Nach Bluttat am Holocaust-Denkmal: Anklage gegen Messer-Mann

Von Jacqueline Melcher, Susanne Kupke-Flohr

Berlin/Karlsruhe - Fünf Monate nach dem Messerangriff auf einen spanischen Touristen im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals in Berlin hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Täter erhoben.

Schwer bewaffnete Polizisten brachten den 19-Jährigen zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
Schwer bewaffnete Polizisten brachten den 19-Jährigen zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe.  © Uli Deck/dpa

Die Karlsruher Behörde wirft dem Syrer versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und versuchte Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor. Der Staatsschutzsenat des Kammergerichts Berlin muss nun entscheiden, ob und wann es zum Prozess kommt.

Am 21. Februar soll der damals 19 Jahre alte anerkannte syrische Flüchtling im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals von hinten mit einem Messer auf den Besucher aus Spanien eingestochen haben. Das Opfer wurde lebensgefährlich verletzt und musste notoperiert werden. Die Bundesanwaltschaft sieht die Mordmerkmale niedrige Beweggründe und Heimtücke als erfüllt an.

Die Tat war nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft radikal-islamistisch und antisemitisch motiviert. Aus dieser Einstellung heraus habe der Mann sich entschlossen, einen Messerangriff auf vermeintlich Ungläubige zu begehen, die er als Repräsentanten der von ihm abgelehnten westlichen Gesellschaftsform ansah.

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Der Angeschuldigte teilt nach Überzeugung der Behörde die Ideologie der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Kurz vor der Tat soll er über einen Messenger-Dienst ein Foto von sich an Mitglieder des IS geschickt haben, um der Vereinigung die Möglichkeit zu geben, sich zu der Tat zu bekennen.

Allein handelnde Täter als größte Gefahrenquelle

Die Tat war nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft radikal-islamistisch und antisemitisch motiviert.
Die Tat war nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft radikal-islamistisch und antisemitisch motiviert.  © Marion van der Kraats/dpa-Zentralbild/dpa

Der mutmaßliche Angreifer wurde wenige Stunden nach der Tat mit blutverschmierten Händen im Umfeld der Gedenkstätte festgenommen. In seinem Rucksack fanden die Ermittler neben der mutmaßlichen Tatwaffe auch einen Koran, einen Zettel mit Versen daraus sowie einen Gebetsteppich. Der Verdächtige sitzt in Untersuchungshaft.

Wegen der besonderen Bedeutung des Falls übernahm die Bundesanwaltschaft drei Tage nach der Tat die Ermittlungen von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Die Tat sei geeignet, die innere Sicherheit der Bundesrepublik zu beeinträchtigen, hieß es.

Die Attacke am Holocaust-Mahnmal hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Das Bundesinnenministerium erklärte, allein handelnde Täter, die einfach einzusetzende Mittel wie Hieb- und Stichwaffen verwendeten, stellten nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden "die aktuell dominante Gefahrenquelle im Bereich des islamistischen Terrorismus in Europa dar". Auch die Anleitung "tatgeneigter Personen" durch den IS via Chats werde immer wieder festgestellt.

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Ereignisse wie die Entwicklungen im Nahen Osten nach dem Überfall der Hamas in Israel am 7. Oktober trugen demnach auch zu einer Radikalisierung und Mobilisierung bei. Der Zentralrat der Muslime betonte: "Ein solcher Angriff hat nichts mit der Solidarität mit den Palästinensern zu tun." Gewalt gegen Unschuldige sei durch nichts zu rechtfertigen und widerspreche den Werten der Religionsgemeinschaft der Muslime.

Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas des Architekten Peter Eisenman war im Mai 2005 der Öffentlichkeit übergeben worden. Mit dem Stelenfeld und einem unterirdischen Informationsort wird in der Hauptstadt nahe dem Brandenburger Tor an die rund sechs Millionen ermordeten Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus erinnert.

Titelfoto: Uli Deck/dpa

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