"Feminism WTF": "Hätte diesen Film gerne als Teenager gesehen"

Hamburg/Wien - Am Donnerstag kommt der Film "Feminism WTF" der Wiener Filmemacherin Katharina Mückstein (41) in die deutschen Kinos. Im Abaton-Kino lief dazu bereits die Hamburg-Premiere. TAG24 hat mit der Regisseurin über die Idee hinter dem Dokumentarfilm gesprochen.

Die österreichische Filmemacherin Katharina Mückstein (41) sprach mit TAG24 über ihren neuen Film "Feminism WTF".
Die österreichische Filmemacherin Katharina Mückstein (41) sprach mit TAG24 über ihren neuen Film "Feminism WTF".  © TAG24/Franziska Rentzsch

TAG24: Sie haben mit einem Instagram-Post eine #metoo-Welle in der österreichischen Filmszene losgetreten: Ist daraus auch die Idee zum Film entstanden?

Mückstein: Nein, ich würde eher sagen, dass mein #metoo-Aktivismus aus dem Film entstanden ist. Ich habe schon 2015 mit diesem Projekt angefangen. Den Film habe ich dann in der Pandemie gedreht, zu einem Zeitpunkt, wo ich wenig Kontakt mit der Filmbranche hatte. Der intensive Austausch mit Feministinnen und die Gespräche über sexualisierte Gewalt waren aber ständig präsent. Und für mich hat sich eine Situation ergeben, wo ich mich zum ersten Mal nicht mehr gefürchtet habe, dieses Thema offen anzusprechen.

TAG24: Wie kam es denn dann zu der ursprünglichen Idee zu dem Film?

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Mückstein: Ich habe mich mit meiner Co-Autorin Ina Freudenschuss viel darüber unterhalten, wie frustrierend es ist, dass feministische Themen in Mainstream-Medien immer ohne Expertise verhandelt werden. Wenn es um Feminismus geht, denken wir, eine Meinung reiche aus – also alle können mitreden und öffentlich ihre Meinung dazu kundtun. Und ich glaube, das würden wir mit anderen gesellschaftlich relevanten Themen nicht so machen.

TAG24: Wieso ist Feminismus keine Meinung – können Sie das noch einmal genauer erklären?

Mückstein: Ich finde, dass wir generell in unserer Debattenkultur sehr patriarchal geprägt sind von einer Idee des Rechthabens – als ob es nur darum ginge, eine feste Meinung zu haben, die richtig ist. Aber wenn man sich etwas intensiver mit feministischen Wissenschaften und Ideenwelten beschäftigt, dann sieht man, dass es eigentlich eine Denkschule ist mit Platz für Ambivalenz und für Zweifel. Sie entwickelt sich ständig weiter. Denn feministische Debatten entstehen eben auch aus innerfeministischer Kritik und Weiterentwicklung. Also eben genau das Gegenteil einer starren Meinung.

Katharina Mückstein über "Barbie": "Es ist das geringere Übel"

Die Idee zu "Feminism WTF" entstand bereits Jahre vor der #MeToo-Debatte.
Die Idee zu "Feminism WTF" entstand bereits Jahre vor der #MeToo-Debatte.  © mindjazz pictures

TAG24: Der aktuell sehr präsente "Barbie"-Film verspricht Zuschauern ebenfalls eine feministische Auseinandersetzung. Was halten Sie davon?

Mückstein: Ich bin überzeugt davon, dass Feminismus ohne eine radikale Kapitalismus-Kritik nicht funktioniert. Weil Kapitalismus das übergeordnete Machtsystem ist, in dem wir leben und das unsere Gesellschaftsordnung herstellt. Es gibt natürlich auch Feminismus, der den Kapitalismus nicht angreift: "Barbie" repräsentiert für mich so eine Art "Liberalen Feminismus", bei dem privilegierte Frauen mehr Macht bekommen, aber alle anderen haben nichts davon. Dazu kommt: Die "Barbie"-Puppe ist etwas zutiefst Frauenfeindliches. Sie hat Generationen von Frauen und deren Körperbild geprägt. Für mich ist der Film eine Art "Feminist Washing" von etwas, das man eigentlich nicht feministisch auslegen kann.

Auf der anderen Seite finde ich es besser, wenn sich Tausende Leute einen Film anschauen, in dem sie vielleicht ein bisschen was über feministische Ideen lernen, als einen Film, in dem Frauen nur Sexobjekte sind. Es ist sozusagen das geringere Übel. Aber mir geht es natürlich nicht weit genug.

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TAG24: Der Barbie-Film richtet sich ganz klar an die breite Masse. An welche Zielgruppe richtet sich "Feminism WTF"?

Mückstein: Mir war es wichtig, einen Film zu machen, in den man als interessierte Person hineingeht und im Prinzip schlauer herauskommt. Das würde ich erst mal nicht an Geschlecht oder Alter festmachen. Ich selbst hätte diesen Film gerne schon als Teenager gesehen, als ich Ideen von Feminismus hatte aber das Wissen dazu sehr schwer zugänglich war.

"Feminism WTF" kommt am 7. September bundesweit in die Kinos

Der Dokumentarfilm setzt die Experts in einen filmischen Dialog mit ästhetisierten Tanz- und Performance-Motiven.
Der Dokumentarfilm setzt die Experts in einen filmischen Dialog mit ästhetisierten Tanz- und Performance-Motiven.  © mindjazz pictures

TAG24: Was sollten wir alle noch über den Feminismus des 21. Jahrhunderts lernen?

Mückstein: Jede Auseinandersetzung mit Feminismus in unserer Gesellschaft ist geprägt von Antifeminismus, den wir sozusagen mit der Muttermilch aufnehmen, weil das unsere Kultur ist. Solange es den Feminismus gibt, solange gibt es auch den Versuch, ihn zu diskreditieren. Ich denke aber, dass wir unbedingt feministische Ideen brauchen, um die Probleme unserer Zeit zu lösen und dafür müssen wir uns öffnen, etwas dazuzulernen.

TAG24: Haben Sie persönlich denn das Gefühl, dass sich der Feminismus in eine gute Richtung entwickelt?

Mückstein: Definitiv. Die Generation meiner Großmutter durfte ohne das Einverständnis ihres Partners nicht arbeiten, die Generation davor durfte nicht studieren. Und jetzt sind wir bei Themen von gerechter Bezahlung und körperlicher Selbstbestimmung. Aber es ist einfach noch nicht alles erkämpft.

Letztlich bleibt eher die Frage: Schaffen wir es, den Kapitalismus zu überwinden? Wenn nicht, dann werden wir auch die Klimakrise nicht in den Griff bekommen. Und dann wird es uns sowieso innerhalb kürzester Zeit nicht mehr geben. Deshalb fällt es mir schwer, einen positiven Ausblick zu geben: Wenn die Welt verbrennt, dann sind die Bestrebungen um soziale Gerechtigkeit auch umsonst.

Der Film "Feminism WTF", der beim "Diagonale Filmfestival" in Salzburg den Publikumspreis erhielt, kommt am Donnerstag, 7. September, bundesweit in die Kinos.

Titelfoto: TAG24/Franziska Rentzsch, mindjazz pictures (Bildmontage)

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