Experte über Demenz-Erkrankte: "Sie sind in einer Welt, die wir uns nicht vorstellen können"
Leipzig - In der MDR-Talkshow "Riverboat" sprach der Mediziner Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer (72) über seinen an Demenz erkrankten Vater und die Überforderung vieler pflegender Angehöriger.
 
                                                                                                            
    
            "Es gibt ja hundert verschiedene Formen von Demenz und Übergänge von Depressionen oder auch Parkinson", erklärt der Arzt Moderatorin Kim Fisher (56). "Bei meinem Vater war ein erstes Symptom diese Schüttellähmung. Wir wissen heute, das hat unter anderem was mit einer Entstehung der Demenz zu tun."
Mit 86 Jahren habe ihm sein Vater gesagt, dass da "irgendetwas" in seinem Kopf sei. Grönemeyer habe es zunächst aufs Alter geschoben, bis er wenig später die ersten Anzeichen erkannt habe: "Mein Vater wurde dement, und zwar ganz rasant."
In der Gerontontologie habe er seinem Vater dann häufig aus heftigen Episoden heraushelfen müssen, da die Pfleger mit ihm überfordert gewesen seien. Immer wieder habe sich sein Vater in traumatische Erlebnisse aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges zurückversetzt gesehen. Dort hatte er neben seinem rechten Arm auch viele Freunde und Familienmitglieder verloren. Grönemeyer selbst lernte in diesen Situationen, dass er sich auf die Realität seines Vaters einlassen muss, um ihm helfen zu können.
"Das möchte ich auch allen mitgeben: Die Menschen sind in einer ganz anderen Welt, die wir uns nicht vorstellen können, und bitte lasst euch auf sie ein und beschimpft sie nicht, sondern nehmt sie an und umarmt sie", so der Professor.
Demenz macht Angst auf beiden Seiten
 
                                                                                                            
    
            Pflegende Angehörige seien mit dem Verhalten von Demenz-Erkrankten häufig überfordert, da sich die Persönlichkeit der Betroffenen so rasant wandelt. Das sorge jedoch für Angst auf beiden Seiten.
"Stellen Sie sich vor, man kommt in eine Umgebung und weiß nicht, dass das dein Zuhause ist. Du vergisst, wer deine Frau ist, und beschimpfst sie, ein Verhältnis mit dem 40 Jahre jüngeren Pfleger zu haben", erinnert sich der Arzt und Buchautor, in dessen Familie gleich mehrere Menschen gegen Ende ihres Lebens an Demenz erkrankt sind.
Am besten könne man Betroffene in diesen Episoden durch prägnante, emotionale Erinnerungen erreichen: durch Musik, durch Tanz, ein strahlendes Lächeln oder etwa das Vorlesen eines Kinderbuches: "Auf einmal macht's aha und die Menschen richten sich auf", erklärt der Mediziner. "Das ist eine wunderbare Möglichkeit, mit ihnen umzugehen."
Die ganze Folge "Riverboat" könnt Ihr jederzeit auf Abruf in der ARD-Mediathek sehen.
Titelfoto: IMAGO / STAR-MEDIA
 
                    
