Porno-Regisseurin klärt auf: Können Jugendliche etwas von den Sex-Filmen lernen?
Leipzig/Berlin - Mit 22 Jahren hat Paulita Pappel (35) ihren ersten Porno gedreht. Heute ist sie sowohl Darstellerin als auch Regisseurin und Unternehmerin. Sie betreibt zwei Porno-Websites, ist Mitorganisatorin beim Pornofilmfestival Berlin und arbeitet als Intimitätskoordinatorin an Filmen und Serien. Am 31. August erschien Pappels erstes Buch "Pornopositiv". TAG24 hat sie zum Interview getroffen.

TAG24: Frau Pappel, Sie stellen in ihrem Buch den Begriff Porno und die damit einhergehenden Vorurteile infrage. Was stört Sie an der Wahrnehmung von Pornos?
Paulita Pappel: Ich denke, die meisten Menschen haben ein ganz konkretes Bild im Kopf, wenn man das Wort "Porno" sagt: eine schlanke, blonde Frau mit großen Brüsten. Diese Vorstellung bewehrt sich, dabei ist sie vollkommen veraltet und die Pornoindustrie inzwischen viel breiter aufgestellt. Es gibt heutzutage so viele Menschen, die nicht diesem Klischee entsprechen, die feministische oder auch alternative Pornos drehen. Es ist einfach viel diverser, als die meisten denken.
Ich stelle dieses alte Bild infrage, weil ich möchte, dass Menschen realisieren, dass Pornografie vielfältig ist und Pornos nicht länger tabuisiert werden.
TAG24: Pornografie wird nach wie vor als etwas Schmutziges angesehen, was im Hinterzimmer passiert. Dabei, so sagen Sie, haben Pornos riesiges Potenzial. Welches Potenzial sehen sie darin und was muss sich ändern, um dieses Potenzial zu verwirklichen?
Paulita Pappel: Ich denke, das Potenzial steckt darin, dass, wenn wir dem Ganzen einmal positiv gegenübertreten, wir auch unserer Sexualität und unseren Fantasien mit einer positiven Haltung begegnen können. Und ich glaube, das ist das Wichtigste, was wir Menschen brauchen, um einen unbeschwerten, gesunden Umgang mit unserer Sexualität zu erlernen. Dass Pornografie in diese Schmuddelecke verdrängt wird, ist ja auch nur eine Konsequenz dessen, dass unsere Gesellschaft eben nicht unbeschwert mit Sexualität umgeht.
Pornos geben uns die Möglichkeit, unsere Fantasien in einem geschützten Rahmen zu erforschen und zu entdecken. Sie helfen uns dabei, unsere eigene Sexualität besser zu verstehen und letztlich genießen zu können. Um dahin zu kommen, muss die Gesellschaft zunächst jedoch viel mehr über Pornografie sprechen. Wir müssen aufhören, sie zu kriminalisieren und zu stigmatisieren und anfangen, sie als Unterhaltungsprodukt zu verstehen. Und dann müssen wir Wege finden und fördern, um dieses Produkt qualitativ hochwertiger und vielfältiger zu machen.
Interview mit Paulita Pappel: Können Jugendliche etwas von Pornos lernen?

TAG24: Denken Sie, dass Pornos uns helfen könnten, unsere Gesellschaft besser zu machen?
Paulita Pappel: Auf jeden Fall! Ich denke, eines der größten Probleme unserer Gesellschaft ist, dass wir in unserer Sexualität immer noch nicht frei sind. Wir haben immer noch nicht die Informationen und Werkzeuge, um selbstbestimmt sagen zu können, wer wir sind, wie unsere Sexualität aussieht und wie wir unsere Bedürfnisse kommunizieren können. Uns fehlt das alles.
Ich glaube, wenn wir die Werkzeuge und die Informationen hätten, um damit umzugehen, dann wären wir alle glücklicher.
TAG24: Beim Thema Pornografie geht es immer wieder darum, dass die Jugend davor geschützt werden muss, Pornos deshalb verboten gehören. Sie selbst fordern stattdessen, eine bessere Aufklärung und Medienkompetenz auch durch Pädagogen. Können Jugendliche etwas von Pornos lernen?
Paulita Pappel: Man muss das Ganze einfach realistisch betrachten: Es ist nunmal so, dass sich Heranwachsende Pornos anschauen. Die Frage ist, was sie davon lernen. Junge Menschen brauchen Informationen, um damit umzugehen, was sie sehen. Wenn Heranwachsende heute Actionfilme schauen, dann glauben sie ja auch nicht, dass Menschen aus dem Fenster springen können, ohne dabei verletzt zu werden. Warum? Weil wir ihnen erklären, dass es Fiktion ist. Genau so müssen wir ihnen bei Pornos erklären, dass das meiste davon nicht der Realität entspricht, sondern das eben auch inszenierte Filme sind. Das machen wir aber nicht, weil - und da sind wir wieder beim alten Problem - Pornos und Sexualität nach wie vor tabuisiert werden.
Wenn wir das aber überwinden, dann könnten wir den Begriff sogar erweitern und Filme produzieren, die einen pädagogischen Wert haben. Wir könnten Jugendlichen zeigen, wie sie Verhütungsmittel nutzen, ohne auf altbackene, peinliche Schulmethoden zurückgreifen zu müssen. In der Schweiz beispielsweise ist es auch schon ab 16 Jahren erlaubt, Pornos zu schauen. Ich denke, dieses Thema sollte man auch einmal ansprechen. Es ist doch absurd, dass junge Menschen legal Sex haben können, noch bevor sie sich anschauen dürfen, wie andere es tun.
Porno-Regisseurin Paulita Pappel: "Vor allem sollte man für Pornos zahlen"

TAG24: Welche Tipps haben Sie, um besser Pornos zu schauen?
Paulita Pappel: Erstmal sollte man es bewusster machen. Sich selbst auch mal Raum und Zeit geben, um es genießen und bewusster machen zu können und nicht immer nur klammheimlich und schnell-schnell. Dann sollte man auch mal über den eigenen Tellerrand blicken. Mal schauen, was es noch so gibt, um auch den eigenen Horizont zu erweitern.
Vor allem aber sollte für Pornos zahlen. Das macht es ethisch und auch fair den Leuten gegenüber, die den Porno gedreht haben. Man geht nicht das Risiko ein, etwas illegales zu tun und man bekommt außerdem eine viel bessere Qualität.
Titelfoto: Montage: Ullstein Buchverlage + Kasia Zacharko + Michelle Gutierrez