Inflation: Ökonom wirft ZDF "empirisch falsche" Fehl-Information vor

Mainz/Berlin - Mit der Serie "Kontext" möchte das Zweite Deutsche Fernsehen Hintergrund-Informationen zu aktuellen Debatten liefern. Die kürzlich veröffentlichte Folge zur gegenwärtigen Inflation in Deutschland erregte jedoch die überaus scharfe Kritik eines bekannten Berliner Ökonomen und YouTubers.

Theo Koll (64) ist der Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios Berlin. Kürzlich führte er als Moderator durch eine Folge der Serie "Kontext" zum Thema Inflation.
Theo Koll (64) ist der Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios Berlin. Kürzlich führte er als Moderator durch eine Folge der Serie "Kontext" zum Thema Inflation.  © ZDF/Jens Koch

Maurice Höfgen (26), wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag, Buchautor und Betreiber des YouTube-Wirtschaftskanals "Geld für die Welt", warf dem Moderator der "Kontext"-Folge, Theo Koll (64, Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios Berlin) in einem am gestrigen Dienstag veröffentlichtem Video wortwörtlich vor, "Fehl-Informationen" zu verbreiten.

Ohne Frage eine äußerst heftige Anschuldigung gegenüber einem derart erfahrenen Journalisten. Wie kommt der Ökonom zu diesem Vorwurf?

Theo Koll sagt zu Beginn der "Kontext"-Folge, dass er die "wesentlichen Ursachen der heutigen Rekord-Inflation" darlegen wolle.

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Zunächst benennt er den Ukraine-Krieg, in dessen Folge die Preise für Energie und Weizen stiegen. Als zweite Ursache nennt der ZDF-Journalist die Coronavirus-Pandemie, die wiederholt zur Schließung wichtiger chinesischer Häfen und damit zur Unterbrechung von internationalen Lieferketten führte.

Dann kommt Theo Koll auf eine angebliche dritte Ursache der inflationären Entwicklung zu sprechen: "Der vielleicht wichtigste Grund für die heutige Inflation aber lag lange im Verborgenen, wurde zumindest wenig beachtet. Es ist die Zins-Politik der Europäischen Zentralbank."

Die Zentralbank (EZB) habe den Leitzins seit der Finanzkrise 2008 über Jahre hinweg immer weiter und schließlich bis auf 0 Prozent abgesenkt, um die Wirtschaft in Europa anzukurbeln. Dadurch sei die Inflation mit ausgelöst und befeuert worden, erläutert der 64-Jährige.

"Wenn die Geld teurer macht, wenn die den Leitzins anhebt, haben wir dann mehr Gas?"

Der Ökonom Maurice Höfgen (26) ist ein Spezialist für Makroökonomie und die Funktionsweise von Zentralbanken.
Der Ökonom Maurice Höfgen (26) ist ein Spezialist für Makroökonomie und die Funktionsweise von Zentralbanken.  © Montage: Screenshot/YouTube/Geld für die Welt — Maurice Höfgen

Genau hier setzt Maurice Höfgen mit seiner Kritik an der "Kontext"-Folge an. Der Spezialist für Makroökonomie und Zentralbanken bekräftigt zunächst, dass es einen Energiepreisschock infolge des Ukraine-Kriegs gegeben habe.

Dieser sei ein "einmaliger Preisschock, ein angebotsseitiger Preisschock", der sich auf die Preise aller Waren und Gütern auswirke, für deren Produktion viel Energie benötigt werde, etwa bei Lebensmitteln.

Gegen diese Ursache der gegenwärtigen angebotsseitigen Inflation könne die EZB mit ihren Maßnahmen jedoch nichts ausrichten: "Wenn die Geld teurer macht, wenn die den Leitzins anhebt, haben wir dann mehr Gas? Kommen wir dann günstiger an Öl? Wird dann der Börsen-Preis für Strom günstiger? All das muss man mit 'nein' beantworten", echauffiert sich der Ökonom in seinem Video.

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Man müsse sich ehrlich machen, fährt der Wirtschafts-Influencer fort. Die Europäische Zentralbank habe mit ihrer Zins-Politik keinen Einfluss auf die durch einen Energiepreisschock befeuerte Inflation gehabt, betont der 26-Jährige und widerspricht damit direkt der Darstellung des ZDF-Journalisten.

Doch damit hört seine Kritik an der "Kontext"-Folge und Theo Koll nicht auf.

Eine Sendung "mit ganz, ganz, ganz vielen Fehl-Informationen"

Weitere Ausführungen des Leiters des ZDF-Hauptstadtstudios zu einem angeblichen Zusammenhang zwischen der Zins-Politik der EZB, der Geldmenge und den Güterpreisen bezeichnet der 26-Jährige als "komplett absurd" und "Finanz-Voodoo".

Maurice Höfgen bekräftigt noch einmal, dass es der Energiepreis-Schock sei, der die drastische Teuerung bewirke, nicht die Geldpolitik der EZB. Die ZDF-Darstellung sei "gegen die Fakten", unterstreicht der Ökonom und holt dann zu einem vernichtenden Fazit aus: "Wirklich, eine ganz, ganz, ganz, ganz schlimme Sendung mit ganz, ganz, ganz vielen Fehl-Informationen."

"Das müsste das ZDF eigentlich wirklich korrigieren, das geht gar nicht", fährt der Spezialist für Makroökonomie fort. Die Darstellung sei nicht nur theoretisch falsch, sondern auch "einfach empirisch falsch".

Titelfoto: Montage: Screenshot/YouTube/Geld für die Welt — Maurice Höfgen

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