angaben über den Ort des Austauschs und die Zahl der überstellten russischen Soldaten.

Iryna Wereschtschuk (42, l.) informierte auf Facebook über den Gefangenenaustausch.
Iryna Wereschtschuk (42, l.) informierte auf Facebook über den Gefangenenaustausch.  © -/Ukrinform/dpa

19.02 Uhr: Zentralbank hat Wechselkurs zum US-Dollar eingefroren

Die ukrainische Zentralbank hat nach dem russischen Überfall vor über sechs Wochen den Wechselkurs der Landeswährung Hrywnja zum US-Dollar eingefroren.

"Nach unserem Sieg werden wir schrittweise zum gewohnten Regime des freien Wechselkurses zurückkehren und schrittweise die Einschränkungen aufheben", sagte der Vizechef der Zentralbank, Serhij Nikolajtschuk, am Samstag im Fernsehen.

Am ersten Kriegstag am 24. Februar lag der offizielle Wechselkurs bei 29,25 Hrywnja für einen US-Dollar und ist seitdem auf diesem Stand geblieben. Bei anderen ukrainischen Banken weicht der Kurs nicht mehr als zehn Prozent davon ab. Im März lag die Inflation in der Ukraine um 13,7 Prozent über dem Vorjahresmonat. Insbesondere Lebensmittel verteuerten sich beinahe um 20 Prozent.

17.52 Uhr: US-Regierung verschärft Exportkontrollen wegen Russland-Sanktionen

Angesichts der jüngsten Gräueltaten im Ukraine-Krieg hat die US-Regierung bestehende Beschränkungen für Exporte nach Russland und Belarus verschärft.

Das teilte das US-Handelsministerium am Samstag in Washington mit. Die bereits "äußerst restriktiven Kontrollen" für die Ausfuhr etwa von Software und Technologien nach Russland und Belarus würden ausgeweitet. Das solle zusätzlich den Zugang erschweren zu Produkten, die beide Länder zur Aufrechterhaltung ihrer militärischen Fähigkeiten brauchten.

16.51 Uhr: Britischer Premier Johnson trifft Selenskyj in Kiew

Der britische Premierminister Boris Johnson (57) ist unangekündigt nach Kiew gereist und hat dort den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (44) getroffen.

Das teilten sowohl die britische als auch die ukrainische Seite am Samstag mit. "Gerade jetzt hat ein Vier-Augen-Gespräch mit Präsident Selenskyj begonnen", schrieb der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Sybiha, am Samstag auf Facebook.

Dazu veröffentlichte er ein Foto, das zeigt wie sich die beiden Politiker an einem Tisch gegenüber sitzen. Früher am Tag hatte Selenskyj bereits den österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer empfangen.

Boris Johnson (57, l.) und Wolodymyr Selenskyj (44) haben sich am Samstag in Kiew getroffen.
Boris Johnson (57, l.) und Wolodymyr Selenskyj (44) haben sich am Samstag in Kiew getroffen.  © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

16.11 Uhr: Außenamt kritisiert russisches Vorgehen gegen deutsche Stiftungen

Das Auswärtige Amt hat das russische Vorgehen gegen deutsche Stiftungen und internationale Menschenrechtsorganisationen verurteilt.

Eine Sprecherin teilte am Samstag in Berlin mit, mit der Schließung der politischen Stiftungen und anderer ausländischer Organisationen zeige die russische Regierung der Welt einmal mehr ihr wahres Gesicht.

"Mit gezielten Verboten und Zensur werden konsequent alle Stimmen zum Schweigen gebracht, die sich für Transparenz und Wahrheit, Gerechtigkeit, Menschenrechte und Demokratie einsetzen – zu
Lasten des russischen Volkes."

16.09 Uhr: Tschernobyl-Mitarbeiter in Sorge über verschwundene Kollegen

Mitarbeiter des ehemaligen ukrainischen Kernkraftwerks Tschernobyl sorgen sich um ihre mutmaßlich nach Russland verschleppten Kollegen.

"Es bekümmert uns", sagte Ingenieur Walerij Semjonow dem russischsprachigen Ableger des britischen Senders BBC. Die ukrainische Führung wirft Russland vor, die Belegschaft von Tschernobyl fast einen Monat lang als Geiseln im Bombenschutzkeller des Gebäudes festgehalten und dann gewaltsam nach Russland gebracht zu haben. Die Angaben ließen sich zunächst nicht überprüfen.

15 Uhr: Selenskyj: Setzen trotz Verbrechen weiter auf Gespräche mit Moskau

Ungeachtet mutmaßlich von Russland begangener Kriegsverbrechen setzt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eigenen Aussagen zufolge derzeit weiter auf Friedensverhandlungen mit Moskau.

"Leider sehen wir parallel die Vorbereitungen für einen wichtigen - einige sagen: den entscheidenden - Kampf im Osten unseres Staates", sagte Selenskyj am Samstag nach einem Treffen mit Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer in Kiew.

Im Osten und Süden des Landes werden russische Truppenkonzentrationen beobachtet. "Eine große Zahl an Truppen, Technik und Waffen. Bewaffnete Menschen, die noch einen weiteren Teil unseres Landes besetzen wollen", sagte Selenskyj. Das werde eine schwere Schlacht. Trotzdem sei Kiew "vorerst" zu Verhandlungen mit Russland bereit.

Selenskyj dankte Nehammer für seine Reise in die vom Krieg erschütterte Ukraine. "Das ist ein wunderbares Signal, dass die Führer europäischer Staaten damit anfangen, hierher zu kommen und uns nicht nur mit Worten unterstützen."

Wolodymyr Selenskyj.
Wolodymyr Selenskyj.  © Uncredited/Pressebüro des ukrainischen Präsidenten via AP/dpa

13.55 Uhr: Mehr als 20 Krankenhäuser komplett zerstört

Durch den russischen Angriffskrieg sind offiziellen Angaben zufolge mehr als 300 ukrainische Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen beschädigt worden.

"21 Krankenhäuser wurden komplett zerstört", sagte Gesundheitsminister Viktor Ljaschko am Samstag im ukrainischen Fernsehen. Diese müssten nun komplett neu aufgebaut werden. Patienten aus den umkämpften Gebieten im Osten seien in zentrale und westliche Regionen evakuiert worden.

In den nach dem Abzug russischer Truppen wieder unter ukrainischer Kontrolle stehenden Gebieten bei Kiew hingegen würden medizinische Einrichtungen wieder genutzt. "In Butscha und Irpin sind die Krankenhäuser wieder in Betrieb genommen worden", sagte Ljaschko. Es müssten vor allem oberflächliche Reparaturen vorgenommen werden. In Borodjanka würde die Situation gerade bewertet. Die Notaufnahme funktioniere jedoch wieder.

Titelfoto: Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

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