Leslie Mandoki: Musiker erzählt von abenteuerlicher Flucht nach Deutschland
Von Cordula Dieckmann
Tutzing – Endlich Freiheit! Für den Musiker Leslie Mandoki (72) ging dieser Traum vor 50 Jahren in Erfüllung. Am 21. August 1975 mit 22 Jahren gelang ihm und zwei Freunden die Flucht aus dem damals kommunistischen Ungarn.
Alles in Kürze
- Leslie Mandoki erzählt von Flucht aus Ungarn.
- Mandoki floh 1975 mit zwei Freunden nach Deutschland.
- Die Flucht führte durch einen Eisenbahntunnel.
- Mandoki gründete eine Band und wurde Musiker.
- Mandoki feiert 50 Jahre Freiheit mit Konzert.

Über das ehemalige Jugoslawien gelangten sie nach Österreich und Deutschland. Ein abenteuerliches Unterfangen, von dem der 72-Jährige der Deutschen Presse-Agentur erzählt hat. Feiern will er den Jahrestag mit dem Open Air-Konzert "50 Jahre Sehnsucht nach Freiheit" mit seiner Band Mandoki Soulmates am Donnerstag (21. August) in Budapest.
Bereits im Juli 1975 hatte Mandoki mit dem Musiker Laszlo Becker und dem Trickfilmzeichner Gábor Csupó ("Die Simpsons Shorts") beschlossen, Ungarn zu verlassen. Endlich keine Zensur, keine Angst und all die Einschränkungen unter Kontrolle der Sowjetunion.
"Jeder Ungar wuchs mit Russophobie auf und mit tiefer Abneigung gegen den russisch geprägten Militarismus", beschreibt Mandoki sein Empfinden. Als junger Mann war er damals in der studentischen Opposition, ein Künstler mit langen Haaren, der allein deshalb suspekt erschien.
Minutiös bereiteten die Freunde die Flucht vor - bei absolutem Stillschweigen. Nicht mal seine Mutter und seinen jüngeren Bruder weihte Mandoki ein, nur seine Tante. Nach ihrer Flucht einige Jahre zuvor war sie inzwischen US-Amerikanerin und besuchte nun ihre Familie in Ungarn.
Ausgesuchter Plan: Brief im Sandwich, Fleischtrick und Güterzug-Tunnel

Mandoki bat sie, einen Brief an einen Freund herauszuschmuggeln, der nach Stockholm geflohen war. "Der Brief war in Zellophan eingewickelt in einem Sandwich versteckt." In dem Schreiben bat Mandoki den Freund, ihnen die beste Fluchtroute zu nennen und die Antwort postlagernd nach Rovinj zu schicken, heute Kroatien, damals das sozialistische Jugoslawien.
Von Rovinj ging es nach Slowenien zum Eisenbahntunnel durchs Karawankengebirge, bewacht von Hunden und Soldaten mit Schießbefehl. Drei Tage und Nächte spionierten die Freunde aus einem Gebüsch die Wachen für den besten Zeitpunkt aus. Mit rohem Fleisch lenkten sie schließlich die Hunde ab.
Die Jungs schafften es in den Tunnel. Nun lagen fast acht Kilometer Strecke vor ihnen durch einen dunklen Gang, steinig und so eng war, dass gerade mal die Züge durchpassten. "Da waren Grundwasser, Ratten und Fledermäuse und alle 50 Meter eine Einbuchtung, die war eigentlich nur für einen Gleisarbeiter, aber wir sind da zu dritt rein, wenn ein Zug kam." Ohrenbetäubend ratterten Güterzüge vorbei, dazu der starke Sog und die Angst, überrollt zu werden.
Die Hoffnung trieb sie voran. "Wir wussten, dass Österreich auf der anderen Seite war und damit die Freiheit." Als sie den Tunnel verließen, war die Erleichterung riesig. "Wir haben uns umarmt", erinnert sich Mandoki.
Leslie Mandoki landet nach Flucht aus Ungarn in Deutschland: "You must be totally crazy"

Im Aufnahmelager im bayerischen Zirndorf ging es schnell, auch wenn die US-Beamten sich bei der Aufnahme des Trios wunderten. "Die letzte Frage war: Was möchten sie hier werden?" Mandoki erklärte, er wolle eine Band gründen, um britischen Prog Rock und amerikanischen Jazzrock zu verschmelzen. Die Antwort des US-Beamten: "'All right, you must be totally crazy' – du musst total verrückt sein".
Mandoki machte seinen Traum wahr. Zweieinhalb Wochen nach seinem Antrag auf Asyl arbeitete er als Schlagzeuger beim Schwäbischen Landestheater in Stuttgart, auf Lohnsteuerkarte. Von dort aus verwirklichte er beharrlich seine Pläne, feierte Erfolge mit der Band Dschingis Khan und setzte eigene Vorhaben um.
Die Wände in seinem Studio in Tutzing am Starnberger See zeugen davon, sie sind dicht gepflastert mit Auszeichnungen und Fotos mit prominenten Musikschaffenden wie Phil Collins, Jennifer Rush oder Lionel Richie.
Mandoki weiß, dass er Glück hatte - auch weil er so schnell einen Job bekam. "Das Wichtigste für einen Flüchtling ist, dass er dort, wo er ankommt, die Chance auf Arbeit sowie Rechts- und damit Planungssicherheit bekommt", findet der 72-Jährige.
Was dabei nicht ins Bild passt: Er gilt als Freund des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der seinerseits wegen eines nationalistischen und flüchtlingsfeindlichen Kurses umstrittenen ist.
Titelfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa