Breitscheidplatz: Anis Amri erschossen, nachdem er 12 Menschen tötete - "Beruhigend, dass er weg ist!"

Berlin - Ein Tag, der auf tragische Weise in die deutschen Geschichtsbücher einging: Am 19. Dezember 2016 fuhr Attentäter Anis Amri (†24) über den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz, tötete dabei zwölf unschuldige Menschen, verletzte Dutzende weitere. Fünf Jahre danach sprechen Ersthelfer, Zeugen und Einsatzkräfte über die Geschehnisse eines Abends, den sie nie vergessen werden.

Ein Lastwagen steht am 19. Dezember 2016 neben zerstörten Buden auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz.
Ein Lastwagen steht am 19. Dezember 2016 neben zerstörten Buden auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz.  © Bernd von Jutrczenka/dpa

Die RTL-Doku "Breitscheidplatz: Die Geschichte hinter dem Attentat" hat den genauen zeitlichen Ablauf anschaulich rekonstruiert.

17.59 Uhr: Der polnische Lastwagenfahrer Lukasz Urban parkt am Friedrich-Krause-Ufer, etwa fünf Kilometer vom späteren Tatort entfernt. Er bemerkt nicht, dass er ins Visier eines Terroristen geraten ist.

Tatsächlich suchte dieser dort schon seit dem 26. November nach einem geeigneten Lkw für seinen tödlichen Plan. Am 19. Dezember fand er ihn.

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18.37 Uhr: Knapp eineinhalb Stunden vor dem Drama genießen Besucher den hell beleuchteten und weihnachtlich dufteten Markt.

Zwischen 19.24 und 19.32 Uhr: Lukasz Urban (†37) wird mit einem gezielten Kopfschuss getötet. Sein Mörder setzt das tonnenschwere Gefährt mit der Leiche im Führerhaus in Gang, schickt aus der Fahrerkabine ein Foto mit den Worten: "Ruder, alles hat erfolgt."

19.59 Uhr: Der vollbeladene 40-Tonner beschleunigt laut Fahrtenschreiber auf 49 km/h. In einer linksgezogenen Kurve fährt der Attentäter geradeaus und überfährt auf rund 50 Metern, wer und was vor ihm steht. Menschen werden getroffen, Buden zerstört. Anschließend kommt der Lkw auf dem Kurfürstendamm - noch halb im Weihnachtsmarkt - zum Stehen.

Zahlreiche Rettungskräfte eilten zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Weitestgehend unwissend, was sie dort erwartet.
Zahlreiche Rettungskräfte eilten zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Weitestgehend unwissend, was sie dort erwartet.  © RTL

Attentat auf Berliner Breitscheidplatz: "Plötzlich hat alles gewackelt!"

Tannenschmuck klemmt in der zerstörten Frontscheibe des Lkw.
Tannenschmuck klemmt in der zerstörten Frontscheibe des Lkw.  © Britta Pedersen/ZB/dpa

Diana Wieprich und ihr Freund Felix wurden unfreiwillig zu Zeugen der Geschehnisse. "Wir haben ein älteres Ehepaar gesehen, das sich weinend im Arm hielt", erzählen sie in der Doku. Ein Touristen-Pärchen habe ihnen dann geraten, nicht weiterzugehen, weil ein Unglück passiert sei.

Auch Gerhard Zawatzki, der sich auf dem Plateau neben der Gedächtniskirche befindet, beschreibt: "Plötzlich hat alles gewackelt. Mein erster Gedanke war, ob es ein Erdbeben gegeben hat."

Viele Ersthelfer eilen auf den Weihnachtsmarkt, der komplett zerstört wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist noch völlig unklar, ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag handelt. Es herrscht eine bedrückende Stille. Schreie sind nicht zu hören.

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"Es lagen Menschen am Boden, schwerst verletzt, im Sterben. Manchen konnte man noch gut helfen und es gab halt auch Menschen, denen man nicht mehr helfen konnte", sagt Zawatzki.

Nach und nach werden die Rettungskräfte alarmiert. Schnell wird klar, dass es kein alltäglicher Einsatz wird. Thomas Kirstein, Brandoberrat der Feuerwehr Berlin, habe die Funkdurchsage des ersten Einsatzleiters gehört und erinnert sich an dessen ungewöhnliche Tonlage und dem Bericht mehrerer Toter und Verletzer. "Da wusste ich, okay, jetzt ist es passiert."

