Kraftklub feiert mit "Sterben in Karl-Marx-Stadt" das Leben
Von Andreas Hummel
Chemnitz - Karl-Marx-Stadt ist Geschichte, doch bei Kraftklub lebt es fort. Für das Video zu "Schief in jedem Chor" posieren die fünf Musiker auf einem Metallgestänge in luftiger Höhe, daran in riesigen roten Großbuchstaben der Schriftzug "Kraftklub Sterben in Karl-Marx-Stadt". Es ist der Titel ihres neuen Albums, das die Band im Sommer bei einem Überraschungskonzert angekündigt hat. Wo? In Chemnitz, dem einstigen Karl-Marx-Stadt. Aber warum Sterben?
"Wir hatten schon des Öfteren mit dem Tod zu tun", sagt Sänger und Texter Felix Kummer. Im Umfeld, Freundes- und Familienkreis sei mancher "viel zu früh gestorben". So habe er auch immer wieder über Tod und Sterben geschrieben. Doch in Deutschland sei der Umgang damit "sehr zugeknöpft".
Erst bei einem Aufenthalt in Mexiko habe er einen Zugang gefunden, dazu Songs zu machen, erzählt der 36-Jährige. Dort hat die Band die Feiern zum Día de los Muertos, dem Tag der Toten, miterlebt. "Das hat uns gezeigt, dass es eben noch einen anderen Umgang mit dem Thema Tod und Sterben gibt, als wir es kennen."
Einen Vorgeschmack auf das Album haben mehrere Single-Veröffentlichungen gegeben. Und wer Kraftklub kennt und schätzt, wird vom neuen Album wohl nicht enttäuscht. Es geht um Abschied und Sterben, aber vor allem um das Leben davor: ums Feiern, Verliebtsein, ums Dagegenhalten. Dazu hat sich die Band Unterstützung geholt: Nina Chuba, Domiziana, Deichkind und Faber sind als Gäste mit von der Partie.
Den Ton setzt der Song "Unsterblich sein" über den Rausch einer Partynacht und den Kater danach. Er ist auf dem Album die Klammer für die anderen zehn Stücke. "Ich dachte, ich hätte noch ewig Zeit", singt Kummer später in "All die schönen Worte", in dem es um verpasste Chancen geht. Denn der Tod kommt oft überraschend.
Mit Deichkind werfen Kraftklub zu mitreißenden Beats die Zeit mit vollen Händen aus dem Fenster. Und eine ganz eigenwillige Vorstellung von Trauerfeier und dem Leben nach dem Tod präsentiert der Titel "Wenn ich tot bin, fang ich wieder an". "Es ist das Los des Atheisten, dass ich mir das Paradies selbst irgendwie visualisieren muss", sagt Kummer dazu.
Erwartungen an das neue Kraftklub-Album sind hoch
Kraftklub ist eine der bedeutendsten deutschen Indiebands und bekannt dafür, auch politisch Stellung zu beziehen. So hielten sie mit dem #WirSindMehr-Konzert dagegen, als es in Chemnitz 2018 tagelang Ausschreitungen von Rechtsextremen gab.
Heute sagt Kummer, sie hätten irgendwann festgestellt: "Vielleicht sind wir nicht mehr, vielleicht waren wir auch nie mehr. Umso wichtiger ist es, dass man nicht allein ist." Im Lied "Schief in jedem Chor" heißt es dazu in Kraftklub-Manier: "Solang noch einer 'Fickt euch alle!' schreit, sind wir noch nicht verlor'n."
Nicht nur mit dem letzten Album "Kargo" (2022) war Kraftklub auf Platz 1 der Charts gestürmt. Die Erwartungen an das neue Album sind hoch und werden seit Sommer kräftig in sozialen Netzwerken geschürt.
Im März beginnt die Tour, die vielerorts ausverkauft ist. Kummer spricht von der größten Tour, die die Gruppe je gespielt habe. Auch wenn es auf dem Album um Abschied und Sterben geht - die Band verabschiede sich damit nicht, versichert er. "Es geht doch gerade erst wieder richtig los. Wir freuen uns auf alles, was jetzt kommt."
Titelfoto: Philipp Gladsome/Check your Head GbR/dpa

