"Kiez knallhart: Berlin-Neukölln": Schulabbrecherin Aylin will ihr Leben umkrempeln
Berlin - Clan-Kriminalität, schlechte Integration, Drogenhandel. An dem Berliner Bezirk Neukölln entzünden sich häufig in der Öffentlichkeit hitzig geführte Debatten. In der neuen Gesellschaftsreportage "Kiez knallhart: Berlin-Neukölln" begleitet RTLZWEI auch Aylin. Die 19-Jährige verbaut sich mit Cannabis-Konsum und Justiz-Ärger ihre Zukunft. Nun fasst die Neuköllnerin einen Entschluss: Sie will von der Droge weg und auch eine Ausbildung muss her.

Die junge Frau hat vor drei Jahren die Schule abgebrochen. Einen Job hat sie nicht. Seitdem lebt sie in den Tag hinein und stromert täglich mit ihren Mädels durch den Kiez. Mit ihrem westlichen Auftreten zieht die Deutsch-Türkin auf der arabisch traditionellen geprägten Sonnenallee die Blicke auf sich.
Aylin musste in der Vergangenheit schon vor der Polizei flüchten. Als sie und ihre Freundin am Drogen-Hotspot am berühmt-berüchtigten Kottbusser Tor im benachbarten Kreuzberg Polizisten auf Streife sieht, legen die zwei Mädels einen Gang zu.
Der Grund: Sie haben Cannabis bei sich. "Hier oben haben wir immer gekifft", verrät Aylen und zeigt auf eine eher versteckte Bar am "Kotti".
Im verwinkelten "Zentrum Kreuzberg, einem zwölfstöckigen Gebäuderiegel und illegaler Treffpunkt für Fixer, treffen sie sich mit einem Kumpel zum Kiffen. Dort in dem Wohnkomplex habe sie schon viel Elend gesehen.
"Hier sind schon wirkliche viele gestorben. Manche haben Selbstmord begangen, vom Dach gesprungen, auch wegen Drogen", erzählte Aylin, die Zeugin einer Verzweiflungstat wurde. "Ich hatte so ein krasses Trauma. Ich konnte drei Wochen nicht mehr in die Schule gehen."
Aylin und ihre Freunde nehmen nach eigenen Angaben keine harten Drogen, doch auch Cannabis birgt Gefahren. Denn: Der Konsum kann Folgen für das sich entwickelnde Hirn von Jugendlichen haben. Laut Studien könne dieses anfälliger für Opiate werden. Ein Abrutschen in eine schwere Drogensucht wird so begünstigt.
Aylin bewegt sich in kriminellen Kreisen

"Wir sind gerade sehr aufgedreht. Man will einfach nur einen Rauchen", beschreibt Aylin, wie sie einen Affen schiebt. Andernfalls bekäme sie schlechte Laune.
Cannabis ist Aylins ständiger Begleiter. Mit 15 fing sie zu kiffen an, rauchte teilweise bis zu fünfzehn Joints am Tag und neigt zu Aggressionen. Immer wieder geriet sie mit dem Rechtsstaat in Konflikt, weil sie Straftaten beging oder sich mit anderen Mädchen prügelte. Dieser Strudel zog sie immer weiter in den Abgrund.
Derzeit ist die Hartz-IV-Empfängerin auf Bewährung draußen. Die Anklage lautete auf Urkundenfälschung, Hehlerei und Betrug.
Aylin zockt in ihrer Ein-Zimmer-Wohnung Ballerspiele, um sich etwas dazuzuverdienen. Gearbeitet sie noch nie. Doch das Leben, das sie führt, ist nicht das Leben, das sie sich wünscht.
Die Neuköllnerin fühlt sich oft verloren. Als sie sechs Jahre alt ist, lassen sich ihre Eltern scheiden. Der Kontakt zum Vater ist nahezu abgerissen, das Verhältnis zur Mutter schwierig.
Ihr Freund Ali ist Mitglied einer bekannten Clan-Familie und sitzt aktuell in der JVA Tegel.
Aylin will weg von den Drogen und hängt sich beim Probetag rein

Aylin weiß: So kann es nicht weitergehen. "Ich wurde auf falsche Wege geleitet", schildert Aylin, die auf staatliche Hilfe angewiesen ist. "Ich habe auch Scheiße gebaut, habe die Schule vernachlässigt und bin nicht mehr hingegangen."
Die junge Frau will ihr Leben wieder in den Griff bekommen. Sie will den Schulabschluss machen und eine Ausbildung beginnen. Wohin die Reise genau gehen soll, weiß sie noch nicht: "Ich bin ein Mensch, der viele Praktika machen muss, um zu wissen, was ich möchte."
Dann tut sich eine Chance auf. Aylin wird ein Probetag in einem Friseursalon angeboten. Doch Aylin kommt ihre Strukturlosigkeit in die Quere – und sie ist über eine halbe Stunde zu spät. Vor Ort schlägt sie sich wacker dennoch und zeigt sich von einer ganz anderen Seite.
"Im Leben gehört dazu, dass du dir auch mal etwas sagen lassen musst, weil du nicht nur immer verteilen, sondern auch herunterschlucken musst", versichert Aylin nach den ersten zwei Stunden Arbeit. Die Ausbildung würde sie auch trotz des geringen Lohnes durchziehen, beteuert sie.
"Hauptsache ich habe eine sichere Zukunft und baue keinen Mist mehr", lautet ihr gutes Vorsatz. Die Chefin des Friseursalons ist bis auf Kleinigkeiten zufrieden mit Aylins Leistungen. Schon bald will die Schulabbrecherin für ein Praktikum zurückkehren, um sich weiter unter Beweis zu stellen. Am Ende könnte ein Ausbildungsplatz winken.
Die vier Folgen von "Kiez knallhart" läuft jeweils donnerstags ab 20.15 Uhr auf RTLZWEI oder auf Abruf bei TVNOW.
Titelfoto: RTLZWEI