Mittlerweile wird ein Anschlag immer wahrscheinlicher. Und die Gedanken mehren sich, es könnte noch weitere Attentäter geben. "Wenn jetzt hier irgendwo einer auf dem Dach ist und auf die gelben Helme zielt, was ist dann?", so Kirstein.

Die "Faszination Weihnachten", geschrieben auf einem Stand, ist schlagartig zerstört.
Die "Faszination Weihnachten", geschrieben auf einem Stand, ist schlagartig zerstört.  © Bernd von Jutrczenka/dpa

Retter erinnern sich noch heute beim Duft von Glühwein an die schrecklichen Bilder

Tatortfotografin Jana Lange dokumentierte den entscheidenden Fingerabdruck, der zur Identität des Attentäters führte.
Tatortfotografin Jana Lange dokumentierte den entscheidenden Fingerabdruck, der zur Identität des Attentäters führte.  © RTL

Der Fahrer des Lastwagens, das wird später klar, hat das Führerhaus sofort nach der Tat verlassen und ist geflüchtet. Aufnahmen von Überwachungskameras zeichnen ihn auf, doch er hat einen (zu) großen Vorsprung.

Während der Einsatz- und Rettungsmaßnahmen gibt es einen lauten Knall. Ein verdächtiger Rucksack, der offenbar in dem Gewusel vergessen wurde, wurde gesprengt, ohne dies vorab zu kommunizieren. Ein Schreckmoment für die Beteiligten.

Zu denen gehört auch Dirk Czarnetzki. Der Tatortfotograf berichtet, der gesamte Tatort habe stark nach Glühwein gerochen. Auch Jahre nach der Tat kein angenehmer Geruch für ihn. "Das macht mir heute noch Probleme, weil ich den immer mit dem Platz und den Bildern assoziiere."

Die Bilanz: Neun Tote vor Ort und drei weitere Opfer, die in der Nacht in Kliniken verstorben sind.

Tatortfotografin Jana Lange gelingt am nächsten Tag der Durchbruch. Sie fotografiert im Lkw einen Fingerabdruck, der dem Tunesier Anis Amri zugeordnet wird. Im Fußraum findet sich zudem ein auf seinen Namen ausgestellter Aufenthaltsduldungsbescheid.

Hat zwölf Menschenleben auf dem Gewissen: Attentäter Anis Amri (†24).
Hat zwölf Menschenleben auf dem Gewissen: Attentäter Anis Amri (†24).  © Bundeskriminalamt/DPA

Breitscheidplatz 2016: Die Flucht von Anis Amri, die er nicht überlebt

Der Attentäter wurde vier Tage nach der Tat in Mailand erschossen.
Der Attentäter wurde vier Tage nach der Tat in Mailand erschossen.  © Daniele Bennati/B&V/dpa

Über Nordrhein-Westfalen flieht Amri in die Niederlande, nach Belgien und Frankreich, bis er in Italien ankommt.

In der Nacht zum 23. Dezember gerät er gegen 3 Uhr in in Sesto San Giovanni, einem Teil der Metropolitanstadt Mailand, zufällig in eine Ausweiskontrolle und eröffnet sofort das Feuer mit einer aus seinem Rucksack gezogenen Waffe, ehe er von einem Polizisten erschossen wird.

Die Nachricht vom Tod des Attentäters Anis Amri ist für Jana Lange eine Erleichterung. "Beruhigend, dass er weg ist!"

Neben den zwölf Todesopfern erliegt auch Sascha H. (†49) am 5. Oktober 2021 den Folgen einer schweren Verletzung, die er als Ersthelfer erlitten hat. Er ist der 13. Tote.

Heute stehen auf den Treppen zur Gedächtniskirche die Namen der Opfer. Der Breitscheidplatz wird seither mit Pfeilern geschützt.

Der 19. Dezember 2016 hinterließ nicht nur Tote und körperlich Verwundete. Auch Zeugen, Ersthelfer, Polizisten, Feuerwehrkameraden, Rettungskräfte, Ärzte und Rechtsmediziner werden die seelischen Wunden dieser Nacht für immer in sich tragen.

Die ausführliche Doku seht Ihr ab sofort auf Abruf bei RTL+ oder in der Nacht zum 16. Dezember ab 0.30 Uhr im Free-TV bei RTL.

Titelfoto: Bildmontage: Bundeskriminalamt/DPA, Bernd von Jutrczenka/dpa, RTL

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