Leipzig - Es sollte das Standardprozedere werden, doch es kam anders als erwartet: Erst im zweiten Wahlgang wurde Friedrich Merz (69, CDU) am Dienstag zum Bundeskanzler gewählt, erlitt im ersten Gang eine Schlappe, bei der sogar seine eigenen CDU-Mitglieder gegen ihn stimmten. Einer, dem es ebenso ging, ist Klaus Wowereit (71, SPD).
Zu Gast im "Riverboat" versuchte Berlins Ex-Bürgermeister zu erklären, was in so einem Moment wohl in Merz vorging - und was die verkorkste Wahl für ihn bedeutet.
Dreimal wurde Wowereit zum Bürgermeister Berlins gewählt, agierte von 2001 bis 2014 als Oberhaupt der deutschen Hauptstadt. Bei seiner zweiten Wahl 2006 brauchte es jedoch auch für ihn einen zweiten Wahlgang.
Keine Seltenheit auf Landesebene, betonte der Ex-Politiker nun im "Riverboat". Das Gefühl, das er damals erlebte, beschrieb er dennoch als "Hilflosigkeit".
"Man kann ja nichts tun", beschrieb der Sozialdemokrat die Situation. "Dass die Opposition dich nicht wählt, das ist ja normal. Aber die eigenen Leute, ja. Und dann haben die auch nicht den Mut, vorher was zu sagen. Es gibt ja Probeabstimmungen. Dann kommst du da rein und kriegst eine kalte Dusche."
Gegenüber Moderatorin Kim Fisher (56), mit der er seit Kurzem einen Podcast betreibt, gab Wowereit zu, kein großer Fan des neuen Kanzlers zu sein. "Aber da hatte ich schon ein bisschen Mitleid mit ihm. Da kannst du nur froh sein, wenn die beim zweiten Wahlgang zur Vernunft kommen."
Klaus Wowereit: "Das Schärfste war, dass keiner wusste, wie's jetzt weitergeht"
Von dem zweiten Wahlgang habe Berlins "Party-Bürgermeister", wie er seinerzeit genannt wurde, auf dem Golfplatz erfahren. "Ich habe immer parallel aufs Handy geschaut. Ich wunderte mich, denn eigentlich sollte das Ergebnis ja schon kurz nach 10 Uhr bekannt gegeben werden und es kam nicht. Da hatte ich schon einen Verdacht. Dann kam es, alle waren geschockt. Und dann war ja das Schärfste, dass keiner wusste, wie's jetzt weitergeht. Irgendwie war totales Chaos."
Kim Fisher wollte daraufhin noch wissen, ob die Schlappe tatsächlich eine Schramme bei Deutschlands neuem Bundeskanzler hinterlassen werde. Wowereit darauf klar: "Ja, natürlich!"
"Die Zeitungen titelten ja gleich alle 'Versagen' und was weiß ich was. Und es sät ja so ein Misstrauen in die Runde", erklärte er.
Und weiter: "Du musst ja vier Jahre zusammenarbeiten und sie sind ja damit gestartet, dass alles besser wird als mit der alten Koalition. Der Streit sollte ja ein Ende haben, man wollte ja Harmonie präsentieren und zeigen: 'Wir sind handlungsfähig vom ersten Tag'. Nun wären sie beinahe noch bis Freitag in die Reserve geschickt worden. Das ist nicht gut für alle."
Die Welt sei inzwischen sehr schnelllebig und andere Themen hätten die Wahl mittlerweile abgelöst. Dennoch betonte Wowereit: "Es wird immer an Merz haften bleiben."
Die gesamte "Riverboat"-Folge vom Freitagabend mit Klaus Wowereit, Mario Basler (56) und Thomas Anders (62) gibt's als Video-on-Demand in der ARD-Mediathek.