NDR in der Kritik: Spielten Chefs Bedenken von Mitarbeitern herunter?

Kiel - Neue Vorwürfe gegen den Norddeutschen Rundfunk (NDR)! Erneut steht das Landesfunkhaus Schleswig-Holstein im Zentrum der Kritik.

Der NDR - insbesondere die Verantwortlichen im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein in Kiel - sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert.
Der NDR - insbesondere die Verantwortlichen im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein in Kiel - sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert.  © Axel Heimken/dpa

Die Berliner Zeitung berichtet unter Berufung auf ein vertrauliches Papier aus dem September 2021, dass Redakteure beim Redaktionsausschuss wegen einer "großen Nähe zur Politik in der Abteilung 'Politik und Recherche'" protestiert haben sollen.

Politikchefin Julia Stein (50) sowie der damalige Leiter des Programmbereichs Fernsehen und heutige Chefredakteur, Norbert Lorentzen (58), sollen die Vorwürfe heruntergespielt haben. "Diese Nähe gefährdet die kritische und unabhängige Berichterstattung nicht", sollen sie geschrieben haben. "Im Gegenteil: Häufig sichert sie sie und führt zu profunden Kenntnissen sowie inhaltlicher Kompetenz."

Der Redaktionsausschuss habe dem entgegnet, man sehe "einen Unterschied zwischen guten Kontakten in allen Bereichen und dem Eindruck, den uns Kollegen und Kolleginnen schildern, es gebe in der Abteilung eine Art Filter". Mitarbeiter schilderten demnach, "Berichterstattung werde teilweise verhindert und kritische Informationen werden heruntergespielt".

Der NDR und das verbotene Interview

Wieso verhinderte die NDR-Redaktionsleitung ein Interview mit Ex-Innenminister Hans-Joachim Grote (67, CDU)? (Archivbild)
Wieso verhinderte die NDR-Redaktionsleitung ein Interview mit Ex-Innenminister Hans-Joachim Grote (67, CDU)? (Archivbild)  © Christian Charisius/dpa

Ein Beispiel dafür sei, dass die Redaktionsleitung ein Interview mit dem am 28. April 2020 zurückgetretenen Innenminister Hans-Joachim Grote (67, CDU) per Weisung untersagt haben soll. Dabei steht der brisante Verdacht im Raum, dass mindestens ein Vorgesetzter ebenfalls CDU-Mitglied ist.

Der Rücktritt stand in Zusammenhang mit den damaligen Ermittlungen - auch im Zuge der Rocker-Affäre - gegen den Ex-Polizeigewerkschafter Thomas Nommensen (55), der derzeit wegen Geheimnisverrats vor Gericht steht. Zwischen Grote und Ministerpräsident Daniel Günther (49, CDU) zerbrach deswegen das Vertrauensverhältnis, der Innenminister kam mit seinem Rücktritt einer Entlassung vermutlich zuvor.

Darüber wollte ein NDR-Journalist offenbar mit dem 67-Jährigen sprechen. Doch das stoppte die Redaktionsleitung. "Durch die Weisung, kein Interview zu führen, wurde mittelbar die Aufklärung des Rocker-Skandals behindert", sagte Patrick Breyer (45, Piratenpartei) zur Berliner Zeitung. Die kritische Berichterstattung hätte kurz vor den Landtagswahlen dem Ministerpräsidenten schaden können.

Landesrundfunkrat beraumt Sondersitzung an

Patrick Breyer (45, Piratenpartei) übt scharfe Kritik am NDR. (Archivbild)
Patrick Breyer (45, Piratenpartei) übt scharfe Kritik am NDR. (Archivbild)  © Markus Scholz/dpa

Der Funkhaus- und der Fernsehchef sollen Breyer zufolge CDU-Mitglieder sein. Auf Nachfrage der Berliner Zeitung schwieg Chefredakteur Lorentzen.

Breyer: "Es entsteht der Eindruck, dass der Programmdirektor den Ministerpräsidenten schützen wollte." Der EU-Parlamentarier will außerdem festgestellt haben, dass der NDR anfangs "ausgezeichnet" über die Rocker-Affäre berichtet habe, es "im Laufe der Zeit immer weniger geworden" und schließlich "gar nicht mehr" geschehen sei.

Bereits zuvor hatten Business Insider und Stern über "politische Filter", ein "Klima der Angst" und "nicht objektive" Redaktionsspitze berichtet. Dabei berufen sie sich auf Aussagen von Mitarbeitern. Der NDR wies die Vorwürfe zurück.

Die Vorwürfe haben für Piratenparteipolitiker Breyer eine andere Dimension als die Veruntreuung von Geldern wie beim rbb. "Bei Schlesinger ging es um das Fehlverhalten einer Person. Hier geht es um die politisch motivierte Einflussnahme auf die Berichterstattung."

Wegen der erhobenen Vorwürfe will der Landesrundfunkrat am Montag zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Das Kontrollgremium will klären, ob die Berichterstattung beeinflusst wurde.

Titelfoto: Axel Heimken/dpa

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